Kleine, geile Firma: Habibi stickt gegen Vorurteile
„Habibi“ bedeutet auf Arabisch Liebling oder Freund. Und so heißt auch das neue Hamburger Modelabel, das personalisierbare Kapuzenpullis, T-Shirts und Accessoires mit arabischen Schriftzeichen herstellt. Imad und Jessy sind die kreativen Köpfe hinter dem Label – wir haben sie im Haus 73 getroffen, um mit ihnen über das Habibi-Manifest, Pullis als Eisbrecher und subtile Vorbehalte zu sprechen.
Hey Habibis! Ist es eigentlich okay, euch so zu nennen?
Imad: Na klar, das kannst du eigentlich zu jedem sagen. Wenn man mit Leuten schnackt, fällt das Wort ziemlich oft. Es ist also neutral, du kannst habibi von Mann zu Mann und von Frau zu Frau benutzen. Mein Frisör nennt mich zum Beispiel auch habibi.
Was ist das Ziel von Habibi?
Jessy: Wir kommen beide aus der Art Direction und wollen mit habibi die arabische Schrift durch Fashion, Kunst und Design in die Popkultur bringen und entpolitisieren. Das meinen wir in unserem Manifest, wenn wir sagen, wir wollen die Message verbreiten. Ich kann persönlich noch kein Arabisch lesen und wenn man sonst nicht mit der Schrift in Berührung kommt, sind da schnell Vorurteile. Aber dahinter steckt eine ganz eigene Kultur...
Imad: Habibi ist ein schönes Wort, viele denken aber, wenn sie die Schrift sehen: Ich habe Angst. Arabische Schrift wird oft als gefährlich wahrgenommen, vor allem durch die mediale Berichterstattung hat sich dieses Gefühl verfestigt. Wir wollen das durchbrechen.
Wie sind die Reaktionen auf eure Hoodies?
Jessy: Ich habe schon viele schöne aber auch kontroverse Situationen erlebt. Oft sehen wir, dass unsere Pieces wie ein Eisbrecher funktionieren und auch fremde Leute nachfragen: Was heißt denn das da auf deinem T-Shirt? Daraus resultiert meist ein Gespräch und man kann sich über persönliche Geschichten und Erfahrungen austauschen. Wir haben auch mal eine Message von jemandem bekommen, der seit seit sechs Jahren an einem Ort wohnt und nie mit seinem Nachbarn geredet hat. Letztens hat dieser ihn auf den Pulli angesprochen, weil er Arabisch lesen kann. Und jetzt grillen sie regelmäßig zusammen.
Imad: Wirklich viele schreiben uns, wie oft sie darauf angesprochen werden – oft ist die Reaktion auch kritisch: Warum ziehst du das an? Du siehst aus wie ein Extremist! Das Gute ist, die Wenigsten ziehen einen Hoodie mit Schriftzeichen auf der Brust an, wenn sie die Botschaft nicht kennen. Viele sind richtig stolz, sie unterstützen also unser Anliegen und suchen in solchen Situationen bewusst das Gespräch.
Oft sehen wir, dass unsere Pieces wie ein Eisbrecher funktionieren.
Imad, deine Eltern kommen aus dem Libanon, du bist hier groß geworden. Wie oft bist du mit Vorbehalten konfrontiert?
Imad: Einmal bin ich hier in der Schanze rumgelaufen und da kam mir wirklich so ein Typ entgegen, der gesagt hat: Ey du scheiß Türke, geh raus aus meinem Land. Ich habe mich gefragt, wie das gerade hier in der Schanze passieren kann. Aber das ist selten der Fall, meist sind es eher subtile Vorurteile. Es gibt einfach Blicke, die man bemerkt – ich finde es schade, dass dann schnell das Weite gesucht wird.
Wie seid ihr überhaupt auf die Idee gekommen?
Imad: Als der Betrieb meiner Familie vor ein paar Jahren eine neue Stickmaschine bekommen hat, wollte ich ein bisschen rumprobieren. Vermutlich gerade, weil ich nicht arabisch lesen oder schreiben kann, finde ich die Schrift super interessant. Sonst wäre mir bestimmt die Frage gekommen: Warum sollte ich „Freund“ auf einen Pulli schreiben? Ich sehe aber vor allem die Ästhetik in der Schrift. Und ich habe damals meinem besten Kumpel ein T-Shirt mit Habibi geschenkt. Die Reaktionen darauf waren besorgt bis extrem... ob denn alles okay bei ihm sei, ob er jetzt konvertiert wäre oder falsche Freunde habe. Dann kam mir die Idee, Habibi als Projekt zu starten, um solche Vorurteile aufzudecken und zu klären.
Erzähl doch nochmal mehr über die arabische Schrift...
Imad: Grundsätzlich wird sie von rechts nach links geschrieben und das Schöne ist, man kann mit der Kalligrafie im Arabischen ganz frei spielen – das ist eine Kunst für sich. Bei dem Wort Habibi hat man ganz verrückte Gestaltungsmöglichkeiten. Die arabische Schrift ist ja in jedem arabischen Land gleich, nur die Sprache hat unterschiedliche Dialekte. Aber Habibi ist ein Ausnahmefall. Es ist immer das gleiche Wort und hat keinen Akzent.
Wer steckt noch hinter habibi?
Imad: Meine Familie hat eine Werbetechnikfirma und dort haben wir die komplette Produktion und unsere drei Stickmaschinen Ivar, Mahmud und Sticky M – quasi unsere „Maschinenmitarbeiter“. Dann haben wir natürlich auch ein Produktionsteam, mein Bruder Alaa ist der Produktionsleiter, jongliert mit Zahlen und Rechtsangelegenheiten, während meine Schwester Nadya die Buchhaltung macht und Viola die Stickmaschinen steuert.
Woher bekommt ihr die Hoodies und wie nachhaltig sind sie?
Jessy: Die kommen von einem Produktlieferanten aus Kanada. Wir versuchen aktuell schon so nachhaltig zu sein, wie wir können und haben nichts, was in den Müll kommt oder verbrannt wird. Aber da wollen wir uns Stück für Stück weiterentwickeln.
Vielen Dank für das Gespräch, habibis!