Ayat Mohamads Kamera rückt Fußballerinnen in den Fokus
Zum Glück ist Ayat Mohamad zum Zeitpunkt unseres Interviews noch Hamburgerin, schließlich passt sie mit ihrem Profil perfekt in unsere Porträt-Reihe, in der wir euch spannende Hamburgerinnen* und ihre Berufe näherbringen. Diesmal geht es nicht in eine Bar, auf die Bühne oder zum Pizza essen, wir treffen die Social Media Managerin und Video-Produzentin auf dem Sportplatz.
"Ich wollte schon immer im Sportjournalismus arbeiten", erzählt Ayat Mohamad, als wir uns in Eimsbüttel bei Regen zum Cappuccino treffen. Hamburg, Ende Juli 2023 halt. Was außer dem Wetter auf die Stimmung drückt, ist das jüngste Ausscheiden der deutschen Frauenmannschaft aus der WM in Australien und Neuseeland. Aber über Fußball zu reden, darüber freut sich die 26-Jährige immer. Ob privat – am liebsten über den HSV – oder beruflich, wenn sie auf und neben dem Platz Frauenfußball-Content für eine Agentur produziert. "Die tiefe Liebe zum HSV wurde mir quasi in die Wiege gelegt. Mein Vater war schon vor seiner Flucht aus dem Irak nach Norddeutschland großer Fan der Hamburger Kicker. Ich kannte Hamburger Fußball also schon, bevor ich wusste, wo die Stadt genau liegt. Außerdem ist die Rivalität mit dem FC St. Pauli einfach super spannend."
Die tiefe Liebe zum HSV wurde mir in die Wiege gelegt. Mein Vater war schon vor seiner Flucht nach Norddeutschland großer Fan der Hamburger Kicker. Ich kannte Hamburger Fußball also schon bevor ich wusste, wo die Stadt genau liegt.Ayat Mohamad
Seit ihrem vierten Lebensjahr und die ganze Jugend über stand sie selbst auf dem Platz, als Mittelfeldspielerin beim SSG Rot-Schwarz Kiel. Heute filmt und interviewt sie andere weibliche Talente auf und neben dem Rasen, zum Beispiel die Fußballlegende Tuğba Tekkal. Somit hat sie ihr Hobby zum Beruf gemacht, eine berufliche Verwirklichung, die viele anstreben. "Am Geilsten ist es, wenn man hinter dem Tor steht und die Mannschaft dir nach dem Tor direkt vor die Kamera läuft!", schwärmt sie.
Frauenfußball im Wachstum
In der Video-Medienagentur "11+ Media" war sie während ihrer Zeit in Hamburg die einzige Frau im Team. Schlimm findet sie das nicht, würde sich dennoch natürlich gern mehr weibliche Kolleg*innen wünschen. Beim FC Viktoria Berlin, wo sie seit August remote von Hamburg aus arbeitet, wird das jedoch anders sein. "Die erste Frauenmannschaft von Viktoria Berlin wurde vom Verein ausgegliedert und ist als Inhaberinnen geführtes Start-up ein super spannendes Projekt, das gesellschaftskritische Themen angeht." An eine Hamburger Produktion erinnert sie sich dennoch besonders gern zurück: "In meinem ersten Jahr habe ich ein Porträt von der Torschützenkönigin Hannah Paulini vom Eimsbütteler TV drehen dürfen. Zuletzt durfte ich bei der Relegation der Frauen des Hamburger SV dabei sein, jetzt, wo sie endlich wieder in die 2. Bundesliga aufgestiegen sind."
Vor zehn Jahren noch wurden die Frauenmannschaft vom Verein abgemeldet, weil, "kein Geld da war". Und das, obwohl sie damals in der Bundesliga spielten. Zum Glück tut sich etwas, denn Frauenfußball liegt auch außerhalb von EM- und WM-Zeiten voll im Trend. "Mittlerweile steht der HSV voll hinter seiner Frauenmannschaft und auch die Fans kommen zahlreich zu Spielen", erklärt Ayat uns. Das macht sich auch in der Statistik bemerkbar, denn die Frauenfußball-Branche erlebt seit einigen Jahren ein enormes Wachstum. Demnach verzeichnet die erste Bundesliga bei den Besucher*innenzahlen einen Anstieg von 261 Prozent, wie man bei der Sportschau lesen kann. Solche Zahlen machen große Firmen natürlich hellhörig. "Google Pixel hat gerade in die Bundesliga investiert. Da passiert einfach mächtig was!", freut sich Ayat.
Für mehr Frauen auf und neben dem Fussballplatz
Doch Trend allein reicht nicht. Davon, dass die Frauen den Männern in Sachen Gehalt auch nur ansatzweise das Wasser reichen können, sind wir noch Meilen entfernt. "Fast jede Spielerin, die ich kennengelernt habe, sei es jemand aus der Bundesliga oder in der Regionalliga, hat einen zweiten Haupt- oder zumindest einen Nebenjob. Keine Frau erwartet, vier Millionen Euro im Monat zu verdienen, aber es muss eine faire Anpassung stattfinden."
Immerhin bekommt Ayat das gleiche Gehalt wie ihre männlichen Kollegen in der Agentur. Und auch die Aufträge steigen deutlich an. "Alteingesessene Medien wie der Kicker fragen explizit nach Frauen-Content, weil die Reichweite einer Alexandra Popp so groß ist. Laura Freigang, gegen die ich früher in Kiel selbst gespielt habe, war zuletzt beispielsweise bei Jan Böhmermann in der Koch-Show. Das sind beides Charaktere, die super gut ankommen und die Bock haben, neben dem Sportlichen auch für andere Themen einzustehen."
Der Grund, wieso Ayat sich auf Frauen im Sport spezialisiert hat, ist einfach: "Das Zwischenmenschliche passt einfach. Ich habe bei vielen Profifußballerinnen nach Spielende beobachtet, wie wichtig ihnen die Nahbarkeit den Fans gegenüber ist. Das merkt man dann auch anschließend im Interview. Jetzt, wo die Aufmerksamkeit da ist, ist der mediale Druck natürlich höher, aber die Spielerinnen haben eine gute Außenwirkung und scheuen sich nicht davor, sich bei politischen und gesellschaftlichen Themen zu positionieren."
Und das müssen sie auch, damit Missstände, wie die kürzliche Diskussion darüber, die WM der Frauen nicht im Free-TV auszustrahlen, sich ändern: "Ich hatte das Gefühl, dass auf dem Rücken der Frauen ein Machtkampf zwischen der FIFA und den Verbänden stattgefunden hat, was natürlich schade ist und vom eigentlich Wichtigen, nämlich ihrem Talent und dem Spaß am Spiel, abgelenkt hat. Stell dir mal vor, du bereitest dich auf eine WM vor und weißt nicht, ob die Öffentlich-Rechtlichen das bezahlen wollen."
In Ayats Augen haben die Verbände sich damit ein Eigentor geschossen, denn natürlich wurden und werden die Spiele weiterhin ausgestrahlt und die Einschaltquoten sprechen für sich: Die Spiele der deutschen Frauen brillieren mit höheren Einschaltquoten als die Auftritte der Männer bei der WM in Katar, liest man in der Welt. Und das sicher nicht zuletzt auch wegen Ayats Berichterstattung.