Glaube, Liebe, Hamburg: Ein Anruf, mehr braucht es manchmal nicht

© Lina Hansen

Segel Setzen #9

Teil 1: Was ich nur mit ihr erlebt habe

Du weißt schon, welchen Bäcker ich meine. Du bist diejenige, die mich im ersten Semester gefragt hat, ob wir dort nach der Vorlesung einen Kaffee zusammen trinken gehen wollen. Wir wollten. Und wir tranken einen und noch einen und noch einen. Das ist jetzt fast acht Jahre her. Unsere nächsten Treffen ertranken sich in Weißwein und Gin Tonic. Oder wir lagen in deinem Bett, machten uns die Nägel und schauten Trash TV. Du kochtest Tortellini mit Sahne-Weißwein-Soße, was fortan unser Ding werden sollte und was ich schon unzähligen anderen Menschen nachgekocht habe. Ich schreibe das hier und habe den Geruch noch in der Nase.

 

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Wir durchlebten Trennungen gemeinsam – ich erinnere dich an den denkwürdigen Nachmittag, an dem du mich zum Grillen bei dir gezwungen hast und an dem ich einfach nur pathetisch und unfähig, etwas zu essen oder auch nur zu reden dasaß. Bis das Grillen vorbei war. Du setztest mich zuhause ab. Das war der Punkt, an dem mein Liebeskummer aufhörte. Einmal flammte er wieder auf. Du fuhrst bei mir vorbei, packtest mich ein und kutschiertest mich an die Ostsee, für einen Tag. Ab dann war es dann wirklich gut.

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Die kurze Zeit, in der wir beide Single waren – oh boy.

Unsere ersten gemeinsamen Schritte auf einem anderen Kontinent, die Zeit, in der wir an zwei unterschiedlichen Enden des Landes wohnten, die Zeit, in der ich nach Leipzig zog.

Und auch heute noch.

Ich kann dir nicht genug danken – zum Beispiel dafür, dass du mich an dem einen Abend einfach anriefst, ein Abend, an dem meine innere Unruhe ihren Höhepunkt erreicht hatte. Wir lagen beide schon im Bett. Ich wusste nicht, wohin mit mir und mit dem Schmerz und mit den Zweifeln. Eine kühle Analyse. Wenige, aber gut gewählte Worte. Deine beruhigende Stimme. Das Wissen, dass du Recht behalten würdest. Dieses Telefonat ist noch gar nicht lange her. Es hat mich ein bisschen gerettet.

Du sagst mir deine ehrliche Meinung, machst mir deutlich, was ich verdient habe, pushst mein Selbstbewusstsein wieder dahin, wo es hingehört und triffst mich damit genau so sehr, dass es wirkt. Irgendwie wird immer alles gut, das weiß ich jetzt.

Teil 2: Was nur sie schafft

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Dies ist eine kurze, verdichtete und in Teilen für die Privatsphäre verfremdete Erzählung einer Freundschaft, die für mich von Anfang an unentbehrlich war und sich mit den Jahren einen solchen Stellenwert in meinem Leben erarbeitet hat, wie ihn nur wenige andere Freundschaften haben. Eine Freundschaft, in der in guten Zeiten der Gin Tonic fließt und in schlechten Zeiten die Tränen. Und eine Freundschaft, in der mir in den Momenten größtmöglicher Verzweiflung in ruhigen Worten dargelegt wird, warum ich absolut keinen Grund habe, so zu denken.

Anderen Leuten glaube ich dann oft nicht. Ihr schon. Sie holt mich auf den Boden, wenn ich aus Versehen so hoch geflogen bin, dass ich keine Luft mehr bekomme. Die Knoten in meinem Kopf entwirrt sie, legt die Gedankenschnüre feinsäuberlich nebeneinander und zeigt mir, dass das Chaos mit ein paar ordnenden Gedanken gar nicht so schlimm ist. Meinen Hang zu Pessimismus verbunden mit Drama federt sie ab und bringt mich instantly wieder runter.

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Habt ihr so jemanden in eurem Leben, dann lasst diese Person bitte nicht mehr gehen. Jeder von uns braucht jemanden, der gleichzeitig analysiert und mitfühlt. Der einem erst das Taschentuch und dann den Wein reicht. Der mit dir feiert und doch niemals müde wird, dir zu betonen, dass du immer kommen kannst, wenn dir nicht zum Feiern zumute ist. Der nicht nur sagt, dass er immer erreichbar ist – sondern es auch tatsächlich lebt.

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Teil 3: Wozu ich mich nur mit ihr verabrede

Hey, E., ich schulde dir eigentlich noch einen Kaffee in einer kleinen Bäckerei da oben – na du weißt schon, wo – in der norddeutschen Provinz. Wie klingt das?

Lina ist geboren und aufgewachsen in Hamburg und hat auf keiner ihrer Reisen jemals eine Stadt gesehen, die sie so gefangen nimmt. In ihrer Kolumne "Segel setzen" schreibt sie regelmäßig über die großen und kleinen Themen des Alltags einer Mittezwanzigjährigen – und natürlich über die Liebe zur Herzensstadt.

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