Hamburg hakt nach: Wieso hat heiße Schokolade mit Schuss immer noch einen rassistischen Namen?

© Martyna Rieck

"Wer, wie, was? Wieso, weshalb, warum? Wer nicht fragt, bleibt dumm!": Die Sesamstraßen-Fans unter uns haben diese lebenswichtige Weisheit natürlich längst verinnerlicht. Trotzdem traut man sich bei der ein oder anderen Frage dann doch nicht, sie zu stellen. Weil sie zu banal erscheint – oder man schlichtweg nicht weiß, wer die Antwort kennen könnte. Hier kommen wir ins Spiel! Wir haken für euch nach. Denn wir finden: Fragen – seien sie noch so simpel – sind nicht nur was für Kinder. Schließlich begegnen wir in Hamburg immer wieder kuriosen Dingen, die uns staunend oder fragend zurücklassen. Geht euch genauso? Dann schickt uns eure Fragen – wir beantworten sie oder suchen jemanden, der das kann.

Martyna fragt: Wieso schaffen wir "Lumumba" nicht ab?

Inhaltsdisclaimer: Diese Folge unseres Formates "Hamburg hakt nach" beschäftigt sich mit dem Themenspektrum Rassismus und wird uns leider keine befriedigende Antwort auf die Frage geben, nur eine rassistisch motivierte.

"Hallo, eine Lumumba bitte", höre ich letztens jemanden neben mir auf dem schönen Weihnachtsmarkt am Rathaus sagen und verschlucke mich fast an meinem Kinderpunsch. Vielleicht weiß die Person nicht, woher dieser Name für heiße Schokolade mit Schuss eigentlich kommt. Ist ja nicht so offensichtlich rassistisch wie die absolut nicht akzeptable, sprachliche Variante eines Schaumkusses, oder? Doch ist es, denke ich mir und schaue hoch auf die Tafel des Glühweinstandes, in der Hoffnung, dort vielleicht "tote Tante" oder wenigstens "Schokomilch" zu lesen. Zu meinem Entsetzen muss ich feststellen, dass am Schild wirklich und ehrlich "Lumumba, 3,50 Euro" steht. Ernsthaft, Hamburger Weihnachtsmarkt-Betreiber*innen? Ernsthaft?

Woher kommt die Bezeichnung und warum sollten wir sie nicht mehr verwenden?

© Gunter Hoffmann | Unsplash

Genau das fragte mich meine Freundin, die mit mir Heißes schlürfen gekommen war. Ich verdrehte die Augen, bis mir einfiel, dass ich bis vor ein paar Wochen auch keine Ahnung hatte, wie doll und schnell dieses Wort eine Generalüberholung braucht oder auf die sprachliche Resterampe sollte. Mein englischsprachiger Freund fragte mich am Anfang der Vorweihnachtszeit nämlich, ob wir im Deutschen eigentlich keinen Plan von Tokenism hätten oder wüssten, wer Lumumba denn eigentlich sei. Wie es so oft ist, machte Google mich schlauer. Sogar Wikipedia hat eine ganz offizielle Seite zu dem leckeren Heißgetränk, das wir hierzulande nicht bloß auf dem Weihnachtsmarkt trinken, auch viele Restaurants und Cafés servieren es das ganze Jahr über, oftmals steht dann auch "Lumumba" auf der Karte. Viele Besitzer*innen und Gäste hinterfragen das sicher nicht, was sich Privileg nennt, glaube ich. Nein, weiß ich.

Wer war Patrice Émery Lumumba?

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Patrice Émery Lumumba war ein kongolesischer Politiker und wurde 1960 erster Premierminister des unabhängigen Kongo. Das Land hatte gerade erst die Unabhängigkeit von Belgien erreicht, als Lumumba auf einer Konferenz in Brüssel folgende, rührende Worte sagte:

"Wir erlebten erniedrigende Sklaverei, die uns mit Gewalt auferlegt wurde. Wir haben zermürbende Arbeit kennengelernt und mussten sie für einen Lohn erbringen, der es uns nicht gestattete, den Hunger zu vertreiben, uns zu kleiden oder in anständigen Verhältnissen zu wohnen oder unsere Kinder als geliebte Wesen großzuziehen. Wir kennen Spott, Beleidigungen, Schläge, die morgens, mittags und nachts unablässig ausgeteilt wurden, weil wir N**** waren. Wir haben erlebt, wie unser Land im Namen von angeblich rechtmäßigen Gesetzen aufgeteilt wurde, die tatsächlich nur besagen, dass das Recht mit dem Stärkeren ist. Wir werden die Massaker nicht vergessen, in denen so viele umgekommen sind, und ebenso wenig die Zellen, in die jene geworfen wurden, die sich einem Regime der Unterdrückung und Ausbeutung nicht unterwerfen wollten." (Quelle: Wikipedia)

Leider ist das nicht das einzige Beispiel für sehr unnötige Getränke-Bezeichnungen: Pils gemischt mit Apfelsaft wird mancherorts "Schwuchtel" genannt, wie man auch in einem Artikel zum Thema von Pia Miller-Aichholz liest. Die Mischung aus Cola und Rotwein anscheinend manchmal "kalte Muschi". Witzig ist das nicht. Für AfD'ler*innen vielleicht. "Lumumba" schießt für mich den Vogel ab, weil es rassistisch, derb und geschmacklos ist. Zwar ist die Bezeichnung nicht so offensichtlich rassistisch wie das N-Wort, weil die wenigsten Leute (ich eingeschlossen) wissen, woher sie kommt.

Rassismus, warm serviert

"Lumumba" ist hierzulande eine vermeintlich gewöhnliche Getränke-Bezeichnung. Und das ist traurig. Die Menschen bestellen es gerade zur Weihnachtszeit am laufenden Band und denken sich wahrscheinlich nichts dabei. Wie bei einer Weißweinschorle. Das macht es umso problematischer. Seid cool, bestellt lieber eine heiße Schokolade mit Schuss. Schmeckt viel besser als Rassismus im Becher!

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