11 bedeutende Frauen, die Hamburg geprägt haben
Von der ersten praktizierenden Ärztin über eine Sexarbeiterin mit Einfluss bis zur Politikerin an der Spitze: Hamburg hat viele beeindruckende Frauen hervorgebracht, die die Stadt zu dem gemacht haben, was sie heute ist – und sie arbeiten noch immer an einem besseren Morgen. Sich einzusetzen für Frauenrechte und Chancengleichheit, das haben Hamburgerinnen schon im vergangenen Jahrhundert getan. Heute ist es zumindest in einigen Bereichen dank ihnen leichter geworden, zum Beispiel überhaupt studieren zu dürfen oder sich in typisch männlich geprägten Berufen zu beweisen. Aber wir sind noch lange nicht am Ziel – das sehen wir jeden Tag. Mitunter zeigen das die Gender Pay Gap, die weiterhin hohe Gewalt gegen Frauen und der ständig präsente Sexismus. Wir stellen euch heute 11 Frauen vor, die in Hamburg viel bewegt haben oder es noch tun. Und von denen wir uns inspirieren lassen können.
1. Die Ärztin: Maria Gleiss (1865-1940)
Das Recht, studieren zu dürfen, wurde von vielen Frauen in der Neuzeit hart erkämpft. Neben wenigen Einzelfällen durften Studentinnen erst ab 1899 an Staatsprüfungen für Fächer wie Medizin oder Pharmazie teilnehmen. Eine der ersten Frauen, die ihr Staatsexamen in Humanmedizin ablegt, ist Maria Gleiss. Die Hamburgerin promoviert 1901 an der Universität Freiburg und erhält als eine von nur sechs Frauen im selben Jahr ihre Approbation. 1903 lässt sie sich als Ärztin für Frauen- und Kinderheilkunde in Hamburg nieder und ist sieben Jahre lang die einzige praktisch arbeitende Medizinerin der Stadt. Sie geht gerichtlich gegen die Ehemänner ihrer Patientinnen vor, die sie für ihre Leistungen als Frau nicht ordnungsgemäß bezahlen wollen. Sie versucht außerdem, die offizielle Gefängnisärztin der Strafanstalt Fuhlsbüttel zu werden, damit Zwangsuntersuchungen von Insassinnen nicht mehr von Männern durchgeführt werden – was aber stets abgelehnt wird. Zudem ist sie Vorsitzende im Bund Deutscher Ärztinnen, der noch heute für die Chancengleichheit von Frauen und Männern in medizinischen Berufen sowie einer geschlechtergerechten Gesundheitsforschung eintritt.
2. Die Professorin: Agathe Lasch (1879-1942)
In Berlin geboren, absolviert Agathe Lasch erst ihre Ausbildung zur Lehrerin und studiert anschließend Germanistik. Promovieren darf sie 1909 als Frau in Berlin nicht und geht deshalb nach Heidelberg. Ihre guten Leistungen bringen ihre eine Assistenzprofessur in den USA ein, wo sie bis zum Kriegsbeginn 1917 bleibt. Als erste Frau an der Universität Hamburg erhält sie 1923 eine Professur – und wird somit die erste Germanistik-Professorin Deutschlands. Als die Nationalsozialist*innen die Macht ergreifen, verliert sie als Jüdin 1934 ihren Lehrstuhl und darf schließlich nicht mehr forschen, publizieren oder gar Bibliotheken betreten. Das Antreten von Lehraufträgen an ausländischen Universitäten wird von der deutschen Regierung abgelehnt. 1943 wird sie gemeinsam mit ihren Schwestern deportiert und ermordet. Heute erinnert der nach ihr benannte Hörsaal an der Uni Hamburg an ihr Schaffen.
3. Die Herausgeberin: Marion Hedda Ilse Gräfin Dönhoff (1909-2002)
1929 macht Marion Hedda Ilse Gräfin Dönhoff als einziges Mädchen in einer Jungenklasse das Abitur, studiert anschließend Volkswirtschaftslehre und beginnt schon früh, sich gegen die Nazis zu stellen. Als Cousine von Heinrich Lehndorff ist sie als Vertraute indirekt an dem Anschlag auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944 beteiligt und wird dafür von der Gestapo verhört. Später sagt sie über sich selbst im Widerstand: "Was habe ich schon gemacht? Doch nur das, was jeder vernünftige Mensch in einer solchen Situation tut." Ihre Haltung fällt auf – und zwar in Hamburg, wo eine Gruppe gerade die Erlaubnis erhalten hat, eine Zeitung zu gründen. Sie bitten Marion Dönhoff, sich an dem Projekt zu beteiligen und so wird sie Mitherausgeberin der ZEIT. Sie ist im Laufe ihres Lebens maßgeblich am liberalen Kurs des Wochenblatts verantwortlich und wird eine enge Freundin von Helmut Schmidt. Nebenberuflich setzt sie sich für einen humanen Strafvollzug sowie die Wiedereingliederung von Entlassenen ein und ist Mitglied bei Zonta International, einem Verein, der sich für die Gleichstellung von Frauen einsetzt.
4. Die Mutter der Nation: Inge Meysel (1910-2004)
Mit drei Jahren steht Inge Meysel das erste Mal auf der Bühne – später wird sie als "Mutter der Nation" zum Fernsehstar. Ihre Hamburger Karriere beginnt nach dem Krieg 1945 am Thalia Theater, in den 60ern startet sie dann auch mit TV-Auftritten. Ihren Beinamen bringt ihr die Rolle der emanzipierten Käthe ein, die sie in der jährlich am Muttertag ausgespielten Fernsehreihe "Die Unverbesserlichen" spielt. Es folgen Jahre der gefeierten Erfolge auf der Theaterbühne, auch im Fernsehen. Noch mit 92 Jahren und unter Demenz leidend, spielt sie beim Polizeiruf 110 mit. Abseits ihrer Arbeit engagiert sich Inge Meysel zeitlebens sozialpolitisch. Sie spricht sich gegen die Todesstrafe und für eine Abschaffung des Abtreibungsgesetzes §218 aus, 1978 klagt sie gemeinsam mit Alice Schwarzer und weiteren Frauen gegen sexualisierte Titelbilder des Stern-Magazins. Sie setzt sich außerdem für den Kampf gegen HIV und AIDS ein und erzählt selbst von ihren gleichgeschlechtlichen Erfahrungen. Das Bundesverdienstkreuz lehnt sie 1981 mit der Begründung ab, dass man keinen Orden verdient hätte, wenn man "sein Leben ordentlich gelebt" hätte.
5. Die Streetworkerin: Domenica Niehoff (1945-2009)
Das Hamburger Rotlichtviertel ist seit Jahrhunderten bekannt – hier arbeiten Hunderte von Sexarbeiter*innen. Eine von ihnen war Domenica Niehoff, die in schwierigen sozialen Verhältnissen aufwächst und auf St. Pauli als Prostituierte arbeitet, unter anderem für ihren Lebensgefährten, der Wirt in der kultigen Ritze ist. Dabei muss sie wie viele andere Frauen große Teile des Gewinns abgeben und kann nicht selbst über ihre Freier entscheiden. 1980 macht sie sich schließlich selbstständig und ist bis 1990 erfolgreich – wenn sie auch die Arbeit nur mit Alkohol und Drogen erträgt. Viele Hamburger Prominente scharen sich um sie, sie wird zur Muse einiger Künstler*innen. Im Laufe der Zeit macht sie sich immer wieder stark für die Anerkennung des Berufs der Sexarbeiterin, setzt sich für die Legalisierung von Prostitution ein und tritt dafür mehrfach im Fernsehen auf. Nach 1990 arbeitet sie schließlich als Streetworkerin, gründet mit anderen zusammen einen Verein für Prostituierten-Hilfe und betreut drogensüchtige Frauen und Mädchen. Nachgesagt wird ihr ein großes Herz – aufgrund dessen sie ihre soziale Arbeit nach einigen Jahren aufgibt, zu schwer machen ihr die Schicksale zu schaffen.
6. Die Sozialpolitikerin: Meryem Çelikkol (1969-2021)
Eine Frau, die Hamburgs Politik bis zu ihrem überraschenden Tod im vergangenen Jahr ordentlich aufgemischt hat, ist Meryem Çelikkol. Wenn auch nicht immer ohne Kritik, beispielsweise bei der Debatte um die 2019 kursierenden Islamismusvorwürfe bei den Grünen, die schließlich Çelikkols Weggang aus der Partei zur Folge hat. Zuletzt ist sie der Hamburger SPD zugehörig und Präsidentin der Bezirksversammlung Mitte. Unweit von ihrem letzten Arbeitsplatz ist die Frau mit der Hornbrille auch aufgewachsen – nämlich passenderweise in Horn. Beliebt war sie nicht nur in den Reihen der Sozialdemokrat*innen, auch ihr Wahlkreis schätzt sie für ihr Engagement in Sektoren wie Migration und Integration, wie man bis heute auf ihrer Website lesen kann: "Der Bezirk Hamburg-Mitte ist mit dem höchsten Anteil an Menschen mit Zuwanderungsgeschichte sehr bunt." Außerdem hat sie sich für Reformen beim Einwanderungsgesetz eingesetzt und besonders versucht, zugewanderten Frauen, die Integration in unsere Kultur zu vereinfachen und sie einen gleichberechtigten Teil unserer Gesellschaft werden zu lassen. 2021 verstarb sie ganz plötzlich.
7. Die Queen vom Kiez: Olivia Jones (*1969)
Wer den Hamburger Kiez kennt, kann Olivia Jones und ihren kultigen Touren kaum übersehen. Für uns klar, dass wir die in Hannover geborene, mit fast zwei Metern Körpergröße (ohne High Heels!) recht hochgewachsene gute Seele der Reeperbahn mit auf unsere Liste nehmen, denn besonders in Sachen Inklusion von Menschen, die sich der LGBTQI+-Szene angehörig fühlen, hat Olivia Jones wahre Wunder vollbracht. Dabei startet ihr Erfolg international und zwar in Miami. Dort wird sie im Jahr 1997 in den USA zur Drag Queen of the Year gewählt – ihre Wurzeln hat sie dennoch nicht vergessen und deswegen kennen wir RTLs Dschungelkönigin hierzulande mittlerweile als Queen der Kieztouren, bei denen sie Menschen aus ganz Deutschland gemeinsam mit ihren genauso bunten Freund*innen durch die sexy Straßen der Stadt führt und damit auch immer einen kulturellen Diskurs fördert und damit fast täglich für mehr Verständnis für Arbeiter*innen der Sexbranche, Schwule, Lesben, Transvestiten, Dragqueens und -Kings u.v.m. sorgt. Dabei hat auch sie früh Fremdenfeindlichkeit erfahren, denn dass sie auf Männer steht und sich gern wie eine Frau stylt, war ihr in jungen Jahren bereits bewusst, wie sie in ihrer während der Corona-Zeit entstandener Biografie Ungeschminkt beschreibt. "Eigentlich war es aufgrund meiner Optik jedes Mal mutig, wenn ich nur auf die Straße gegangen bin", sagt sie darin. Das Schöne ist, dass sie heute nicht mehr auf die Straßen St. Paulis gehen kann, ohne dass sie ein Kioskbesitzer oder eine Taxifahrerin freundlich grüßt.
8. Die Fußballerin: Katja Kraus (*1970)
Fußball gehört einfach zu Hamburg und auch wenn Katja Kraus weder in der Hansestadt geboren wurde, noch aktuell hier wohnt, konnten wir gar nicht anders, als eine so bahnbrechende Sportlerin, Geschäftsfrau, Autorin und Aktivistin in unsere Liste aufzunehmen. Begonnen hat ihre Karriere bereits mit zarten 16 Jahren. So früh bestritt das Ausnahmetalent ihr erstes Bundesligaspiel. Geführt hat ihr Talent als Torhüterin sie bis in die deutsche Nationalmannschaft, für die sie sich bis heute einsetzt und beispielsweise für gleichwertige Vergütung im Frauensport und gegen Sexismus kämpft. Später wird sie als erste Frau in den Vorstand eines Bundesliga-Vereins beim Hamburger SV berufen und wird lange Zeit als wichtigste Frau im Verein betitelt. Mehr geht kaum, oder? Oh doch, denn nach dem Verfassen einiger Bestseller und der Gründung eines Werbeunternehmens ist Kraus heutzutage vor allem als Beraterin für Frauen in der Politik tätig – ein Zweig ihres Werdegangs, der ihr besonders am Herzen liegt. So sagt sie in einem Podcast des Hamburger Abendblatts einmal folgenden so schönen Satz: "Ich glaube fest an die Notwendigkeit von mehr Frauen in Entscheidungspositionen in Anbetracht der komplexen Herausforderungen dieser Zeit. Und der Veränderung der Arbeitswelt. Und ich glaube an den Gewinn durch Unterschiedlichkeit."
9. Die Infektiologin: Marylyn Martina Addo (*1970)
Wusstet ihr, dass eine der führenden Forscherinnen in Sachen Corona-Virus im UKE sitzt? Ja, Marylyn Addo ist seit 2013 Oberärztin und Professorin für Emerging Infections am Deutschen Zentrum für Infektionsforschung und seit 2015 Leiterin der Sektion Infektiologie im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Dabei war ein Schwerpunkt ihrer Forschung die Entwicklung eines Impfstoffs gegen Ebola, an der Bekämpfung des MERS-Virus war sie ebenfalls beteiligt. Dreimal dürft ihr raten, ob Addo auch etwas mit dem Corona-Virus zu tun hat… Ach so, zwei Kinder und etliche Auszeichnungen hat sie auch noch, darunter den 2020 ausgehändigten Medical Woman of the Year Award 2020.
10. Die Tagesschausprecherin: Linda Zervakis (*1975)
An Linda Zervakis, die 1975 in Hamburg geboren wurde, kommt man in der deutschen Medienlandschaft kaum vorbei. 2013 wird sie Tagesschausprecherin in der Hauptausgabe um 20 Uhr – und ist damit die erste Sprecher*in mit Migrationshintergrund. 2021 wechselt sie zu ProSieben, wo sie im selben Jahr das dritte Triell zur Bundestagswahl moderiert. Neben der Moderation hostet die Deutsch-Griechin unter anderem den Podcast Gute Deutsche, in dem sie mit dem Begriff Migrationshintergrund aufräumt und klarmacht, dass man nicht in Deutschland geboren sein muss, um das Land als seine Heimat zu bezeichnen. Bei dem Integrationsprojekt Step by Step, das Schüler*innen in Hamburg unterstützt, ist sie Schirmherrin.
11. Die Zweite Bürgermeisterin: Katharina Fegebank (*1977)
Hallo, Frau Bürgermeisterin! Hach, wie schön es doch wäre, könnten wir diesen Satz irgendwann in unserer Hansestadt mal aussprechen. Bis es so weit ist (und das wird es sicherlich!), schauen wir stolz in Richtung Rathaus, wenn wir daran denken, dass Katharina Fegebank Hamburgs Zweite Bürgermeisterin ist. Die Politikerin der Partei Bündnis 90/Die Grünen hält diese Position bereits seit 2015 und hat große Ambitionen, es ganz nach oben zu schaffen. Da kann sich der Tschentscher bald warm anziehen… So ist sie 2020 die alleinige Spitzenkandidatin der Grünen und strebt als erste Politikerin ihrer Partei offiziell das Amt der Ersten Bürgermeisterin an. Ganz nach dem Beispiel Angela Merkels ist sie für viele junge Frauen der Hansestadt Vorbild, eine Karriere in der Politik anzustreben.