"Ich bin ja kein Nazi, aber..." – wie ihr in Gesprächen auf Alltagsrassismus reagiert
"Ich bin ja kein Nazi, aber..." – habt ihr diesen Satz schon einmal gehört? Nach dieser leidigen Aussage folgt meist eine gefühlte Wahrheit derer, die sie von sich geben. Oft sind es allerdings Unwahrheiten, Parolen oder Sprüche, die bestimmte Gruppierungen verbreiten – und dann einfach übernommen werden, zum Beispiel von Familienmitgliedern oder Freund*innen. Es kommt vor, dass man sich zwar über diese Aussagen ärgert, aber nicht wirklich weiß, wie man schlagfertig kontert. Damit ihr beim nächsten Mal wisst, wie ihr reagieren könnt, haben wir für euch einen kleinen Deepdive gemacht und Fakten gesammelt, mit denen ihr sichere Argumente an der Hand habt.
Jemand sagt:
Ausländer sind kriminell.
Wenn Eingewanderte, ihre (direkten) Nachkommen oder geflüchtete Menschen schwere Straftaten begehen, werden drastische Einzelfälle in der öffentlichen Wahrnehmung meist stark in den Fokus gerückt. Das löst bei einigen Menschen Emotionen aus und Ängste werden geschürt.
Gegenargumentation:
- Fakt ist: Der Ausländeranteil an allen Tatverdächtigen bei Diebstahls- und Gewaltdelikten im Jahr 2019 lag bei 38 Prozent.
- Fakt ist: Im Jahr 2020 betrug der Anteil nicht-deutscher Tatverdächtiger bei Straftaten in Deutschland 33,7 Prozent. Dies ist der geringste Anteil seit dem Jahr 2014.
- Wichtig zu beachten ist außerdem, dass es bei der Statistik "nur" um Tatverdächtige geht. Diese Statistik gibt also keine Auskunft, wie viel Prozent der „Nichtdeutschen“ nach einem rechtsstaatlichen Verfahren tatsächlich einer Straftat überführt werden.
- Als ausländisch wahrgenommene Personen werden eher und häufiger kontrolliert und verdächtigt als deutsch wahrgenommene Personen und stehen zudem häufiger unter falschem Tatverdacht.
- Gegen einen Großteil (ca. 35 Prozent) der Tatverdächtigen wird wegen des Verstoßes gegen das Ausländer- oder das Asylgesetz ermittelt. Die zur Last gelegten Straftaten haben ihren Ursprung in den Einwanderungs- bzw. Asylgesetzen. Es kann also nicht mit der deutschen Bevölkerung verglichen werden, da diese derartige Delikte nicht begehen können.
- Aus unterschiedlichen Gründen leben Ausländer*innen häufiger in schwierigen sozialen Verhältnissen. Deutsche, die in vergleichbaren Verhältnissen leben, neigen ebenfalls stärker zu kriminellem Verhalten.
Jemand sagt:
Wieso bekommen Asylbewerber*innen mehr Geld als Deutsche?
Der Trugschluss: asylsuchende Menschen bekommen monatlich mehr Geld vom Staat zur Verfügung gestellt, als Menschen, die Hartz IV beziehen. Dabei haben geflüchtete Menschen in Deutschland grundsätzlich nur Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Für viele Menschen entsteht jedoch schnell das Gefühl von Ungerechtigkeit, wenn in einer Stadt zum Beispiel in Flüchtlingsunterkünfte investiert wird. Dabei wird impliziert, dass man das Geld auch an anderer Stelle verwenden könnte – zum Beispiel für sozialschwache deutsche Bürger*innen.
Gegenargumentation:
- Fakt ist: Eine alleinstehende erwachsene Person bekommt nach dem AsylbLG seit dem 1. Januar 2021 monatlich 364 Euro. Das sind knapp 100 Euro weniger als jemand, der Hartz IV empfängt.
- Fakt ist: Anerkannte geflüchtete Menschen haben bei Bedürftigkeit die gleichen Sozialleistungsansprüche wie deutsche Staatsangehörige
- Das eigentliche Problem, was hinter dieser Thematik steckt, ist die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich: Die reichsten 10 Prozent der Haushalte besitzen weit über die Hälfte des gesamten Nettovermögens in Deutschland, die untere Hälfte verfügt nur über 1 Prozent.
Jemand sagt:
Wenn man sich in der Stadt so umschaut, sieht man nur noch Ausländer*innen – das deutsche Volk wird überfremdet.
Mit dem Begriff der "Überfremdung" drücken die Menschen, die ihn verwenden, ihre Abwehrhaltung gegenüber Menschen mit Migrationsgeschichte aus. Dahinter steht deren Vorstellung, dass diese eingewanderten Menschen die "deutsche Kultur" gefährden. Das ist völlig unbegründet, denn eine "deutsche Kultur" gibt es überhaupt nicht.
Gegenargumentation:
- Fakt ist: Im Jahr 2020 betrug der Anteil an Menschen mit nicht deutschem Pass in Deutschland 12,7 Prozent. Da kann man wohl kaum von einer "Überfremdung" sprechen.
- All diese Menschen tragen zum Erhalt und Ausbau des gesamten sozialen und kulturellen Lebens in Deutschland bei und zahlen ebenso Steuern wie alle anderen auch.
- Jede Gesellschaft entwickelt sich durch unterschiedliche Einflüsse – schon immer. Früher hatten die Menschen in Nord- und Süddeutschland wohl auch sehr wenig miteinander zu tun und heute fühlt sich kein*e Münchner*in dadurch "überfremdet", dass mehrere Menschen aus Kiel nach Bayern ziehen.
- Beginnend mit der Menschheitsgeschichte müsste man sagen: Eigentlich sind wir alle Afrikaner*innen, denn menschliche Knochenfunde aus Äthiopien und Kenia weisen darauf hin, dass die Menschen einst von dort ausgehend die Erde besiedelten.
Jemand sagt:
N****kuss wird man ja wohl noch sagen dürfen. Das meine ich ja nicht böse.
Im Jahr 2019 entschied in Deutschland ein Gericht, dass das N-Wort unter Umständen in deutschen Parlamenten verwendet werden dürfe. Viele schwarze Aktivist*innen und BIPOC setzen sich seit Jahren dafür ein, dass dieser Begriff niemals irgendwo verwendet werden darf, denn er ist rassistisch. Ohne Ausnahme und immer. Kennt ihr Charlotte Nzimiro? Sie hat aufgrund dieser gerichtlichen Entscheidung eine Petition gestartet, um das N-Wort in den Parlamenten verbieten zu lassen, denn dieser Begriff ist immer abwertend, egal ob im Parlament oder im persönlichen Gespräch.
Gegenargumentation:
- Fakt ist: Das N-Wort ist kein neutrales Wort, es ist ein weißes Konzept – ein Begriff, der zu einer kolonialen Ordnung gehört.
- Fakt ist: Das N-Wort ist in der Geschichte der Versklavung und Kolonisierung situiert, das heißt es ist ein Begriff, welcher mit Brutalität, Verwundung und Schmerz einhergeht.
Jemand sagt:
Ausländer nehmen uns die Arbeit weg.
First of all: Wenn dieser Satz ausgesprochen wird, kann man ihn meist mit einer Frage revidieren: Wen meint die Person, die ihn ausgesprochen hat, denn mit "Ausländer"? Einen ITler aus China, eine Altenpflegerin aus Rumänien, einen Restaurantbesitzer aus der Türkei oder doch den Vorstandsvorsitzenden aus den USA?
Gegenargumentation:
- Fakt ist: Asylsuchende und geduldete Personen dürfen in Deutschland die ersten drei Monate nicht arbeiten. Auch danach sind ihre Chancen eher schlecht, denn in den ersten 15 Monaten gibt es andere sogenannte „bevorrechtigte Arbeitnehmer“. Das sind Deutsche, aber auch EU-Ausländer*innen oder bereits anerkannte Geflüchtete.
- Menschen aus dem Ausland schaffen in Deutschland Arbeitsplätze und stärken die Kaufkraft.
- Der Ausländeranteil hat sich in der Altenpflege zwischen März 2013 und März 2019 von 6,6 Prozent auf fast 15 Prozent verdoppelt – in der Statistik tauchen nur die sozialversicherungspflichtigen Mitarbeiter*innen auf. Ohne diese Menschen wäre das System der Altenpflege in Deutschland zusammengebrochen.
- In den Regionen, in denen am wenigsten Ausländer*innen wohnen, ist die Arbeitslosenquote am höchsten. In Baden-Württemberg oder Bayern leben besonders viele „Nichtdeutsche“. Dort gibt es die niedrigste Arbeitslosigkeit.
Quellen:
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