Moin Johanna Klug – Wieso müssen wir keine Angst vor dem Tod haben?

Hamburg ist eine der schönsten Städte auf der Welt und hat einfach das gewisse Extra. Und nein, damit meinen wir nicht nur den reichhaltigen Niederschlag. Aber was macht Hamburg eigentlich so besonders? Natürlich die Menschen, die hier leben. Genau die wollen wir näher kennenlernen. Deshalb treffen wir uns als Redaktion mit Hamburger*innen und sprechen mit ihnen über unsere Hansestadt, ihren Alltag und ihre Wünsche und Ziele im Leben.

Jeden Tag mit dem Tod konfrontiert: Johanna ist Sterbebegleiterin

Sie beschäftigt sich also tagtäglich mit einem Thema, bei dem sich viele von uns lieber die Augen und Ohren zuhalten und mit dem sich eher ungern auseinandergesetzt wird – dem Tod. Und das, obwohl wir alle irgendwann im Leben mit ihm konfrontiert werden, manche früher, manche später. Der Tod kann sehr weh tun, er kann uns schmerzlich bewusst machen, dass nichts für immer ist und wir uns alle eines Tages auf diese letzte Reise begeben werden.

Dass diese Reise aber nicht nur Trauer und Verlust bedeuten muss, verstehen wir im Gespräch mit Johanna. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, woher ihr Interesse am Tod kommt, was sie eigentlich von Sterbehilfe hält und wieso wir alle etwas weniger Angst vor dem Tod haben sollten.

Für mich ist es einfach so, dass zum Leben und zur Freiheit auch das Ende des Lebens dazugehört.
© Hendrik Nix

Wieso interessierst du dich für den Tod, oder wie hat das angefangen – das tiefere Interesse an dem Thema?

Das Thema hat mich schon immer fasziniert, besonders präsent geworden ist es dann, als ich mit 16 Jahren im Altenheim gearbeitet habe und viel damit konfrontiert wurde. Als ich dann während meinem Studium an der HAW in Hamburg im Auslandssemester war, kam mir der Gedanke, dass ich alle Freiheiten der Welt habe, mir alles offen steht und ich erwachsen bin. Und der erste Gedankenblitz dazu war, genau weil ich all diese Freiheiten habe, möchte ich Sterbende begleiten.

Es ist für mich einfach so, dass zum Leben und zu dieser Freiheit auch das Ende des Lebens dazugehört. Und seitdem hat mich das nicht mehr losgelassen, ich habe einfach gemerkt: Das ist mein Lebensthema. Das ist es ja eigentlich für alle, aber es gibt eben Menschen, die sich mehr oder weniger damit auseinandersetzen.

Du begleitest Menschen beim Sterben. Wie genau können wir uns deine Arbeit vorstellen?

Ich habe das schon immer ehrenamtlich gemacht, also ich verdiene mit dieser Arbeit kein Geld. Normalerweise lässt man sich ausbilden, macht einen Befähigungskurs und konfrontiert sich erstmal selbst mit seiner eigenen Sterblichkeit. Man bekommt in diesen Kursen viel Input mit an die Hand gegeben, eine ausgewogene Mischung aus Wissen und Praxiserfahrungen. Und dann geht man ins Hospiz, auf eine Palliativstation oder auch ins Altenheim – eben überall dort hin, wo das Thema Tod präsent ist.

Ich war immer viel auf Palliativstationen, ganz am Anfang habe ich mich mit der Sozialarbeiterin vor Ort zusammengetan und wir haben zum Beispiel Plätzchen gebacken in der Weihnachtszeit, Würstchen gegrillt im Sommer oder ich habe Blumen für die Patient*innen mitgebracht. Das waren so meine Gesprächsaufhänger, denn ich wollte nicht als klassische Sterbebegleiterin auftauchen, die sich ans Bett setzt und sagt: "So, jetzt reden wir mal." Aber mit einem Keks oder einer Blume hatte ich immer einen guten Aufhänger den Menschen zu begegnen. Daraus hat sich dann, oft auch gemeinsam mit Familienangehörigen, etwas entwickelt. Manchmal gingen die Begleitungen länger, manchmal blieb es auch bei einer einmaligen Sache.

Das bedeutet also, du bist nicht nur für eine Person zuständig, sondern fokussierst dich auf die Begleitung mehrerer Menschen?

Das ist tatsächlich unterschiedlich. Auf der Palliativstation war ich Ansprechpartnerin für alle Menschen. Manchmal bin ich eine Stunde oder auch nur zehn Minuten bei einer Person geblieben. Es gibt aber auch die Möglichkeit, wenn man zum Beispiel bei einem Hospizverein oder dem Caritas arbeitet, eine Einzelbegleitung zu bekommen. Das bedeutet, dass dir eine Person fest zugeordnet wird. Ich habe parallel zur Arbeit auf der Palliativstation ein kleines Mädchen in ihrer Familie begleitet, die vor einem Jahr ihre große Schwester an Krebs verloren hat. Da war ich dann wirklich nur für das Mädchen da, als Trauerbegleiterin aber eher. Wir haben uns dann einmal die Woche gesehen und das gemacht, was eben ihr Bedürfnis war.

Ich finde es wichtig, sich früher als später mit dem Tod auseinanderzusetzen, weil einem dann die Konfrontation mit dem Thema nicht so sehr den Boden unter den Füßen wegzieht.

Wir sprechen jetzt die ganze Zeit von Sterbebegleitung. Dann gibt es da ja aber auch noch die Sterbehilfe, die gesellschaftlich viel diskutiert wird. Was hältst du davon? Sollten Menschen sterben dürfen, die das, oft aus medizinischen Gründen, möchten?

Es ist einfach ultra komplex. Es geht hier ja viel um Autonomie, auch selbstbestimmt bis ans Ende des Lebens entscheiden zu können. Ich finde es ist nunmal mein Leben, also sollte es auch mein Sterben sein – kein Mensch darf sich da über einen anderen stellen, auch nicht der Staat kann entscheiden, ob das Leben für eine*n Einzelne*n lebenswert ist oder nicht. Aber trotzdem muss man in Kontakt mit den Menschen sein und wieder schauen, welches Bedürfnis hinter diesem Wunsch steckt. Ist es ein Hilfeschrei, weil dieser Mensch einsam ist oder sich im Stich gelassen fühlt, oder basiert der Wunsch auf einer schlimmen Erkrankung und dem damit verbundenen Leid.

Und diese Regelung zum assistierten Suizid muss gut geplant und gut durchdacht sein. Sie wird aber dadurch, dass Paragraph 217 letztes Jahr für nichtig erklärt wurde, auch praktizierbar. Das finde ich wichtig, denn wir dürfen nicht vergessen, dass es immer Suizide geben wird und ein Suizid betrifft im Schnitt noch sechs bis acht weitere Menschen im Umfeld. Dann ist immer die Schuldfrage sehr groß, die bei den Hinterbliebenen zurückbleibt. Wenn Menschen aber den assistierten Suizid wählen, dann kann der Verarbeitungsprozess ganz anders einsetzen. Es ist und bleibt aber auch einfach eine sehr individuelle Sache und auch der Standpunkt der Menschen dazu, kann sich im Laufe des Lebens ändern.

Oft komme ich ins Stutzen, weil mir gesagt wird "Du machst ja Sterbehilfe". Aber das stimmt nicht – ich begleite die Menschen nur beim Sterben. Da merke ich: Da ist noch sehr viel Unwissen und zu wenig Aufklärung da. Viele wissen zum Beispiel auch gar nicht, was auf einer Palliativstation passiert oder was die Abgrenzung zu einem Hospiz ist. Sterbebegleitung und Sterbehilfe werden oft über einen Kamm geschoren und es ist aber definitiv nicht das Gleiche.

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Einiges von dem, über was wir gesprochen haben, resultiert darin, dass viele Menschen Angst vor dem Tod haben und auch davor, sich damit auseinanderzusetzen: Wieso sollten wir offener dem Tod gegenüber sein? Und was hilft, die Angst etwas zu lösen?

Ich glaube, die Angst ist ein Zeichen dafür, dass unser Leben einfach endlich ist. Wenn wir uns permanent bewusst darüber sind, dass wir irgendwann sterben, dann könnten wir glaube ich gar nicht existieren. Aber hinter dieser Angst stecken oft ganz andere Bedürfnisse oder Erfahrungen und deshalb muss man erstmal schauen, woher diese Angst kommt. Ist es die Angst qualvoll zu sterben oder ist es Angst, weil ich selbst schon wichtige Menschen verloren habe?

Ich finde es ist völlig in Ordnung Angst zu haben, aber wir können ja gemeinsam darüber reden. Wenn ich alleine Angst habe, kann ich mich in einen Teufelskreis verrennen und mich fertig machen. Wenn ich dem Thema aber Raum gebe, gemeinsam mit Personen, die mich tragen und stützen, dann kann das die Angst zwar nicht wegzaubern, aber in etwas anderes transformieren. Und deswegen finde ich, es ist wahnsinnig wichtig darüber zu sprechen. Ich finde es wichtig, sich früher als später mit dem Tod auseinanderzusetzen, weil einem dann die Konfrontation mit dem Thema nicht so sehr den Boden unter den Füßen wegzieht.

Wer Lust hat, mehr über Johanna und ihre wichtige Aufgabe zu erfahren, kann gerne mal auf ihrer Website oder auf Instagram vorbeischauen. Außerdem hat Johanna in diesem Jahr ein Buch veröffentlicht, in dem sie über den Job der Sterbebegleiterin spricht und ihre Erfahrungen mit uns teilt. Danke, für das tolle und wichtige Gespräch!

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