Sowas von Da: ein Rausch, eine Generation und das Clubsterben

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Alles was wir haben ist das Hier und Jetzt. Nur diesen Moment, nur er zählt. Gebrochene Herzen. Einen nie stillstehenden Beat. Die Suche nach sich selbst in einem Chaos, das nicht nur in der eigenen Wohnung herrscht, sondern sich auf das gesamte Leben niederschlägt. Alkohol, Drogen, ein Rockstar, ein Krimineller, eine Geliebte, ein verletzter Egoist und das alles vor der eisig kalten Kulisse des Hamburger Kiezes.

Hallo Klischee, äh Coming of Age-Roman du bist umzingelt.

Genau das könnte man jetzt denken. Doch obwohl Tino Hanekamp keines dieser eigentlichen Fettnäpfchen ausgelassen hat, schuf er mit seinem Debütroman "Sowas von Da" ein Werk, was nicht nur einer ganzen Generation eine Stimme gibt, sondern einer ganzen Stadt – eben Hamburg. Ein Film zwischen Fiktion und Realität.

Sowas von Da – sowas von am Puls der Zeit, sowas von an den Problemen unserer Stadt

Tino Hanekamp, der übrigens den mittlerweile dahingeschiedenen Club "Weltbühne" am Nobistor eröffnete und das "Uebel & Gefährlich" mitgründete, schubst uns in einen Pool randvoll mit den Problemen unserer Stadt: Gentrifizierung, Clubsterben und die Minimierung von künstlerischen Freiräumen – uns geht das Lebensgefühl flöten, für das Hamburg einst stand.

Oskar, der Protagonist, der so viel Angst vor Leben und Liebe hat, dass er sich kaum noch selbst aushält, muss seinen Club am Ende der Reeperbahn schließen (so zumindest im Buch, wer im Film genauer hinschaut, wird ein Clubgelände Nähe Süderstraße erkennen). Die letzte Party steigt in der letzten Nacht des Jahres.

Die Kulisse für eine unvergessliche Nacht steht, fehlen nur noch die Gäste: Kiez-Kalle, der von Oskar 10.000 Euro fordert und keine Diskussion duldet, Bela B. als alter Elvis, eine Innensenatorin, die im Fahrstuhl feststeckt und Matilda, Oskars große Liebe.

Nun füge man noch eine Menge berauschender und lustig machender Mittelchen hinzu und schwupsdiwups sind wir SOWAS VON DA.

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Man muss immer voll da sein, weil es jede Sekunde wieder vorbei sein kann

Wir strampeln, schlagen um uns, schnappen nach Luft in unserem Pool überfüllt mit Problemen aus Gentrifizierung, Clubsterben und der Minimierung von künstlerischen Freiräumen. Eine von Hamburgs klaffendsten Wunden: das Clubsterben. Es überrannte uns, kam über Nacht – mit einmal schloss Club, nach Bar, nach Club seine Pforten: angefangen beim Golem, über den Kleinen Donner bis hin zum Fitzgerald und das ist nur ein Vorgeschmack. Fundbureau und Astra Stube zittern noch, vom erbitterten Kampf des Molochs mal ganz zu schweigen. Einige Institutionen erfanden sich neu und blühen wieder auf, andere schlossen ihre Pforten für immer.

Wie kommt es zum Clubsterben und was macht es eigentlich mit unserer Gesellschaft?; Autor Hanekamp und Regisseur Jakob Lass (ebenfalls Regisseur von Love Steaks) wagen einen Erklärungsversuch.

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Ist das Kunst? Ja, kann weg

Auf die Frage nach dem "Warum?" geben Lass und Hanekamp eine Antwort in Form des Gesichtes der erzkonservativen Innensenatorin. Sie steht für: Lärmschutzgesetze, Kameraüberwachung und das Schaffen von Eigentumswohnungen und Neubaugebieten. Wir würden das im allgemeinen Zusammenhang wohl Gentrifizierung nennen.

Es ist nun ein Leichtes den Bogen zum gegenwärtigen Lebensgefühl von "Karriere, Konsum und Aussehen" zu schlagen, anstatt zu "be free, let go, don't care".

Im Fall von Oskars und Pablos Club ist es so, dass an die Stelle ein Neubaugebiet rücken soll – die Miete konnten sich die beiden eh aufgrund ihrer Schulden schon lange nicht mehr leisten. Schade nur, dass diese Geschichte mitten aus dem hanseatischen Alltag entspringen könnte – zumindest fast.

Realitätscheck: es gibt in der Regel drei Gründe, aus denen Hamburger Clubs schließen.

Grund 1: Explodierende Mieten aufgrund von Modernisierungsarbeiten, Viertelaufwertungen, auslaufenden Mietverträgen, steigenden Nebenkosten und, und, und.

Grund 2: Die neuen Nachbarn, die nun in der coolen Hood wohnen, machen von ihrem Lärmschutzrecht Gebrauch, weswegen die Stadt den Clubbesitzern fette Zahlungen zur besseren Schalldämpfung aufdrückt, was die wiederum nicht bezahlen können (geht ja schon alles für die Miete drauf) und schließen/umziehen müssen.

Grund 3: Der Laden läuft einfach nicht, weil wir lieber Cornern, anstatt in Bars zu gehen.

Sorry, kurze Frage: ist die böse Innensenatorin gerade dem Film entlaufen?

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Eine Generation und kein Rausch

Und so schrumpfen unsere Freiräume immer mehr und mehr. Kunst geht flöten und unsere Werte? Die irgendwie mit ihr. Hamburg gehört zu den zwei coolsten Städten in Deutschland – komme was wolle, aber wie kann sie diesen Titel mit einer Generation halten, die mehr von der Stadt gelangweilt ist, als von sich selbst?

Es ist ja nun mal so, dass die Möglichkeiten in Hamburg abseits von Mainstream zu feiern durch das Clubsterben immer begrenzter werden. Haben wir im Sommer noch barfuß im Moloch getanzt, ist es unklar, ob das im nächsten Jahr wieder möglich sein wird. Kleine, kuschelige Clubs, wie die Astra Stube, die ihr Zuhause an einem von Hamburgs markantesten Orten, der Sternbrücke hat, muss um ihre Existenz bangen, weil man plant die Sternbrücke abzureißen.

Man klaut der Stadt so nicht nur ihre Kultur und ihr Gesicht, sondern der Generation ihren Rausch und ihre Freiheit. Es lässt sich darüber streiten, ob unsere Generation genug tut, um Hamburg selbstständig mitzugestalten. Wie es aussieht ist es noch lange nicht genug, aber was soll man gegen Großinvestoren und Politiker ausrichten, die durch ihre finanziellen Mittel bestimmen, was in unserer Stadt passiert?

Das wissen auch Oskar und seine Freunde nicht so genau, aber was sie wissen ist, dass sie nicht kampflos aufgeben werden – die Party muss immer weiter gehen. Nicht umsonst sitzt die Innensenatorin die gesamte Silvesternacht im clubeigenen Fahrstuhl fest.

Tino Hanekamp veröffentlichte seinen Roman bereits 2011. Jetzt, sieben Jahre später, kurz nach der Verfilmung trifft er mit seinen Zeilen den Kern der Zeit. Mit Hamburger Schnack, Jugendslang, lässigen Outfits, viel Zigaretten, Alkohol, Party, guten Freunden und einer Lovestory zeigen Hanekamp und Lass wofür Hamburg eigentlich steht: nämlich für Freiheit.

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