Was ich daraus gelernt habe, Sex mit einem Mann mit Mikropenis zu haben

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Wie es wohl ist, einen Penis zu haben? Vorgestellt habe ich mir das, wie viele Frauen, des Öfteren. Ob sich das wohl privilegiert anfühlt? Immerhin arbeiten alle Menschen in Deutschland ohne Penis seit dieser Woche wegen des Gender Pay Gaps umsonst. Sicher ist es ab und zu auch supernervig, zwischen den Beinen was hängen zu haben. Belastend? Auch, denn da ist dieser gesellschaftliche Druck, dass das Ding auch bitte ordentlich funktionieren soll. Heißt: Man(n) darf nicht zu schnell kommen, aber auch nicht erst nach anderthalb Stunden und schon gar nicht nie. Und groß soll er sein. Und dick. Sonst heißt es schnell: "Nein danke, dann kann ich auch bei meinem Dildo bleiben". Wie es wohl ist, in dieser Welt mit einem Mikropenis leben zu müssen? Vorstellen kann ich mir das als cis-Frau kaum, habe aber eine persönliche Erfahrung gemacht und daraus ein großes Learning für mein eigenes (Sexual-)Leben gezogen.

Es war einmal...

Kennengelernt habe ich ihn vor über zehn Jahren. Ich war 20, er 34. Ich war vorlaut und dachte, die Welt gehörte mir. Er war sanft, einfühlsam und "wollte sich Zeit lassen". Ich war zudem noch nicht zu 100 Prozent Single, er mochte mich, glaube ich, schon sehr. Ich wollte meinen Spaß, er hatte einen Mikropenis. Ihr merkt: nicht gerade der Start einer klassischen Liebesgeschichte.

Als wir nach endlosen Make-out Sessions endlich zum Wesentlichen kamen, war ich sehr verblüfft darüber, wie unentspannt er plötzlich wurde. Er schubste mich fast von sich herunter, als ich versuchte, seine Hose zu öffnen. Ich schaute verwirrt drein und fragte, ob alles okay sei, er nickte zaghaft und ich machte da weiter, wo ich aufgehört hatte. Mein erster Gedanke, als ich seinen daumengroßen Penis (gemessen an meinen Fingern, nicht seinen) unvorbereitet in meiner Hand hielt, war, dass er auf dem Weg nach Hause einen Unfall gehabt haben muss. Völlig überfordert mit der Gesamtsituation, schaute ich ihn mit der Hoffnung auf Hinweise an, er blieb stoisch stumm und ich versuchte mich weiter an einem Blowjob.

Hart wurde der Penis nicht und der dazugehörige Mann nicht entspannter, also brachen wir das Ganze irgendwann ab und ich begann sofort damit, das unvollendete sexuelle Erlebnis wie immer direkt auf mich zu beziehen. Gedanken wie "es muss an meinen Brüsten liegen, die sind ihm bestimmt viel zu groß" wurden nur aus meinem Kopf verjagt von Zweifeln an meinen Blowjob-Künsten. Wiedergesehen haben wir uns noch ein oder zweimal, aber als Freunde, geredet haben wir darüber auch nie und dennoch habe ich eine Menge aus dieser Erfahrung gelernt – aber das erst Jahre später.

Penisdruck aus der Gesellschaft und wieso Frauen das kennen

© Womanizer Toys | Unsplash

Zu groß, zu klein, zu dick, zu dünn. Wie es ist, für seinen Körper von der Gesellschaft be- oder verurteilt zu werden, davon können die meisten Frauen ein Lied singen. Ich sage nicht, dass es kein Schönheitsideal in der XY-Chromosom-Sphäre gibt, nur liegen diese Körperteile eine Etage tiefer. Erwartungen an das Glied des Mannes haben wir alle. Was mich die Mikropenis-Erfahrung gelehrt hat: Alle Menschen haben Unsicherheiten, jede*r würde etwas an sich ändern, wenn man es könnte. Ich wäre gern sieben Zentimeter größer, meine Ex-Liebschaft auch.

Wir haben alle unsere Erwartungen aneinander und das nicht nur im sexuellen Kontext. Das ist völlig normal und sie werden wohl so schnell auch nicht weggehen. Was wir aber nicht machen sollten, ist, mit unseren Ängsten alleine bleiben zu wollen. Ich hätte gern vorher, dabei oder danach eine Unterhaltung über den Sex und seine Besonderheit gehabt. Seitdem hatte ich noch weitere Erfahrungen mit Männern mit unterdurchschnittlich großem Penis und habe diese allesamt sehr genossen, eben weil es offene Gespräche über die besten Stellungen oder seine und meine Vorlieben gab.

Dass ein unwissendes 20-jähriges Mädchen mit Panik reagiert und alles auf sich bezieht, ist wenig überraschend, Männer und ihr Glied sind in dem Alter (und auch heute manchmal noch) ein großes Mysterium. Denn die Moral von der Geschicht' ist nicht: "Über Sex spricht man nicht." Über Sex zu sprechen ist vielleicht ungewohnt, besonders über vermeintliche Mängel. Aber ist es nicht vielleicht der Schlüssel zu fantastischem Sex, für alle Beteiligten, egal wie groß, klein, dick oder dünn?

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