Elinor spielt mit Harfe und Schlagzeug gegen Klischees in der Musikszene an

© Martyna Rieck

Hamburgs Musikszene ist groß und divers. Das freut nicht nur jene, die gern auf Konzerte gehen und sich von Gig zu Gig treiben lassen, auch die hier ansässigen Musiker*innen schätzen unsere Hansestadt wegen ihrer vielen Venues und Veranstaltungen. Doch was hat sich seit den wilden Sixties, als die Szene hierzulande – nicht zuletzt wegen des Besuchs der Beatles, die damals regelmäßig in der Fabrik in Ottensen auftraten – mit der Londoner verglichen wurde, besonders in Hinblick auf weibliche Inklusion auf sowie neben der Bühne getan? Wir haben eine Musikerin, die genau das am besten wissen muss, zum Plausch getroffen.

© Martyna Rieck

Als wir Elinor zum ersten Mal treffen, kommt ihre Power direkt rüber – selbst über Zoom. Es ist das erste Mal, dass sie interviewt wird, seit sie MOOR beigetreten ist. Die Doom-Metal Band, in der sie neben ihrem Soloprojekt CORECASS Schlagzeug spielt, hat gerade ihr neues Album "Heavy Heart" veröffentlicht – eine Musikrichtung, in der Frauen* immer noch zu wenig Visibilität haben. Elinor ist erst seit vergangenem Jahr Teil der Band, fühlt sich aber jetzt schon richtig gut aufgehoben und in die Gruppe, die sich wegen eines Todesfalls und mehreren Wechseln neu aufgestellt hat, integriert.

Im Vergleich zu Harfe oder auch Klavier bedeutet Schlagzeug für mich eine besondere Ausdrucksform, die sehr körperlich ist und damit fast schon einen sportlichen Aspekt hat. Ich liebe die Energie, die ich an dem Instrument abladen kann, die Impulsivität, die Wut.
Elinor Lüdde

"Die Jungs sind einfach klasse und total aufgeschlossen, auch was feministische Fragen angeht." Das erwartet man jetzt nicht unbedingt bei einer "harten" Metalband. Menschlich hat es also schon mal Klick gemacht. Die Entscheidung, der Band beizutreten, fiel für Elinor aber selbstverständlich auch wegen der Musik: "Im Vergleich zu Harfe oder auch Klavier bedeutet Schlagzeug für mich eine besondere Ausdrucksform, die sehr körperlich ist und damit fast schon einen sportlichen Aspekt hat. Ich liebe die Energie, die ich an dem Instrument abladen kann, die Impulsivität, die Wut, vor allem auch in Kombination mit den gleich drei schweren Gitarren, wie bei "MOOR"."

Wie frauenfreundlich ist Hamburgs Musikszene wirklich?

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Dass eine Frau* am Schlagzeug im Jahr 2023 eine Anomalie darstellt, finde ich sehr schade. Denn beim Besuch in Elinors Proberaum merke ich sofort, dass sie mega Power hat, selbstbewusst ist und sowas von ihr Handwerk versteht! Meine Voreingenommenheit, nicht Frauen, sondern vielleicht eher der Muskrichtung gegenüber, bereue ich direkt. Denn solche und weitere Vorurteile kennt Elinor leider nur zu gut. "Natürlich wird einem als Frau auch manchmal das Talent aberkannt, man muß sich extra beweisen und wird am Ende doch immer wieder durch eine sexistische Brille gesehen." Gerade im aktuellen #MeToo-Klima, wo wegen "Rammstein"-Frontmann Till Lindemann nicht nur die Sicherheit von Frauen* bei Konzerten diskutiert wird, sondern es auch wieder einmal um sexuelle Übergriffe in der Musikszene geht, war es uns wichtig, mit jemandem wie Elinor zu sprechen. "Im Fall Lindemann merkt man, wie viel Sexismus und Objektivizierung von Frauen nach wie vor in der Branche steckt. Fans, die ihr Idol gegen alle Vorwürfe verteidigen, tragen mit dazu bei, dass eben solche Dinge immer noch möglich sind. Das macht mich unfassbar wütend und zeigt, wie weit der Weg noch ist."

Im Fall Lindemann merkt man, wie viel Sexismus und Objektivizierung von Frauen nach wie vor in der Branche steckt. Fans, die ihr Idol gegen alle Vorwürfe verteidigen, tragen mit dazu bei, dass eben solche Dinge immer noch möglich sind.
© Martyna Rieck

Doch sie hat auch Positives in Hinblick auf Frauen* in der Musikbranche zu berichten: "Ich glaube schon, dass es vor, auf und hinter der Bühne langsam immer diverser wird. Doch leider ist das Ungleichgewicht nach wie vor sehr groß und da muss noch einiges passieren, vor allem auch strukturell. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass mir die Zahl an Frauen* am Schlagzeug, der Gitarre oder am Mischpult groß genug ist." Deswegen engagiert sich Elinor auch privat für mehr Visibilität von FLINTA-Personen in der Musik und gibt uns beim Verlassen ihres Studios in Wilhelmsburg mit auf den Weg, dass sich jedes weibliche Talent jederzeit bei ihr über Instagram melden darf, um Tipps zum Fuß Fassen zu ergattern oder ihr anderweitig Fragen zu stellen. Weil zusammen Musik machen einfach schön ist – das wussten auch schon die Beatles.

Wer Elinor mit ihrem Soloprojekt CORECASS live sehen möchte, hat am 20. August auf Kampnagel die Chance dazu, mit der Band MOOR spelt sie am 16. August auf dem Summer Breeze Festival.

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