Goodbye, Brüste, war schön mit euch – Mein Körper nach der Schwangerschaft
Triggerwarnung: In diesem Artikel kommen Themen wie Körperbild, Postpartum und Gewicht zur Sprache.
„Wenn ich nach einer Schwangerschaft zwei so leere Milchtüten da hängen habe, geh ich halt zum Beauty Doc.“ Wow, was für ein bescheuerter Satz meines Mitte-20-jährigen Selbst. Mit vollen, schönen Brüsten, die jeden Bleistift-Test mit Bravour bestehen, sagt sich so etwas leicht dahin. Wenn sich die Situation dann wirklich einstellt, sieht das Ganze nochmal anders aus. Waren meine Brüste während Schwangerschaft und Stillzeit noch förmlich explodiert, war nach dem Abstillen nicht mehr viel übrig von der einstigen Pracht. Die beiden kamen mir vor, wie zwei vergessene Luftballons, die Monate nach der Party schlaff und schrumpelig hinter der Couch gefunden werden. Luft raus. Ich klammerte mich an die Beteuerungen einer Freundin, das würde sich innerhalb eines Jahres wieder normalisieren. Inzwischen sind seit der Geburt meines Sohnes über zwei Jahre vergangen und die Brustfülle hat sich nur geringfügig verbessert.
Von B wie Brüsten zu B wie Beckenboden
Kommen wir nun zu meinem persönlichen Endgegner: Der Beckenboden. Er ist ein mäkeliger Geselle, der viel Zuwendung braucht und auf Vernachlässigung äußerst verschnupft reagiert. War diese Muskelgruppe bei mir zugegebenermaßen schon vor der Schwangerschaft nicht im besten Zustand, hat ihn das zusätzliche Gewicht des Babys dann völlig aus den Latschen gehauen. Es ist ein unangenehmes Thema, das häufig unter den Teppich gekehrt wird, aber viele Frauen* betrifft. Ist der Kollege nämlich geschwächt, kann das nicht nur zu Schmerzen, sondern auch zu Harn bzw. Stressinkontinenz (Urinverlust beim Lachen, Husten, Niesen oder Sport) führen. Wie ich leidvoll feststellen musste, ist es mit der Teilnahme an einem Rückbildungskurs („Zipp-Zapp!“) nach der Geburt nicht getan, das wankelmütige Wesen Beckenboden verlangt kontinuierliche Aufmerksamkeit und Training. Da ich kein Fan davon bin, mich bei jedem Niesen einzunässen und gerne mal wieder ins Jump House gehen würde, werde ich also weiterhin daran arbeiten müssen.
Da ich kein Fan davon bin, mich bei jedem Niesen einzunässen und gerne mal wieder ins Jump House gehen würde, werde ich also weiterhin daran arbeiten müssen.
Brüste, Beckenboden, Babypfunde: Jetzt zum Gewicht! Der weibliche Körper, der ja ohnehin etwa ab dem Kindesalter Ziel von Blicken, Bewertungen und ungefragten Kommentaren ist, wird während einer Schwangerschaft offenbar zum Allgemeingut. Jede*r gibt ihren*seinen Senf dazu, das reicht von wilden Mutmaßungen über das Verbreiten von Schwangerschaftsmythen, medizinischem Halbwissen bis hin zu „gutgemeinten“ Ratschlägen. Während der Schwangerschaft mit meinem Sohn habe ich persönlich etwa elf Kilo zu genommen und sah, ich zitiere meine Schwester „von hinten aus wie immer“. Nach der Geburt war mein Bauch quasi über Nacht verschwunden, was direkt vom Hamburger Krankenhauspersonal kommentiert wurde. Glück gehabt, könnte man sagen, freu dich doch. Habe ich auch, dennoch war es eine weitere Bewertung meines Körpers von Außen. Ein weiterer Kommentar über meinen Körper, der doch nur mir selbst gehören sollte.
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Kind raus? Dann bitte alles wie immer – sofort.
Als würde es nach der Geburt nur darum gehen, sich wieder präsentabel zu machen, die Spuren der Schwangerschaft möglichst schnell zu eliminieren. Die Erwartungshaltung der Gesellschaft scheint dann zu lauten: Okay, du hast ein Kind geboren, herzlichen Glückwunsch. Jetzt aber bitte auf den Stepper und möglichst schnell wieder sexy. Oder willst du etwa keine Milf sein?
Ich so: Äh, also eigentlich will ich gerade einfach nur existieren. Die Geburtsverletzungen heilen lassen. Mich wieder ohne Schmerzen hinsetzen können wäre cool. Mich an den Gedanken gewöhnen, jetzt Mutter zu sein. Und da ist ja auch noch ein Baby, dass gerade ziemlich viel Aufmerksamkeit braucht, also…
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Der Druck von außen ist also enorm. Ehrlicherweise hat es mich anfangs ziemlich gefreut, wenn jemand meine schlanke Figur nach der Geburt gelobt hat. Aber erstens hatte ich überhaupt keinen Einfluss darauf und zweitens habe ich mich irgendwann gefragt, warum ich mein Selbstbild so abhängig von der Meinung anderer mache. Mein Körper hat einen kleinen Menschen produziert, in sich getragen und geboren. Eine Wahnsinnsleistung der Natur und dafür verdient er mein Wohlwollen, meinen Respekt und meine Liebe.
Mein Körper hat einen kleinen Menschen produziert, in sich getragen und geboren. Eine Wahnsinnsleistung der Natur und dafür verdient er mein Wohlwollen, meinen Respekt und meine Liebe.
Womit wir beim derzeit allgegenwärtigen Thema Body Positivity wären. Zur Erklärung für alle, die während der letzten Jahre in einer Höhle gelebt haben: Die Bewegung setzt sich dafür ein, jeden Körper zu akzeptieren, unabhängig von seinem Aussehen. Das betrifft nicht nur die eigene Gestalt, sondern bedeutet auch, allen anderen Körperformen positiv zu begegnen: Jeder Körper ist schön. Eine wundervolle Bewegung, die wichtig und richtig ist, aber auch davon kann wiederum Druck ausgehen. Das Internet ist schließlich voll davon, Influencer*innen werfen in den sozialen Medien mit Begriffen wie Self Care, Me Time und Selbstliebe nur so um sich.
Wie gesagt, alles cool, aber was ist, wenn ich meine Schrumpfbrüste gerade nicht so lieben kann? Was ist, wenn ich heulen könnte, weil ich aus Gewohnheit ein Bikinioberteil in meiner alten Größe bestellt habe, in dem meine Brüste jetzt nur so schwimmen? Muss ich das dann trotzdem toll finden, weil ja jeder Körper wunderschön und liebenswert ist? Ich glaube: Nein. Es ist okay, auch mal etwas an sich doof zu finden. Sich die alte Form zurückzuwünschen, den Brüsten, dem Po oder der straffen Haut hinterherzutrauern. Selbstakzeptanz ist ein Prozess. Ich gewöhne mich langsam an meine neue Körperform und mache damit meinen Frieden. Aber alles jederzeit abfeiern zu müssen, ist anstrengend und unglaubwürdig. Mir persönlich gefällt das Konzept der Body Neutrality besser. Es lenkt den Fokus vom äußeren Erscheinungsbild weg und möchte uns von dem Druck befreien, den eigenen Körper lieben zu müssen. Denn das Selbstwertgefühl sollte nicht von unserem Äußeren abhängig sein. Trotzdem ist das Bild, das ich da jeden Tag im Spiegel, auf Fotos, beim Vorbeilaufen an Schaufenstern sehe, nun mal da und so wie es ist. Und manchmal denke ich beim Blick darauf „Oh làlà“, manchmal „Urks“ – und manchmal einfach gar nichts. Und auch das ist völlig okay.