Willst du das?

Seit ich mich mit Feminismus, Geschlechtergleichheit, sexueller Selbstbestimmung und, ganz wichtig, Konsens beschäftige, kann ich nicht mehr "normal" Sex haben. “Normal” heißt hier so viel wie: Einfach so, ohne mir weitere Gedanken über das Wie und Warum zu machen. Ich könnte jetzt sagen, der Feminismus hätte mir den Sex versaut. Stimmt aber nicht.

Er hat nur einen riesigen Abturn zu meiner Liste von Abturns (zu viel Gesabber beim Küssen, klebrige Hände,  Tribal-Tattoos) hinzugefügt: Fehlenden Konsens.

Was schnackt die wütende Tumblr-Feministin da von Konsens, mögt ihr euch fragen.  Den Begriff habe ich mangels besser passender Übersetzung vom englischen "consent" wie "Zustimmung" übernommen. Bedeutet in diesem Kontext stark heruntergebrochen, dass alle Beteiligten alle stattfindenden sexuellen Handlungen Bock haben. Ohne Überredungen, mit eindeutigem beidseitigem Einverständnis. Wer mehr darüber lesen will: Hier gibt's Konsens für Dummies.

Willst du, dass ich es will?

Die Beschäftigung mit diesem Thema hat meine Ansprüche an meine Sexualpartner*innen immens erhöht. Ich frage nicht nur mich selbst, ob ich mit allem, was gerade passiert, einverstanden bin, sondern beziehe mein Gegenüber mit ein, sodass sie oder er sich damit auseinandersetzen muss, was ich will. Ich muss merken, dass mein Einverständnis zu gewissen Handlungen eine Rolle spielt, um mich in der Situation wohlzufühlen.

Da war zum Beispiel dieses Mädchen, das mich sogar fragte, ob gewisse Dinge für mich okay seien. Das Gefühl, dass ihr meine Antwort wichtig war, gab sie mir jeodch nicht. Konsens-mäßig ein absoluter Abturn und der Grund dafür, warum ich keinen Sex mit ihr haben wollte.

Manchmal sagte ich nein zu etwas, aber das überzeugte mein Gegenüber nicht.

Ich habe mittlerweile gelernt, zu kommunizieren, wenn ich etwas nicht tun möchte und dafür etwas anderes, ich habe gelernt, mich nicht zu sexuellen Handlungen verpflichtet zu fühlen. Das war nicht immer so. Manchmal stimmte ich Handlungen zu, die ich nicht hundertprozentig wollte. Manchmal sagte ich nein zu etwas, aber das überzeugte mein Gegenüber nicht.

Wieso musst du es wollen?

Es gab da diesen Schlüsselmoment, als ein Kerl wütend wurde, weil ich plötzlich keinen Bock mehr hatte, seinen Schwanz zu lutschen, nachdem er ihn mir halb in den Verdauungstrakt gerammt und meine (in dieser Situation logischerweise nonverbalen) Stoppsignale ignoriert hatte. Ich war wahnsinnig aufgebracht und schnauzte ihn an, er habe soeben quasi meinen Mund vergewaltigt.

Weil er wie die meisten keine Ahnung von Konsens hatte, schockierte ihn dieser Vorwurf zutiefst. Vergewaltigung? Das passiert doch nur in dunklen Gassen oder bei Law & Order!? Nein. Es passiert dann, wenn ein in einen Sexualakt involvierter Mensch diesem Akt nicht zustimmt und dies von seinem Gegenüber übergangen wird.

Obwohl das der wichtigste Grund ist, immer darauf zu achten, ob alle Beteiligten es gut finden was da gerade passiert, wie sich der Sex miteinander anfühlt und entwickelt, gibt es noch den zweiten, praktischen Grund: Sex mit Konsens ist einfach besserer Sex. Für mich zumindest.

© Dimitri Fokeev

Ich will - und du?

Seit ich mich nicht mehr überreden lasse und nicht mehr überrede, seit ich aktiv darauf achte, ob ich und mein Gegenüber gerade dasselbe wollen, bin ich einfach viel mehr da. Voll auf einer Augenhöhe mit der anderen Person in meinem Bett zu sein, ist einer meiner größten Turn-Ons geworden. “Auf Augenhöhe” schließt übrigens Machtspielchen nicht aus, genauso wenig wie sexuelle Handlungen, die nichts mit Blümchensex zu tun haben. Es macht sie zu einer bewussteren Entscheidung für alle Beteiligten.

Wenn die Person merkt, dass ich etwas gerade nicht so gut finde, und deshalb etwas anderes ausprobiert oder einfach damit aufhört, wenn ein "Na, willst du das?" genauso neckisch wie respektvoll gesagt werden kann, wenn beide zu hundert Prozent dabei sind. Auf sich selbst und darauf achten, wie es dem oder der anderen gefällt, obwohl der Körper einfach nur seinem Verlangen nachgehen will - das ist mein Sex mit Konsens.

Alle schreiben immer über Sex. Krasser Sex, ekliger Sex (Vice), queerer Sex (bento, ze.tt), schwieriger Sex (NEON), intellektueller Sex alter, weißer Männer (SZ), aber: Kaum jemand schreibt mal darüber, warum er bestimmte Dinge, Praktiken, Gewöhnlichkeiten, die für alle scheinbar total „normal“ geworden sind, nicht mag. Und warum. Denn es gibt sie da draußen: Die Frauen, die Blowjobs hassen. Die Männer, die nur verliebt mit jemandem schlafen können. Die, die nicht masturbieren und die, die überhaupt keinen Sex wollen. Genau denen widmen wir uns.

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