Kiezgröße geht auch in weiblich: Auf einen Plausch mit Barbesitzerin Constanze

© The Rabbithole Bar 

Constanze Lay hat mit ihren 40 Jahren bereits eine ganze Menge erreicht. Deswegen haben wir der Besitzerin der The Rabbithole Bar, einer der zahlreichen Bars auf St. Pauli, einen Besuch abgestattet und sie mit einigen Fragen zum legendären Viertel gelöchert. Spannend, denn schließlich gilt der Stadtteil immer noch als "hartes Pflaster" – und vor allem werden die Läden dort und in Hamburg allgemein immer noch über prozentual von männlicher Hand geleitet. Da haben wir uns und im Anschluss direkt auch sie gefragt, wie es denn wohl so ist, als Besitzerin einer Bar auf dem Kiez.

The Rabbithole Bar hat Constanze vor sieben Jahren von den Vorbesitzer*innen (ehemals Kir und der Frühclub Astoria) übernommen. Die kommen bis heute ab und zu auf einen Drink vorbei, man kennt und schätzt sich. Als wir sie zum Interview treffen, zeigt sie sich selbstbewusst, doch wir erfahren, dass die Eröffnung einer Bar auf dem Kiez gerade als Frau auch seine Schwierigkeiten mit sich brachte. "Natürlich hatte ich Schiss vor der Selbstständigkeit", verrät sie uns. Nachdem sie jahrelang für andere geackert hatte, war der Schritt für sie dennoch der einzig richtige: "Ich wusste, wenn ich noch einmal Bar mache, dann meine eigene." Bei ihren früheren Chefs, allesamt männlich, war sie als leicht vorlaute Angestellte bekannt, deren originellen – und wie sie bis heute sagt – auch sinnvollen Ideen mehrfach auf taube Ohren gestoßen waren: "Man hat einfach irgendwann ganz spezielle Vorstellungen von seiner Traumbar."

Ich mochte es schon immer, anzupacken. Ein bisschen Kontrollzwang dazu gemischt, ergibt eine recht gut geeignete Persönlichkeit, um sich nicht nur auf dem Kiez durchzusetzen.
Constanze Lay

Und diese Vorstellungen hat sie nun in The Rabbithole Bar umgesetzt. Ob man da ein spezieller Typ für sein muss, wollen wir wissen und sie bejaht das ganz klar: "Ich war schon immer eine Person, die schnell Verantwortung übernommen hat, selbst wenn ich nur als Aushilfe beschäftigt war. Und dazu mochte ich es schon immer, anzupacken. Ein bisschen Kontrollzwang dazu gemischt ergibt eine recht gut geeignete Persönlichkeit, um sich nicht nur auf dem Kiez durchzusetzen", witzelt sie weiter.

Wie viel Sexismus erfährt man auf dem Kiez heute?

© Martyna Rieck

Obwohl sie dabei wahrscheinlich recht hat. Als Frau bestimmend zu sein und zu wissen, was man will, das stößt heute immer noch auf Widerspruch – besonders in einem Umfeld wie der legendären, aber auch von Stereotypen und veralteten Gedankenmustern geprägten Hamburger Gastronomieszene. "Bis vor nicht wenigen Jahren gab es noch Bars, die ganz unverblümt und offen gesagt haben, dass Frauen nur im Service und nicht hinter die Bar angestellt werden sollten. Und nicht zu selten kommt es vor, dass Gäste oder Lieferant*innen sich nach "dem Chef" erkunden und erstaunt sind, wenn ich meine Hand hebe. Manche gehen einfach davon aus, dass meine männlichen Angestellten hier das Sagen haben."

Mit Voreingenommenheit aufzuräumen hatte Constanze zwar nicht vor, jedoch bleibt das nicht aus. Gleichstellung wird hier quasi zum Drink dazu gereicht wie früher die Erdnüsse. Und das gilt nicht nur für verstaubte Gendervorstellungen, auch was die Getränkewünsche angeht, haben Stereotypen hier keinen Zutritt. "Die Zeiten, in denen man eine Gruppe hineinkommen sah und direkt ahnen konnte, wer jetzt einen Whiskey Sour bestellt und wer den Negroni, sind längst vorbei." Nicht umsonst steht "Love Bars, Hate Sexism" auf Stickern im Laden, denn wer Gleichberechtigung erwartet, muss sie umgekehrt auch leben.

© Constanze Lay

Kiezgröße geht auch in weiblich

Sexismus hat sie auch vor der Eröffnung ihres Ladens erfahren, beispielsweise als sie den Kredit für The Rabbithole Bar aufnehmen wollte und vom Banker mehrfach nach Details zu ihrem Konzept gefragt wurde, die mit der Finanzierung rein gar nichts zu tun hatten. Denn alles, was der Herr brauchte, stand das ganz klar und deutlich in ihrem Businessplan, den sie mithilfe eines befreundeten Anwalts aufgesetzt hatte. "Damit eben alles drin ist, was da reingehört und ich fix die nötigen Gelder für die Eröffnung und den Umbau bekomme." Trotz perfekt ausgefülltem Bürokratie-Krams kam es hier zu krassen Verzögerungen, erinnert sie sich.

Nicht zu selten kommt es vor, dass Gäste oder Lieferant*innen sich nach "dem Chef" erkunden und erstaunt sind, wenn ich meine Hand hebe.
Constanze Lay

Als nach drei Wochen Wartezeit immer noch kein Go kam, legte sie den gleichen Plan einer anderen Bank vor und landete glücklicherweise bei einer Frau, die ihre Kompetenz, eine erfolgreiche Bar zu leiten, nicht infrage stellte. Siehe da, innerhalb weniger Tage hatte sie die Bestätigung des Kredits in der Tasche. "Ich dachte mir damals: Du bist hier, um meine Zahlen zu prüfen und nicht, um zu hinterfragen, ob ich etwas von meinem Job verstehe! Das war schon sehr frustrierend."

© Martyna Rieck

Was uns vor allem beim Plausch und Schlürfen des fantastischen, von der Chefin eigens gemixten, klassischen Manhattan auffällt, ist, dass Constanze sich nie hat unterkriegen lassen. Sie leitet die Bar mit klugem Kopf, Bestimmtheit und einer großen Portion Einfühlungsvermögen. Ihr Team, das zum Großteil aus Frauen besteht, wird in fast jeden Prozess mit eingespannt – vor allem tut sie das, was ihre ehemaligen Chefs allesamt vertan hatten: Sie hört sich die Ideen ihrer Mitarbeiter*innen an und lässt sie tatkräftig mitentscheiden.

"Wenn jemand eine geile Idee für einen Drink hat oder einen Tipp, wie wir den Platz hinter der Bar besser nutzen können, dann wird das auch umgesetzt. Schließlich arbeiten meine Angestellt*innen jeden Abend hier und ich nur noch an ein paar Tagen in der Woche." Gehört, gesagt, getan, denn es steht bald der Umbau der Arbeitsfläche hinter dem Tresen an. Input begrüßt Constanze sehr und schließt damit den Kreis ihres beruflichen Werdegangs: von der vorlauten Aushilfe zur bestimmten und furchtlosen Chefin, die der Männerdomäne auf dem Hamburger Kiez die Stirn bietet und sich so ganz und gar nicht im Hasenbau versteckt!

The Rabbithole Bar | Kleine Freiheit 42, 22767 Hamburg | Montag – Donnerstag: 18 – 0 Uhr, Freitag und Samstag: 18–2 Uhr | Mehr Info

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