"Und wann ist es bei euch soweit?" – ein Plädoyer dafür, Paare in Ruhe zu lassen

© Unsplash | Almos Bechtold

"Tik tok, tik tok", sagt meine Oma, als wir sie vor ein paar Monaten besuchten. Es war das erste Mal, dass ich einen Partner mit in meine Heimatstadt nahe Krakau mitgenommen hatte. Logischerweise sind meine Großeltern nicht mehr die Jüngsten und es hat mir viel bedeutet, ihnen jemanden vorstellen zu dürfen, der sich sehen lassen kann. Jemanden, der aus dem Reisebus steigt, mit einem riesigen Lächeln und perfekt auf Polnisch bis zehn zählen kann. Dass meiner Oma da gleich wieder der Ofen anspringt, hätte ich mir eigentlich denken können. Sie war sofort sein größter Fan.

An unserem vorletzten Abend saßen wir in ihrer süßen Küche, in der immer eine Pfanne mit geschmolzener Butter und Zwiebeln auf dem Herd steht, falls man Hunger auf Pierogis bekommt als sie wieder mit dem Thema anfing: Mit "Tik tok" meinte sie natürlich meine biologische Uhr und nicht die App. Ich flunkerte und sagte, wir würden es nicht ausschließen, irgendwann Kinder in diese ach so tolle Welt zu setzen. Ich konnte ihr nicht ihren Traum nehmen, ihre Augen glitzerten so schön. Vielleicht bin ich doch mütterlicher, als ich mir manchmal eingestehen möchte.

Wie sagt man der Oma, dass man keine Mutter werden wird?

© Martyna Rieck

Ich bin nicht verheiratet und das ist auch nicht geplant. Mein Freund und ich wohnen nicht einmal zusammen und dennoch bekommen wir aus dem Freundes- und Familienkreis seit Neustem ständig diese eine Frage gestellt: "Und wann ist es bei euch so weit?" Sie meinen, wann wir endlich schwanger werden. Also ich. Nie, sag ich dann und muss dann meistens in das traurigste Gesicht gucken, wozu ein Mensch körperlich imstande ist, es zu machen. Der Nachwuchs-Druck ab 30 Jahren ist sowas real.

Chelsea Handler: Kinderlos und mein Vorbild

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Eine Frau, die ich übertrieben feiere, ist Comedian und general Badass Chelsea Handler. Sie geht auf die 50 zu, ist kinderlos und war nie verheiratet. Sie hat statt Kids lieber schöne Dinge und immer ein paar Hunde um sich rum. Könnte schlimmer laufen, das Leben. Natürlich ist das als Star mit eigener Netflix-Show bei Weitem interessanter, als meins es wäre, würde ich mich für ihren Lebensweg entscheiden. Und sie ist in Los Angeles und der Blase Hollywoods nicht die einzige ohne Anhang. Sie wird nicht wie ich bald alleine dastehen, bei einem Kindergeburtstag ihrer Freundin, mit Kippe im Hals und leerem Sektglas in der Hand und sich denken "Scheiße, ich bin die besoffene Tante." Das wird sie nicht, weil sie nicht auf Kindergeburtstage geht. Ich aber, weil mein Freundeskreis sich fortpflanzt, als gäbe es kein Morgen mehr.

Scheiße, ich bin die besoffene Tante.

Ich schreibe diesen Artikel, weil mich dieses Thema sehr beschäftigt. Wie wahrscheinlich jede Frau meines Alters, die sich noch nicht für Nachwuchs entschieden hat. Und ich bin meiner BFF, meiner Omi und auch dem manchen Fremden recht dankbar dafür, dass sie dafür sorgen, mich ständig daran zu erinnern, weil ich weiß, dass mir irgendwann (!) die Zeit davonlaufen wird. Aktuell weiß ich nicht einmal eine Antwort auf die alles entschiedene Fragen: Will ich denn nun ein Kind oder will ich keins? Vielleicht bin ich sogar unfruchtbar, oder er? Vielleicht will ich mal adoptieren. Das ist aber auch alles nicht so leicht, meint meine beste Freundin. Der Wusel an Meinungen in meinem Kopf ist so laut! Mein Freund und ich sprechen viel über unsere Ansichten und aktuell sagen wir niemals nie, aber jetzt gerade lernen wir uns sowas von erst kennen. Danke der Nachfrage, aber euer Nachwuchs-Pressuring sucks!

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