Wieso eure Neujahresvorstätze schlecht für meine mentale Gesundheit sind

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Neujahrsvorsätze sind nicht für jede*n was. Ich kann sie nicht ausstehen. Jeden Januar das gleiche Spiel: Die Fitnessstudios sind voll mit hochmotivierten Menschen, von denen sich bei mindestens der Hälfte der 24-monatige Knebelvertrag niemals rentieren wird. Ich war mal eine dieser broke Ex-Laufbandköniginnen, heute mache ich einfach genau da weiter, wo ich 2023 aufgehört habe. Applaus an alle Highperformer*innen! Ich kenne mich heutzutage einfach besser und weiß, meine von ADHS, Zwängen und Depressionen gezeichnete Antriebslosigkeit im Winter und im Rest des Jahres einfach als das zu nehmen, was sie ist: meine Natur. 

Aber was sollen antriebslose Menschen in dieser Zeit bitte anderes tun, als sich nur noch mehr wie absolute Loser zu fühlen? Überall wird an sich rumgeschraubt, die perfekte Persönlichkeit wird gesucht, tief in sich drin: "Bin ich vielleicht doch Vegan*erin?/Wie mir ein Sixpack wohl so stehen würde?" Ich dagegen frage mich seit Dezember permanent, ob ich 2024 endlich die Eier haben werde, mich um einen Therapieplatz zu kümmern. Yolo!

Der montagigste Montag des Jahres

© Florian Schleinig

Selbstakzeptanz kann gerade zum Jahreswechsel hart sein. Die Medien sind schließlich voll von angeblichen "Verbesserungsvorschlägen" und das löst bei manchen enormen Druck aus. Mein Hirn schaltet dann gern komplett ab. *Windows shut down Musik* Wir Menschen sind schon interessante Lebewesen: Zu viel Stress ist nicht okay, aber ohne Routinen, Hoffnung und einen gewissen Drang zur Selbstoptimierung geht bei uns wenig voran. Zumindest nicht für lange. Ständig brauchen wir neuen Input, ein neues Projekt, ein neues Ziel. Also ich persönlich habe noch nie am Montag eine Diät gestartet. Ihr etwa? Oder ist das eh nur so eine Legende?

Manchmal denke ich, die Idee der "Neujahrsvorsätze" wurde nur von den Medien erfunden, um in den toten zwei Wochen zwischen dem 25. Dezember und dem 7. Januar etwas zu haben, worüber man locker schreiben kann. Auf jeden Fall bieten sie allen Medienmenschen reichlich Stoff für mehr oder weniger hilfreiche Artikel darüber, wie man einen Vorsatz fassen und einhalten kann. Das hier ist keiner davon – Überraschung! Das hier ist für alle, die gerade denken, sie seien allein zu Hause auf der Couch mit der beschwerten Heizdecke, während andere Squats machen und TikToks Green Goddess Salat zubereiten.

High Functioning vs. gerade so funktionierend

Was macht also der Rest der Welt, während andere den "New Year, New Me"-Vibe versprühen? Um nicht komplett im Winterblues zu versinken, versuche ich, positiv jedoch realistisch zu bleiben, mir nicht zu viel vorzunehmen, auf mich und Warnzeichen zu hören und so oft wie möglich zu baden. Einfach nur im Bett liegen habe ich 2020 ausprobiert – war nicht mein Ding. Im Urlaub war ich vergangenes Jahr. Der Tapetenwechsel zu dieser für mich deprimierenden Zeit war mega, das empfehle ich jeder Person, die an saisonalem Low leidet. Aber Urlaub im Januar ist wegen zu viel Angst, wie hoch die Stromrechnung wirklich wird, diesmal nicht drin. Top! Deswegen ist mein Top-Tipp für einen okayen Start ins Jahr 2024 diesmal, sich den Mindset "passt schon" anzugewöhnen. Keine Wäsche gewaschen? Passt schon, gehst doch eh nicht raus. Warst nicht einkaufen? Gibt doch Gorillas oder Flink. Keinen Bock raus ins Kalte? Wird ja bald wieder Frühling…

Deswegen ist mein top Tipp für einen okayen Start ins Jahr 2024 diesmal, sich den Mindset "passt schon" anzugewöhnen.

Macht alle gern euren Neustart, das ist absolut fein. Aber versteht auch bitte, wie krass anstrengend diese Agenda für andere, weniger Belastbare jedes Jahr aufs Neue sein kann. Seid ein wenig sensibel dafür, dass nicht jede*r im Büro, beim Dinner oder im Call die mentalen Kapazitäten dafür hat, euren Zehn-Schritte-Plan zum*r Yogi zu hypen. Und fragt bei euren strugglenden Freund*innen mal nach, ob sie beim Chillen daheim Bock auf Gesellschaft haben. Einen Tag lang kann das Gym doch sicher warten...

Meinungen haben wir genug

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