Gleichberechtigte Elternschaft – easy machbar oder nur eine Illusion?

© Birte Hecht

Die Eltern meines Partners sind zu Besuch in unserer neuen Wohnung. Sie spazieren bewundernd von Zimmer zu Zimmer und lassen einige "Ohs" und "Ahs" hören. Dann fällt der Blick meiner Schwiegermutter auf die große Fensterfront im Wohnzimmer. "Oje, da hat Birte aber viel zu putzen." Äh, Moment, denke ich, warum geht sie denn automatisch davon aus, dass ICH hier die Fenster blank wienere? Ist (Fenster-)Putzen denn noch immer in so vielen Köpfen Frauensache? Weil es vermutlich nur eine unbedachte Bemerkung war und ich keine Grundsatzdiskussion lostreten möchte, behalte ich meine Irritation für mich und sage nichts. Monate später denke ich erneut über die Situation nach. Und stelle fest: Es IST so. Ich BIN die Einzige, die hier die Fenster putzt. Zwar maximal ein Mal pro Jahr, sehr schlecht gelaunt und mit verheerenden Ergebnissen, aber ich tue es. Gleichzeitig gibt es Aufgaben, die ganz klischeehaft mein Partner bei uns erledigt. Dazu gehören zum Beispiel handwerkliche Tätigkeiten, das Auto waschen, im Sommer für uns Grillen – also vermeintlich "typisch männliche" Dinge. Aber wenn ich mich darüber beschwere, dass es Tätigkeiten gibt, die mir zwar total verhasst sind, die ich aber erledige, weil es sonst keiner macht oder weil sie traditionell von mir erwartet werden, müsste ich dann nicht das nächste Mal auch selbst die Bohrmaschine oder die Grillzange schwingen? Da schiebe ich meinem Partner ja auch nur zu gern die A-Karte zu. Warum dann nicht gleich die unliebsamen Aufgaben teilen, ganz egal, welches Geschlecht dafür angeblich zuständig ist?

Practice what you preach

Eine gleichberechtigte Partnerschaft zu leben, und zwar wirklich zu leben, und nicht nur zu predigen, ist schwierig. Allzu häufig fällt man automatisch in Rollenmuster zurück, die man von den Eltern vorgelebt bekommen hat: Papa verdient die Brötchen, Mama macht Haushalt und Kinder. Aber unsere Generation, wir wollten das doch alles anders – nein, besser! – machen. Und trotzdem sehe ich in meinem Umfeld viele Familien mit sehr traditioneller Rollen- und Aufgabenverteilung. Wenn beide damit zufrieden sind: wunderbar. Häufig höre ich aber, und zwar meistens von den Frauen, dass dem nicht so ist ... Warum ist es also so schwierig, eine gleichberechtigte Partnerschaft zu führen?

In der Elternschaft setzt sich die Ungleichheit fort. Die Frau nimmt den Großteil der Elternzeit, weil es ja so praktisch ist, wenn sie ohnehin stillt. Die paar Monate Elternzeit, die der Mann nimmt, werden genutzt, um gemeinsam eine ausgedehnte Reise zu machen – klar, finde ich auch nice, hat aber nichts mit der Realität von Kinderbetreuung zu tun. Erstens, weil man sich die Aufgaben ja dann wieder aufteilt und zweitens, weil die Realität von Kinderbetreuung der Alltag zuhause ist: Windeln wechseln, füttern, kilometerlange Strecken mit dem Kinderwagen ablatschen, Drogerieeinkäufe erledigen (Highlight des Tages!), stundenlang kleine Spielzeugautos in quälender Monotonie von einer Ecke in die andere schieben, in Endlosschleife Schlaflieder singen.

Zieht zusätzlich runter: Mental Load

Schluss mit Rosa und Blau. Alles ist möglich. Ich möchte, dass mein Sohn mit dem Selbstverständnis aufwächst, dass Männer und Frauen ebenbürtig sind.

Über Mental Load habe ich ja schon häufiger geschrieben. Es gehört zu einer gleichberechtigten Elternschaft, dass wir diese Aufgaben nicht nur erkennen, sondern auch anerkennen. Denn nicht nur Erziehungs- und Haushaltsaufgaben, die offensichtlich sind, sollten gerecht verteilt sein, sondern auch alle To-dos, die sonst noch in den hintersten Ecken der Elternhirne herumwabern: Wann benötigt unser Kind die nächste Kleidergröße und damit eine Wagenladung neuer Klamotten? Wie lange reicht der Vorrat seiner Lieblings-Fruchtriegel noch und wer besorgt Nachschub, bevor die Katastrophe eintritt? Wer behält Termine wie Kinderturnen, Playdates und Vorsorgeuntersuchungen im Blick? Wer übernimmt unbeliebte Maßnahmen der Körperpflege wie Nägel schneiden und Ohren saubermachen? Wer kümmert sich um nervigen Papierkram wie die Beantragung des KiTa-Gutscheins? Wenn all dies an einer Person hängenbleibt, ist das alles andere als fair.

Im Job: Nur noch kurz die Welt retten

© Bethany Beck | Unsplash

Offensichtlich auch ein Problem: die Wertschätzung der Erwerbsarbeit der*s anderen. Denn wenn das Kind krank ist und nicht in die KiTa gehen kann, zeigt sich oftmals, ob man wirklich gleichberechtigte Elternschaft lebt oder ob sie nur theoretisch existiert. Folgendes Szenario: Es zeichnet sich ab, dass das Kind krank wird und morgen nicht die Betreuungseinrichtung besuchen kann. Partner*in A fragt: "Schaaatz, hast du morgen was Wichtiges auf Arbeit?" Die einzig richtige Antwort von Partner*in B lautet: "Ähm, nicht direkt, aber wenn du nicht gerade vor der Entdeckung eines Medikaments zur Heilung von Krebs stehst, würde ich vorschlagen, wir bleiben abwechselnd mit dem kranken Kind zuhause." Nur, weil eine*r der beiden nicht Vollzeit arbeitet, ist ihr*sein Job nicht weniger wert. Und ob Mann oder Frau – der*die Arbeitgeber*in ist zur Freistellung der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters verpflichtet, wenn ein krankes Kind Betreuung benötigt. Denn niemand hat Spaß daran, ständig bei der Arbeit abzusagen und Fehltage anzuhäufen wie andere Leute Tinder Matches. Darum sollte es selbstverständlich sein, dass man abwechselnd in den sauren Apfel beißt und der*m anderen so vermittelt: Ich wertschätze deine Arbeit und alles, was du für unsere Familie tust. Warum also nicht mal was ganz Wildes machen, der Frau die Karriere gönnen (sofern sie diese denn möchte) und selbst beruflich zurückstecken? Antwort: Gender Pay Gap.

Gleichberechtigung vom Stammtisch auf den Küchentisch bringen

Es gibt in puncto gleichberechtigte Partner- und Elternschaft noch viel zu tun. Vieles spielt sich bisher leider nur in der Theorie ab und nicht im wahren (Familien-)Leben. Doch was bringt die Empörung über Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, wenn sie in den entscheidenden Situationen nur im Kopf bleibt und nicht ausgesprochen wird? Wenn Gleichberechtigung vielleicht beim Mädels-Abend hitzig diskutiert wird, aber zuhause dann doch alles bleibt, wie es ist und schon immer war? Weil man keinen Streit vom Zaun brechen möchte? Weil es einfacher ist, nicht an den starren Grundfesten zu rütteln, die eine Welt umgeben, die ihre männlichen Bewohner bevorzugt? Weil das ständige Stoßen an der Glasdecke irgendwann höllische Kopfschmerzen bereitet? Gleichberechtigung ist schwer. Gleichberechtigung ist harte Arbeit. Sie ist mühsam und fordert immer neues Hinterfragen von eingefahrenen Rollenbildern, immer neue Diskussionen. Und dazu müssen beide Partner bereit sein.

Boys will be boys?

Wo also ansetzen? Zunächst einmal könnte man die eigene Komfortzone verlassen. Aufgaben des täglichen Zusammenlebens in geschlechtstypische Kategorien aufzuteilen, ist Quatsch. Bei unserem letzten Umzug habe ICH die meisten Deckenlampen angeschlossen und meinem Partner erklärt, dass "das L-förmige Ding" Inbusschlüssel heißt. Er kümmert sich hingegen hingebungsvoll um unsere Wäsche und verbessert mich, wenn ich das falsche Waschmittel für die empfindlichen Wollsachen nehme (schon klar, das sind jetzt alles keine reaktionären Beispiele, aber Ansätze). Die Care Arbeit versuchen wir so fair wie möglich aufzuteilen. Leider ist meinem Sohn das Konzept von gleichberechtigter Elternschaft schnurzpiepegal und er verlangt zurzeit bei jedem Handgriff nach Mama. Aber das liegt außerhalb unseres Einflusses.

Ich finde wichtig: Wir sollten unseren eigenen Kindern Gleichberechtigung der Geschlechter vorleben. Jungen und Mädchen verhalten sich häufig unterschiedlich. Warum ist das so? Weil wir sie unterschiedlich behandeln. Schluss mit Rosa und Blau. Alles ist möglich. Ich möchte, dass mein Sohn mit dem Selbstverständnis aufwächst, dass Männer und Frauen ebenbürtig sind. Dass vermeintliche Grenzen, die wir dem anderen Geschlecht auferlegen, die wahre Illusion sind. Und nicht etwa die Gleichberechtigung.

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