Über die Macht von Schaumwein und eine Liebeserklärung an die Kunst: 11 Fragen an das MS ARTVILLE

© Alex Füllgraf

In Hamburg ist aktuell Festivalzeit und das haben wir uns zum Anlass genommen, mit Eike vom MS ARTVILLE zu sabbeln, und der hatte eine ganze Menge zu erzählen. Über Kunst, was sie zu einem so essentiellen Teil unserer Kultur und unseres Seins macht und über all die coolen Dinge, die ihr aktuell auf dem Dockville-Gelände in Wilhelmsburg bestaunen könnt.

1. Moin! Na? Wer bist du und was ist deine Rolle beim MS ARTVILLE?

Hi! Ich bin Eike und Teil des MS ARTVILLE-Teams. Ich mache viel Kommunikation und ein wenig Kuration bei unserem Festival für urbane Kunst und geteilte Gegenwart.

2. Was hat sich seit Corona geändert und was für Learnings habt ihr aus den vergangenen zwei Jahren ohne viel Kunst zum Anfassen mitgenommen?

Ehrlicherweise haben wir alles dafür getan, damit es nicht zwei Jahre ohne Kunst zum Anfassen waren – 2020 mit einer Digital Edition und Kunstwerken im öffentlichen Raum MS UFERPARK; 2021 mit dem MS ARTVILLE im Rahmen vom "Fast ein Festival". Beides Pandemie-konform und daher mit etwas mehr Abstand, aber jeder Menge Kunst zum Entdecken, Erleben und auch Anfassen.

Aber klar: Auch wir haben die Pandemie-Zeit genutzt und präsentieren nun im ersten Jahr ohne Auflagen seit dem 23. Juli, bis zum 7. August ein prall gefülltes Programm mit neuen Veranstaltungstagen und thematischen Schwerpunkten, mit einem diversen und künstlerisch vielgestaltigen Lineup und vor allem mit richtig viel Lust, endlich wieder gemeinsam Kunst zu sehen, zu machen und zu besprechen.

3. Wie wird das Thema des Festivals entschieden und was ist das diesjährige?

In diesem Jahr geht’s bei uns um Filter: um die digitalen wie die stofflichen, um die gesellschaftlichen wie die subjektiven. Denn wir alle filtern, mal mehr und mal weniger bewusst. Und wir werden unseren Filtern nicht entkommen können – dafür sind sie zu nützlich, dafür machen sie vielleicht auch zu viel Spaß. Aber wir fragen nach den Folgen, Potenzialen und Reaktionen – und jedes Kunstwerk, jeder Programmpunkt filtert das Thema nochmal neu. Wer mehr wissen will: unser Themenpapier 2022 gibt’s auch online.

4. Wie wählt ihr die Künstler*innen aus, die bei euch ausstellen?

Wie eben erwähnt: im Team. Wir haben uns von der Position des alleinigen Kurators oder der alleinigen Kuratorin verabschiedet; wir setzen auf die Intelligenz, die Kreativität und die Begeisterung der MS ARTVILLE-Crew. Konkret bedeutet das: Wir treffen uns jede Woche zum MS ARTVILLE-Jour und spätestens wenn das Thema steht, bringt jede*r von uns Künstler*innen und Werke mit. Das sind Arbeiten, die man gerade gesehen hat; Accounts, in die man sich bei Instagram verliebt hat, aber auch Empfehlungen aus unserem Netzwerk. Wir besprechen diese Künstler*innen und Ideen gemeinsam und gehen dann ins Gespräch mit Ihnen.

Denn: auf unserem Festivalgelände in Hamburg-Wilhelmsburg auszustellen, das ist etwas anderes als in einer Galerie mit weißen Wänden. Die Kunst ist – was wir unheimlich schön finden – Wind, Wetter und vor allem Festivaltreiben ausgesetzt; ebenso hilft es, die besonderen Materialien, Standorte und Chancen gemeinsam durchzusprechen. Denn wir haben vielfältigste Genres der urbanen Kunst bei uns versammelt: Installationen, Murals, Stencils, Ausstellungen und vieles mehr. Wo sonst werden beispielsweise 6 handelsübliche Container aufeinandergestellt und zu einem riesigen Mural verwandelt?

Außerdem gibt’s jedes Jahr am Anfang des Jahres unseren Call for Artists: da laden wir Kunstschaffende ein, sich mit einer Idee, einem Konzept oder einer Arbeit zu bewerben und Teil des MS ARTVILLE zu werden. In diesem Jahr ist darüber Simone Kesting zu uns gekommen – mit einem Kunstwerk, das ihr direkt beim Reinkommen (und sicherlich auch in euren Insta-Feeds) sehen werdet.

5. Was bedeutet Kunst für euch und warum ist sie so essentiell für den Menschen?

Das MS ARTVILLE ist unsere Art von Liebeserklärung an die Kunst.

Puh, dazu könnten wir so viel erzählen. Die beste Antwort ist ein Besuch bei unserem Festival, bis zum 7. August habt ihr noch Zeit dafür. Aber als Kurzfassung: Das MS ARTVILLE ist unsere Art von Liebeserklärung an die Kunst. Lauft mal über das Gelände: all die bunten Farben, wilden Formen und verrückten Ideen, die dort zu Kunst geworden sind. All die klugen Gedanken, die schönen Bilder, die Überraschungen; all die Kunstwerke und Programmpunkte: Da kriegt man doch automatisch bisschen Herzklopfen!

Außerdem haben wir einen politischen Anspruch. Wir haben früher mal gesagt, dass Kunst die richtigen Fragen stellt, wenn die Antworten zu einfach werden. Wir lieben, was Kunst ermöglichen kann: Menschen kommen zusammen und begegnen sich – auch abseits gesellschaftlicher Filter. Themen werden auf die Agenda gesetzt, werden diskutiert; Kunst sorgt für Sichtbarkeit, Repräsentation und Empowerment. Man kann andere Perspektiven erkunden, man kann neue Dinge lernen und alte Gewissheiten in Frage stellen.

Und das MS ARTVILLE ist ja nicht nur eine Ausstellung, bei der nebenher noch Musik läuft und es ein paar gute Insta-Motive gibt (es gibt sie, though). Sondern die Kunst wird vor Ort erarbeitet und gebaut, die Künstler*innen wohnen und arbeiten auf unserem Gelände. Und dieser kreative Prozess macht unheimlich viel Spaß.

Selbst wenn all das ohne Kunst auch möglich wäre – mit Kunst ist es viel spannender, schöner, klüger, zugänglicher und unterhaltsamer. Und das ist ja irgendwo auch essentiell, oder?

© Klara Thiele: Kunstwerk links: Pia Fleckenstein / Rechts: Kunstzentrale Atom

6. Wir stellen uns euer Planungsboard total bunt und crazy vor. Nimm uns mal mit, wie sieht die Vorbereitung auf das Festival so aus und wie oft habt einen Nervenzusammenbruch erlitten? 

Nervenzusammenbrüche gibt’s natürlich auch. Wir haben sie nicht gezählt, aber dafür gelernt: Es gibt kaum etwas, was man nicht mit einem Schaumwein lösen oder zumindest lindern kann.

Kernstück und Keimzelle des ganzen ist das MS ARTVILLE-Team. Jede*r hat da seine eigenen Schwerpunkte, aber idealerweise greifen all diese Bereiche ineinander – von der Künstler*innenbetreuung über die Materialbeschaffung hin zur Einlassorganisation; überall gibt’s jede Menge zu tun. Je näher das Festival kommt, desto mehr Leute arbeiten mit uns daran – und aus einer fixen Idee werden dann drei Wochen Programm.

Gerade sind wir also mitten im Festival. Aber wenn das MS ARTVILLE vorbei ist (und wir kurz durchgeatmet haben), gehen wir in die Planung für das nächste Jahr. Nervenzusammenbrüche gibt’s natürlich auch. Wir haben sie nicht gezählt, aber dafür gelernt: Es gibt kaum etwas, was man nicht mit einem Schaumwein lösen oder zumindest lindern kann. Daher gibt’s im MS ARTVILLE-Büro auch immer einen Notfallsekt in Reserve.

7. Kommt Wilhelmsburg noch? Wird’s wirklich noch irgendwann cool?

Also bitte! Wir sind lokalpatriotisch parteiisch, aber: welcher Hamburger Stadtteil hat so viel Street Art, dass es ein eigenes Bingo dafür gibt? Wo ist man denn so nah am Wasser und mitten in einer grünen Oase, ohne auf leckeres Essen, kühle Drinks und gute Partys zu verzichten (S/O Reiherstiegviertel)? Wenn man was anderes sehen will, kann man easy durch den Elbtunnel radeln – aber wieso sollte man? Denn hier gibts super angenehme Leute und die Mieten sind im Vergleich zu vielen anderen Vierteln noch bezahlbar(er). Und überhaupt: wo sonst steigen noch drei aufregende Festivals im kommenden Monat (SPEKTRUM, VOGELBALL und MS DOCKVILLE)?  Falls jemand noch immer Zweifel haben sollte: kommt doch einfach rum zum MS ARTVILLE und macht’s wie wir, verliebt euch in Wilhelmsburg und die Elbinsel.

8. Wenn man Lust hat, das MS Artville zu unterstützen, was kann man tun?

Wenn man nur 30 Sekunden Zeit hat: folgt uns auf Insta und erzählt euren Freunden vom MS ARTVILLE! Wenn man am Freitag und Samstag noch nichts vor hat: kommt vorbei! Freitag feiern wir MUSIKHÖREN mit Nina Chuba, PaulWetz und vielen weiteren Live-Acts. Neben all unseren wunderbaren Kunstwerken kann man also bei den Konzerten auch seine neuen Lieblingssongs entdecken – Tickets gibt’s hier.

Samstag, am 30.7., lenken wir bei NACHTSICHT (Tickets hier) den Blick auf all das, was mit dem Einbruch der Dunkelheit erkennbar wird: mit Mappings und ganz besonders beleuchteten Kunstwerken, mit einer Lesung von Ronja von Rönne und dem Radiobalett von Silent Disco. Aber vor allem auch mit der Installation ASTERISM von Alexander Schubert – eine Art auditiv-visuelle Pilgerreise durch Licht-, Sound- und Raumdesign, durchzogen von Prophezeiungen einer künstlichen Intelligenz.

Das MS ARTVILLE wird vom Kunstfelder e.V. veranstaltet. Als gemeinnütziger Verein sind wir natürlich auf Spenden angewiesen – so kann man uns also auch sehr gut unterstützen. Geht sogar per Paypal! Und wenn man im Sommer entweder die Besucher*innen bei unseren Kunstführungen übers Gelände führen möchte oder selbst dabei helfen will, die Kunst aufzubauen und das Gelände zu gestalten: wir suchen immer Freiwillige für das MS ARTVILLE.

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9. Wie wichtig ist es, dass Kunst auch kostenlos zugänglich ist?

Unheimlich wichtig – unser Ziel ist es, die Kunst aus dem Elfenbeinturm heraus zu holen und sie allen zugänglich zu machen. Ohne Barrieren, leichtfüßig, anfassbar.

Daher steht das Gelände an unseren KUNSTGUCKEN-Tagen donnerstags und sonntags allen Besucher*innen ohne Eintritt und Voranmeldungen offen; stündliche Kunstführungen, leckeres Essen und viel zu entdecken gibt’s auf dem Gelände sowieso immer. Das Programm lässt sich auch sehen: zum Beispiel liest am kommenden Donnerstag Hengameh Yaghoobifarah bei uns.

10. Was habt ihr im Programm für Kids und kann man zu jung für Kunst sein?

Man kann weder zu jung noch zu alt sein, glauben wir – wir wollen vielmehr einen Ort und ein Programm für alle von 1-99 schaffen. Daher sind die Sonntage unsere KUNSTGUCKEN Familientage mit Programm für groß und klein: es gibt Workshops für die Lütten, Walking Acts der Stage Legends, Musikprogramm in der 40ft Disko und das Falkenflitzer Spielmobil.

11. Nun verrate uns noch, was ist dieses Jahr deine liebste Sache auf dem MS Artville?

Ich könnte natürlich von den tollen Kunstwerken schwärmen, euch meine liebsten Drinks und leckersten Gastro-Angebote verraten oder erzählen, dass das Nina Chuba-Konzert heute sicherlich ein echtes Highlight wird.

Aber ehrlicherweise macht mich die neu gestaltete Kunstzentrale in diesem Jahr am glücklichsten: Dort starten unsere Kunstführungen (stets zur vollen Stunde), da gibt’s Programmhefte, Kunstwerke, kleine Goodies und so viel mehr. In diesem Jahr ist die Kunstzentrale so viel größer, schöner und vielfältiger geworden – und da sie der ideale erste Anlaufpunkt für all unsere Besucher*innen ist und unsere Kunstkommunikator*innen dort für alle Fragen zur Verfügung stehen, freut mich es mich umso mehr, wie schön die Kunstzentrale geworden ist.

Außerdem: dezentral, überall auf dem Gelände sind kleine Kunstwerke von Frittenfreddie versteckt. Manchmal läuft man über das MS ARTVILLE und erspäht eins im Augenwinkel – diese kleine Entdeckung macht mich immer wieder aufs Neue glücklich.

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