Bier ist Frauensache: Michal Plümer bringt Hamburger Frauen das Brauen bei

Bier ist Männersache: Angefangen beim Trinken und aufgehört beim Brauen, oder andersrum. So zumindest der gesellschaftliche Konsens. Erst letztes Wochenende bestellte ich ein Bier und mein Freund ein Alster. Die freundliche und weibliche Bedienung im Hatari stellte die Bestellung nach vermeintlicher Gendernorm ab und entschuldigt sich hastig, als ich die Getränke tausche. Männer sind männlich, wenn sie Dosenbier exen können, Frauen eklig. Männer brauen Craft-Bier, Frauen trinken Weinschorle und essen am besten Käse dazu.

Dass das generell und geschichtlich gesehen großer Blödsinn ist, beweist eine rasche Google-Suche: Der Deutsche Brauer Bund e.V. informiert in einem nämlich Artikel darüber, dass Frauen im Mittelalter für das Bierbrauen verantwortlich waren. Der Grund dafür ist leider wieder übersät mit der historischen Unterdrückung des weiblichen Geschlechtes, aber gut. Frauen durften früher nämlich erst heiraten, wenn sie Bier brauen konnten. Das ist zum Glück heute anders – wir dürfen auch Bier brauen, ohne jemals heiraten zu müssen!

Eine Frau der Gegenwart, die beweist, dass Frauen im heutigen Zeitalter aus freien Stücken an die Kessel gehören, ist Michal Plümer. Sie arbeitet im Braumarkt, einer kleinen Bierbrauerei in einem Hinterhof in Bahrenfeld. Dort hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, Frauen erste Eindrücke in der Kunst des Brauens zu vermitteln. Wir hatten vergangenes Jahr bereits die große Freude, uns von Michal das Brauen beibringen zu lassen. Wie dieses Erlebnis so war, könnt ihr hier nachlesen. Und weil wir sie und die Idee des "Frauen brauen"-Workshops so gut fanden, haben wir die Grande Dame des Bierbrauens zu einem intensiveren Gespräch gebeten. Über sich selbst, über vermeintliche Geschlechternormen und natürlich Bier. Stay tuned für einen echten Insidertipp!

Zuerst wollten wir natürlich wissen, wie man denn zum Bierbrauen kommt. "Eher per Zufall", erklärt Michal uns. "Neben dem Studium habe ich begonnen, in einem Fachgeschäft für Craft Beer in Kiel zu arbeiten." Dabei geblieben ist sie, weil sie sowohl das Bier als auch die Leute begeistert haben. Je tiefer sie ins Thema eintauchte und mit je mehr Menschen sie sich im Job austauschte, desto größer wurde die Leidenschaft. "Meinen ersten Braugang absolvierte ich schließlich mit meiner Tante, die selbst seit Jahren zu Hause braut." Man könnte also sagen, dass Michal die Liebe zum Brauen auch irgendwie in die Wiege gelegt wurde.

Jetzt gibt sie die Skills an aufstrebende Frauen, die brauen (wollen) weiter, doch es ist viel mehr als ein Workshop, die Gemeinschaft ist das, was Michal an ihrem Handwerk so besonders schätzt: "Ich braue eigentlich immer mit anderen Leuten, man verbringt viele Stunden gemeinsam, philosophiert, isst, trinkt und nimmt sich sehr bewusst Zeit für einander." Fast wie im Mittelalter, nur eben ohne die obligatorische Hochzeit danach.

Frauen und das Bier: eine lange Leidenschaft

Für die richtige Frauenquote an den Braukesseln sorgt Michal mit ihrem Team ja bereits. Die Idee zum Kurs stammt tatsächlich von einem Mann, dem wir hier seinen wohl verdienten Credit geben möchten: Mitti vom Braumarkt, danke für deinen Allyship! Da wir ja zum Glück mit Michal eine echte Bier-Expertin an der Hand haben, haben wir sie kurzerhand auch gefragt, ob die Gender-Stereotypen in Bezug auf den Bierkonsum denn stimmen. "Nach meinen fünf Jahren im Fachgeschäft für Craft Beer würde ich sagen: Es haben dort zumindest mehr Männer eingekauft, aber der Anteil an Frauen stieg stetig." Okay, dass Männer grundsätzlich mehr Bier trinken, als Frauen, ist weder ein Geheimnis noch ein Fakt, den wir mit all unserer Kraft planen, umzukehren – keine Angst! Aber so ein Pils selbst kreieren, das hat schon was!

Genau dafür ist der Kurs gedacht: Frauen an die Kunst des Bier-Trinkens und -Probierens sowie -Brauens heranzuführen, denn grundsätzlich ist das Interesse da, die Zielgruppe ist sehr relevant und kann der Branche einen massiven Boom bescheren. Es mangelt, meint Michal, an der richtigen Schulung und Heranführung an das Thema: "Oft haben die Frauen, die dachten, sie mögen kein Bier, einfach nur Einheitspils vorgesetzt bekommen. Die Vielfalt beim Craft Beer hat damals viele Frauen angesprochen. Deswegen finde ich es wichtig, das Thema Bier einfach für mehr Leute zu öffnen und dem Fernsehbier endlich Konkurrenz zu machen. Es gibt einfach mehr als Pils und Weizen."

Doch um ein richtig leckeres Bier zu brauen, braucht es einige Skills, denn es kann eine ganze Menge schiefgehen, wie meine Kolleginnen beim eigenen Versuch im vergangenen Jahr selbst gemerkt haben. Für die richtige Zubereitung braucht man demnach nicht nur eine ganze Menge Wissen, sondern auch einen Hauch Kreativität, verrät Michal uns: "Ich liebe es, verschiedene Kreationen, die ich gedanklich quasi schon schmecken kann, am Kessel auszuprobieren. Oft wird es dann doch etwas anders. Der ganze Rezeptfindungsprozess fasziniert mich, inspirieren lasse ich mich von anderen Getränken und Gerichten. Das Thema Geschmack lässt mich einfach nicht los." Man kann die Leidenschaft fast schon schmecken, mit der Michal ihr Handwerk ausübt. Und bei dem sie gemeinsam mit ihren Kolleg*innen richtig wichtige Gender-Arbeit leistet.

Eine letzte Frage stellen wir Michal noch, bevor sie wieder an ihre Kessel lassen. Natürlich wollen wir ihr liebstes Bier wissen und mit ihrem Insider-Tipp bei der nächsten Party angeben. Aber, wie bei vielen passionierten Menschen, ist die Festlegung auf einen Favoriten ein Ding der schieren Unmöglichkeit: "Ich habe keins und weigere mich. Ich liebe es zu sehr, Neues zu probieren. Wenn ich mich entscheiden müsste, wäre es aber das "Treibsand" von der Wittorfer Brauerei aus Neumünster, die ich generell fantastisch finde. Oder natürlich ein "Kriek", zum Beispiel von 3 Fonteinen. Ich bin ein großer Sauerbierfan." Apropos sauer und Bier: Unser finaler Versuch, an Top Secret Bier-Wissen zu kommen, ist ein Volltreffer! Endlich haben wir eine Antwort auf die alle plagende Frage, ob sich Bier auf Wein oder Wein auf Bier besser verträgt. Die Expertin meint: "Eindeutig Bier-Wein-Hybride. Dann muss ich mich nicht entscheiden und hab trotzdem die meisten Geschmackserlebnisse." Probieren wir gleich aus, danke, Michal!

Hier gehts für euch ab zum Frauen Brauen-Workshop