Wieso ist die Schanze eigentlich nicht autofrei?

© Lisa Greis

Ich liebe die Schanze, wohne und arbeite dort. Aktuell ist das Schulterblatt aber eine Verkehrskatastrophe. Überall und ständig ist dort Baustelle – aktuell: Glasfaserausbau. Tagsüber ist hier genauso viel los wie nach Feierabend: Leute suchen Lunchspots, Lieferwagen brettern über die Kopfsteinpflaster, Autos mit Fremdkennzeichen suchen vergeblich nach einem Parkplatz, hinter ihnen bildet sich eine lange Schlange. Elektroroller weichen auf die breiten Gehwege aus, weil man sich auf den Dingern sonst eine Gehirnerschütterung holen würde. Abends verwandelt sich das Schulterblatt auf dem Gehweg zum Sehen-und-Gesehen-werden-Hotspot, die Straßen sind dann voller Taxen und Betrunkenen. Irgendwie stören die Autos hier nur noch.

Hamburgs autofreie Straßen sprechen für sich

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In unserem schönen Hamburg gibt es mehrere autofreie Straßen. Eben dort, wo es sich neben der Schanze noch sinnvoll anfühlt, Fußgänger*innen, Fahrradfahrer*innen und dem Nahverkehr die Straßen zu überlassen: zum Beispiel in der Innenstadt, genau genommen die Mönckebergstraße und der Jungfernstieg. Warum? Weil man beim Shoppen genauso wenig ein Fahrzeug braucht, wie beim Day Drinking vor der Katze und der Versuch des Parkens in der Innenstadt einem sowieso sofort die Lust auf die Schnäppchenjagd versaut. Und hier kommt vielleicht das Totschlagargument: Hamburgs schönste U-Bahn-Linie, die U3, bringt Hamburger*innen und Tourist*innen sicher und mit wunderschönem Ausblick, genau zwischen Kauf- und Kaffeehäusern sicher zur Mönckebergstraße.

Kann autofrei in Hamburg funktionieren? Das Beispiel Ottensen

Das Schulterblatt ist quasi so etwas wie die Innenstadt, oder zumindest der Anker- und Mittelpunkt der Schanze. Wieso weiten wir solche Projekte dann nicht über den Jungfernstieg hinüber aus? Zum Beispiel auch nach Ottensen. Dessen vierteleigenes Mobilitätsprojekt "freiRaum Ottensen – Das autoarme Quartier" bekam erst am vergangenen Freitag den Hans Sauer Preis für Mobilität verliehen. Viele erinnern sich sicher noch an den Test vor einigen Jahren, als Teile des Viertels für den allgemeinen Verkehr gesperrt waren. Ende 2022 kippte ein Gericht die Verkehrsberuhigung jedoch aufgrund Formalien wieder und seitdem tat sich lange wenig. Jetzt hat das Projekt endlich grünes Licht vom Verwaltungsgericht bekommen und sieht immer noch vor, größere Abschnitte der Bahrenfelder Straße und Ottenser Hauptstraße, sowie die Große Rainstraße und die Große Brunnenstraße für den allgemeinen Verkehr zu sperren. Im Projektgebiet sollen zudem die Gehwege nach Wegfallen der Parkplätze erheblich verbreitert werden und Beete angelegt werden. Soweit so gut und spannend zu beobachten ist Ottensen allemal, weil dessen Ausgang auch als Präzedenzfall für die Schanze gelten wird.

Erste Pläne für eine autofreie Schanze gab es bereits

© Lisa Greis

Wusstet ihr, dass die Schanze Hamburgs unfallreichstes Viertel ist? Laut des Statistischen Bundesamtes lag der Stadtteil im Jahr 2020 mit 54 Unfällen mal wieder ganz vorne. Weniger Autos würden auch weniger Unfälle bedeuten, so viel ist logisch. Und es ist nicht so, als wären neben uns nicht schon andere auf die Idee einer Auto-reduzierten oder -freien Schanze gekommen. So liest man bei Radio Hamburg, dass Bezirkschefin Stefanie von Berg die Straße herzlich gern für Autos sperren würde: "Neben dem ganzen Gedränge gibt es auch noch recht viel Autoverkehr. Viele Anwohner*innen sind davon genervt. Das will der Bezirk Altona nun ändern." Das war während der Coronazeit mal Thema. Wieso testet man sowas nicht losgelöst von einer globalen Pandemie, nämlich dann, wenn die Schanze voll ist? Was spricht dagegen? Per Bus, S- und U-Bahn ist die Partymeile schließlich super zu erreichen. Auto fahren darf man betrunken eh nicht. Ein Taxi- und Moia-Stand vor Buns statt der dortigen Parkplätze wäre eine sichere Lösung für alle, die nachts keine Lust auf Nachtbusse haben, oder nicht allein Bahn fahren mögen.

Ich kann die Aufschreie der Pro-Auto-Fraktion schon hören. Dabei hat der Test in Ottensen laut der Mopo einem Großteil der betroffenen Bewohner*innen (auch jene von ihnen mit Auto) sehr gefallen: "73 Prozent von ihnen gaben an, dass sich der Verkehrslärm verbessert hat, wobei mehr als die Hälfte der Meinung ist, dass dadurch die Wohnqualität im Stadtteil gestiegen ist." Und auch von den Passant*innen bewerteten 78 Prozent die Auswirkungen des Projekts als positiv. Das sind ziemlich deutliche Zahlen. Am Ende sind die typischen Diskussionen über ein Auto-reduziertes Hamburg immer ein Paradebeispiel dafür, wie lange politische Entscheidungen dauern und wie sehr sie polarisieren. Hoffentlich ändert sich das zum Wohle aller! Ich fahr' mal heim. Mit dem Rad.

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