Hamburg hakt nach: Was ist eigentlich eine Kohlfahrt?

© Franzi Simon

"Wer, wie, was? Wieso, weshalb, warum? Wer nicht fragt, bleibt dumm!": Die Sesamstraßen-Fans unter uns haben diese lebenswichtige Weisheit natürlich längst verinnerlicht. Trotzdem traut man sich bei der ein oder anderen Frage dann doch nicht, sie zu stellen. Weil sie zu banal erscheint – oder man schlichtweg nicht weiß, wer die Antwort kennen könnte. Hier kommen wir ins Spiel! Wir haken für euch nach. Denn wir finden: Fragen – seien sie noch so simpel – sind nicht nur was für Kinder. Schließlich begegnen wir in Hamburg immer wieder kuriosen Dingen, die uns staunend oder fragend zurücklassen. Geht euch genauso? Dann schickt uns eure Fragen – wir beantworten sie oder suchen jemanden, der*die das kann.

Selina fragt: "Ständig höre ich was von Kohlfahrten? Was soll das sein?"

Spätestens im Januar starten sie: die Kohlfahrten. Doch Menschen, die nicht aus Hamburg, Niedersachsen oder Schleswig-Holstein kommen, können mit dieser Tradition selten etwas anfangen. Und fragen sich, was die verrückten Norddeutschen bei Wind und Wetter, mit Bollerwagen und Bier bewaffnet auf den Wegen treiben.

Ganz einfach: Sie unternehmen eine Kohlfahrt. Das bedeutet im klassischen Sinne, es wird sich zu einem mehr oder weniger langen Spaziergang getroffen, der dank  zahlreicher Spiele und noch mehr Alkohol unterhaltsam gemacht wird. So ist es typisch, an jeder Kurve oder Ecke zu trinken – meist aus einem Eierbecher, der als Shotglas um den Hals hängt. Man spielt Teebeutelweitwurf, Eierlauf oder boßelt, wirft also einen Boule-Ball immer so weit, wie sich die Gruppe dann voranbewegen darf. Ihr merkt schon: Allerlei Quatsch, meist stark alkoholisiert. Den Schnaps braucht man schließlich auch, denn die Fahrten finden traditionell in den Frostmonaten statt.

© Henning Klimczak

Das hat einen ganz bestimmten Grund: Ziel der Touren ist nämlich ein ausschweifendes Grünkohlessen, dazu aber gleich mehr. Und der Kohl schmeckt eben erst, wenn es draußen frostet. Ihren Ursprung haben die Kohlfahrten im Bremer und Oldenburger Raum, doch mittlerweile ist die Tradition bis nach Hamburg übergeschwappt und man sieht die Bollerwagen-Grüppchen auch um die Alster marschieren.

Pinkel, Kochwurst und natürlich Senf

Kommen wir zum wichtigsten Teil der Tradition: der Einkehr zum Grünkohlessen, oft in einer Gaststätte, manchmal auch zu Hause. In vielen Regionen Deutschlands kennt man Grünkohl gar nicht als deftiges Gericht, höchstens neumodisch in Green Smoothies oder als hippe Kale Chips. In Norddeutschland gibt es aber in den Wintermonaten überall gekochten Grünkohl, klassisch serviert mit Kassler, Kochwurst, Kartoffeln und Pinkel. "Pinkel?!", fragen sich vielleicht jetzt einige von euch. Keine Sorge, dabei handelt es sich um eine grobkörnige Grützwurst, die beim Räuchern tropft, daher der Name. Sie wird beim Kochen schon mit zum Kohl gegeben, dann auf dem Teller auseinandergenommen und gemeinsam mit den Kartoffeln und ordentlich Senf mit dem Grünkohl gemischt. Sieht nicht sonderlich appetitlich aus, schmeckt aber übelst lecker!

Besonders gut an dem deftigen Essen ist, dass es ordentlich etwas von dem bereits konsumierten Alkohol aufsaugt. Mit dem geht es dann auch direkt weiter, Korn gibt es zum Absacker und dann legen in vielen Gaststätten DJs auf, bis auch der*die Letzte schnarchend mit dem Gesicht voran im Grünkohl landet.

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