Feuerwerk, fette Frachter und vollgekotzte Straßen: Warum der Hafengeburtstag nicht sein muss

© Robin Tarkowski

2023 feiert der Hamburger Hafen sein 834. Bestehen – so richtig nachweisbar ist das allerdings nicht, denn das Dokument vom 7. Mai 1189, auf dem die Gründung des Hafens fußt, ist eine Fälschung. Ups. Und das ist nicht das Einzige, was mir beim Gedanken an das Megaevent negativ aufstößt.

Zehntausende Menschen werden zu dem dreitägigen Event erwartet, die meisten davon kommen nicht aus Hamburg, sondern sind extra angereist. Hotels profitieren von diesem Wochenende, doch den Rest Hamburgs erwartet Partytourismus, Müll, Lärm und vor allem eine hohe Umweltbelastung.

Während in Venedig das Ankern von Kreuzfahrtschiffen im historischen Hafen seit letztem Jahr genau deswegen untersagt ist, scheint es den Veranstalter*innen des Hafengeburtstags völlig egal zu sein, dass wir gerade einen der heißesten Sommer seit Wetteraufzeichnung hinter uns haben und Anfang des Jahres der Fischmarkt durch Sturmfluten regelmäßig unter Wasser stand.

Über 300 Schiffe fahren dann wieder in den Hamburger Hafen ein. Darunter Kreuzfahrtschiffe wie die AIDAprima oder die Mein Schiff 6, die mit extrem schädlichem Schweröl betrieben werden – übrigens auch beim Ankern. Eine Feinstaubbelastung, deren Zahlen erschreckend sind: 2.500 Partikel pro Kubikzentimeter Luft gelten als akzeptabel – während des Hafengeburtstags hat der Naturschutzbund (NABU) zuletzt eine Konzentration von 230.000 Partikeln pro Kubikzentimeter Luft gemessen. Selbst für eine Zahlenidiotin wie mich ist klar, dass man so eine extreme Belastung doch eigentlich auf jeden Fall verhindern sollte. Schließlich leidet nicht nur die Natur – in Europa sterben 50.000 Menschen jährlich an den Folgeschäden von Feinstaub.

© Robin Tarkowski
Doch der Hafengeburtstag klammert sich auch dieses Jahr trotzig an seine Traditionen.

Doch der Hafengeburtstag klammert sich auch dieses Jahr trotzig an seine Traditionen. Fand bei den Cruise Days letzten Jahres noch aus Solidarität zur Ukraine kein Feuerwerk statt, wird es an diesem Wochenende wieder knallen. Zwar wird es ein Mix aus Lichtershow und Feuerwerk, erklärt die Behörde für Wirtschaft und Innovation, die Veranstalter des Events ist. Man versuche "kontinuierlich mögliche Alternativen und Ergänzungen zu prüfen und dort zu reduzieren, wo dies sinnvoll ist". Verzichten müssen sollen die Besucher*innen auf ihr geliebtes "Hamburger Lichtermeer" am Samstag jedoch nicht – stattdessen einfach umweltfreundlich mit dem ÖPNV anreisen. Nicht sonderlich innovativ, liebe Behörde.

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Schlagermove, Harley Days, Hafengeburtstag – Wieviel Großevents kann Hamburg vertragen?

Nach der Coronapause wird Hamburg im Sommer nun wieder von einem Großevent nach dem anderen überrollt. Die Harley Days im Juni, der Schlagermove im Juli, die schon erwähnten Cruise Days und jetzt der Hafengeburtstag. Alles Events, auf denen sich kaum Hamburger*innen tummeln, die verlassen an diesen Wochenenden oft lieber die Stadt. Besonders Anwohner*innen auf St Pauli fürchten sich jedes Jahr wieder vor vollgekotzten Hauseingängen und Wildpinkler*innen vor ihrem Wohnzimmerfenster, wenn Feiernde aus Pinneberg und Vechta in die Stadt einfallen und ihren Müll hinterlassen. Und zwar tonnenweise.

Denn neben der Schiffsparade erwartet die Besucher*innen Trank, Speis und Musik an der Uferpromenade. 420 Aussteller*innen werden erwartet, auf mehreren Bühnen gibt es Musik. Von Lotto King Karl zum Beispiel. Oder Extrabreit. Ähm, ja. Und das alles zu Ehren eines Mythos. Denn der romantische Hafen, der in Hamburg einmal war, ist er schon lange nicht mehr. Denn prunkvolle Segelschiffe und kleine Frachter schippern nur noch zur Show über die Elbe, stattdessen erreichen den Industriehafen tausende riesige Containerschiffe jährlich. Riesig auch im Hinblick auf die Luftverschmutzung.

Auch wenn die Entstehungsgeschichte des Hamburger Hafengeburtstags ein Fake ist – vielleicht sollten wir zum Ursprung zurückkehren. Gefeiert wird nämlich überhaupt erst seit den 50ern – damals nur mit geladenen Gästen. 1962 wurde das Geschrei dann groß nach einem großen Hafenfest und schon das erste Großevent 1964 war ein Desaster: mit 750.000 Menschen kamen viele mehr, als erwartet, es entstand absolutes Chaos. Der Senat verbietet das Fest danach – bis 1977. Vielleicht ist es auch jetzt an der Zeit, wirklich konsequent zu sein und dem Hafenfest ein endgültiges Ende zu bereiten.

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