Hamburg hakt nach: Wieso darf man als Frau nicht in die Herbertstraße?

© Bernd1968 | Pixabay

"Wer, wie, was? Wieso, weshalb, warum? Wer nicht fragt, bleibt dumm!": Die Sesamstraßen-Fans unter uns haben diese lebenswichtige Weisheit natürlich längst verinnerlicht. Trotzdem traut man sich bei der ein oder anderen Frage dann doch nicht, sie zu stellen. Weil sie zu banal erscheint – oder man schlichtweg nicht weiß, wer die Antwort kennen könnte. Hier kommen wir ins Spiel! Wir haken für euch nach. Denn wir finden: Fragen – seien sie noch so simpel – sind nicht nur was für Kinder. Schließlich begegnen wir in Hamburg immer wieder kuriosen Dingen, die uns staunend oder fragend zurücklassen. Geht euch genauso? Dann schickt uns eure Fragen – wir beantworten sie oder suchen jemanden, der*die das kann.

Ann-Kathrin fragt: Wieso hat man als Frau keinen Zutritt zur Herbertstraße?

Der Hamburger Kiez und unser Rotlichtviertel sind Kult, keine Frage. Nicht umsonst kommen jährlich mehrere Millionen Tourist*innen in unsere schöne Hansestadt. Ein Großteil von ihnen besucht währenddessen auch die "sündigste Meile Deutschlands", die Reeperbahn. Und auch, wenn hier alle Menschen willkommen sind, gibt es dennoch eine Straße auf dem Kiez, die selbst im Jahr 2023 nur für die Hälfte aller Besucher*innen zugänglich ist: eben die männlichen. Und das ohne Wenn und Aber. Am legendären roten Tor zur Herbertstraße werden Frauen abgewiesen – wenn sie sich denn überhaupt bis dahin trauen. Da stellt man sich natürlich die Frage, wieso diese vermeintlich veraltete Regel bis heute nicht überdacht worden ist. Wir sind dem Ganzen mal für euch auf den Grund gegangen.

Zur Beantwortung dieser Frage muss man sich die Geschichte der Herbertstraße anschauen. Denn auch wenn man denken mag, dass das Patriarchat an der Regelung schuld sei, wäre das eine unfaire und zu einfache Erläuterung der geschlechterbasierten Ausgrenzung. Denn tatsächlich ist es so, dass die Herbertstraße, die seit dem 19. Jahrhundert zur Prostitution genutzt wird, ausschließlich von Frauen bewirtschaftet wird. Sie vermieten die Zimmer mit den großen, rot angeleuchteten Fenstern, in denen man sich den vorbeilaufenden Männern präsentieren kann, an Prostituierte weiter. An sich ist das ein gar feministischer Ansatz. Da wären Konkurrenz und missgünstige Blicke von Frauen – oder noch krasser, die festen Partnerinnen potenzieller Kunden – selbstverständlich geschäftsschädigend. Zudem ist das Leben als Sexarbeiter*in nirgends auf der Welt ein sicheres. Jedes Jahr wieder häufen sich auch in den Hamburger Tageszeitungen die Schlagzeilen von ermordeten Prostituierten. Vollkommen verständlich, dass ein Safe-Space unabdingbar ist. Das ist die Herbertstraße mehr, als die offene Reeperbahn es sein kann, allemal.

Dennoch muss man beide Seiten des Arguments beachten. So denke ich, bin ich sicherlich nicht die Einzige, die selbst auf dem frei zugänglichen Teil von Hamburgs Rotlichtviertel von den Frauen mit Bauchtasche böse angeguckt, beschimpft oder gar angegriffen wurde. Und das, obwohl ich weiß, dass es gang und gäbe ist, Blickkontakt aus Respekt zu vermeiden. Aber wissen das die Millionen Tourist*innen denn auch? Meiner Meinung nach würde eine Einweihung von Frauen in das Treiben der Herbertstraße und eine Liberalisierung des käuflichen Sexes im Allgemeinen dazu beitragen, einander weniger als "Konkurrenz" zu sehen. Und von der Tatsache, dass auch Frauen für Sex mit anderen Frauen (und auch mit Männern) Geld bezahlen würden, ganz abzusehen.

© Kevin Goonewardena

Die Herbertstraße und ihre niederländische Schwester

Aber wieso klappt es beispielsweise in Amsterdam, ein liberales und offenes Sex-Quartier zu betreiben? Hamburg und Amsterdam werden aus vielerlei Gründen gern miteinander verglichen. Zum einen fahren wir auch gern Fahrrad, halten uns gern für politisch und ideologisch als links angesiedelt (Kiffen darf man in Hamburg aber immer noch nicht), und zum anderen haben wir viele Brücken und die Prostitution ist ebenso legal. Da liegt auch ein Vergleich der Rotlichtviertel nahe. In Amsterdam hat nämlich jede*r Zugang zu den Straßen und Gassen, in denen ganz unterschiedliche Sexarbeit angeboten wird. Das ist jedoch erst seit 2000 so und der Zugang wurde noch nie für eine einzelne Bevölkerungsgruppe eingeschränkt. Dadurch ist das bunte Treiben (höhö) dortzulande bereits normalisiert worden.

Voraussichtlich hätte eine Öffnung dieser lange im Verborgenen gelegenen Straße bei uns in Hamburg eine enorme Welle an Sensations-Tourismus zur Folge. Vor zehn Jahren hat ein Veranstalter laut der sh.z bereits versucht, eine Kiez-Tour durch die Herbertstraße auch für Frauen zugänglich zu machen, scheiterte jedoch kläglich. Schuld daran waren laut Informationen der Journalist*innen wohl die Zuhälter gewesen. Und genau damit kommen wir zum großen Kritikpunkt dieser Genderpolitik auf St. Pauli. Denn so feministisch die Idee und generelle Aufmachung der Meile auch ist – mit diesem Aspekt kippt das Ganze dann doch ein wenig, oder? Wollen die Damen denn wirklich nicht, dass die Straße für alle zugänglich gemacht wird, oder ist es für die Zuhälter so einfach nur wirtschaftlicher? Sicherlich liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen.

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