Singlelicious: Vom Märchen zum Ghosting

© Franzi simon

Zu Schulzeiten dachte ich: Wenn du in deinen Zwanzigern steckst, dann bist du erwachsen. Eigene Wohnung, geregelter Alltag und ein Freund, als potenziellen Ehemann. Pustekuchen. Aber auch halb so wild. Lieber stolpere ich mit meiner Freundin in der rechten Hand und einem Glas Prosecco in der linken durchs Singledasein. Wer meine Wege kreuzt und welche Geschichten mein Leben schreibt erzähle ich euch in meiner Kolumne „Singlelicious“.

Folge 4: Wenn dein Traumprinz zum Geist wird

Ab und an kommt der Moment, in dem man der Wahrheit – egal wie unverständlich und schwer zu akzeptieren sie ist – ins Auge gucken muss und akzeptieren muss, dass es so ist, wie es ist. Besonders schwer ist es, sie beim Ghosting zu akzeptieren.

"Unter dem Begriff  "Ghosting" versteht man in einer Partnerschaft einen vollständigen Kontakt- und Kommunikationsabbruch ohne Ankündigung. Obwohl vorher Dates stattgefunden haben oder eine Beziehung bestand, laufen plötzlich jegliche Kontaktversuche ins Leere."

…das ist die zumindest die Definition von Google. Wer schon mal geghostet wurde, weiß, dass hinter der trockenen Erklärung großer Schmerz stecken kann. Und dass man mit tausenden Fragezeichen zurückgelassen wird: Lag es an mir? Warum macht er das? Fand er doch alles nicht so cool? In was hab ich mich da verrannt?

Vor allem sind es die immer gleichen Ausflüchte, mit denen man sich die Situation versucht schmackhafter zu machen: Der hat nur vergessen zu antworten. Vielleicht schreib ich nochmal sowas supercooles wie "Lebst du noch?" morgens um acht. Deine Freunde*innen versichern dir, das wird schon wieder.

Spoiler: Habt ihr nicht komplett den Respekt vor euch selbst verloren, dann wird das nicht wieder.

Please don't put your life in the hands of a Rock n Roll band

Mädchen mit Schwächen für Bad Boys wissen: Immer schön auf Oasis hören, die wussten 1996 schon "But please don't put your life in the hands / Of a Rock n Roll band / Who'll throw it all away".

Trotz Liams und Noels Weitsicht, geschah es zu einer fernen Zeit, in einem fernen Land, dass ich mein Herz an eine Rock n' Roll Band verschenkte – oder so was in der Art.

Nach unserem ersten, zufälligen Zusammentreffen herrschte einige Monate komplette Funkstille. Meine Freundinnen, denen ich anfangs noch mit meiner Gefühlsduselei die Ohren wund schnatterte, rümpften nur die Nase, als sie seinen Namen erfuhren. Ich kam mir selbst albern vor, dachte ich müsse mich mal in Griff kriegen und mich auf das konzentrieren was wirklich ist – ich war ja wohl nicht mehr ganz bei Trost.

Trotzdem: Irgendwie hatte er mich mit einem Fluch belegt, der über mir schwebte – egal was ich tat.

Es kommt immer dann, wenn du gar nicht mehr damit rechnest

Ich hatte unsere Geschichte schon zu den Akten gelegt, als mein Facebook-Messenger aufploppte, mit einer Einladung zu seiner – sagen wir – Vernissage und ich mich bei vergangenen sommerlichen Temperaturen in das ferne Land begab. Ich war also mit meinen Freunden auf den Weg zu seiner Veranstaltung, als ich beim Dönermann in ihn reinrannte. Und da war es wieder, dieses BOOM-Gefühl. Wir haben uns angeschaut und waren auf einmal beide gar nicht mehr so cool. Zumindest war nach dem Abend schon mal eins klar: Scheiße, da ist irgendwas. Was, wusste irgendwie keiner so richtig.

Trotzdem: Mit einmal ging alles ganz fix und es wurde die ein oder andere Prinz-Pi-Video-Geschichte geschrieben, bei der 14-Jährige Mädchenherzen auf jeden Fall höher schlagen würden. 

And so Sally can wait, she knows it's too late as we're walking on by

Ungeachtet aller schönen Zeit, sich so richtig drauf einzulassen, war irgendwie nicht möglich. Für keinen von uns. Ich hatte mir bereits eingestanden, dass ich im rosaroten Sog verloren war und was er tat? Keine Ahnung. Ich versprach mir: Nimm mit, was du kriegen kannst, genieß es – aber lass dir bloß nicht das Herz brechen.

Bis zu diesem einen letzten Abend, der sich zu einer fernen, fernen  Zeit in einem fernen, fernen Land zutrug, an dem ich das Gefühl hatte, dass er sich mir öffnen würde. Kurz danach trat er eine 1-Monatige Asienreise an. Ich nahm also all' meinen Mut zusammen, fragte wie es denn so laufen würde, ob es ihm gut ginge (man könnte das Ganze ja mal auf's nächste Level heben, so mein Gedanke). Zurück kam – nichts.

Ach komm, der ist einfach unterwegs, log ich mir vor. Ich entschied mich dann, den Gipfel der Uncoolness zu erklimmen, schrieb ihm an einem entfernten Wochenendtag vom Kneipentresen aus "Lebst du?" und bekam als Antwort – zwei blaue Haken. Und sonst: Stille.

Don't look back in Anger, I heard you say

Ab diesem Moment haben meine Freundin und ich ihn für "tot" (Zu diesem Prinzip in der nächsten Folge mehr …) erklärt. Er existiert nicht mehr in meiner Welt. Wer jetzt denkt, die Alte hat doch einen Schatten: Nein, habe ich nicht. Ich bin der Meinung, dass jeder – egal ob heimlicher Crush, One Night Stand, Affäre, Beziehung oder Ehepartner – ein grundsätzliches Maß an Respekt verdient hat. Vielleicht habe ich mir auch zu viel auf das, was war eingebildet – umso besser, mich jetzt auf den Boden der Tatsachen zurück zu holen.

Nach all' dem was war und gesagt wurde, weiß ich: Ich habe mich nicht in irgendwas verrannt. Unsere Generation hat ohnehin Probleme ihre Gefühle zu zeigen, angemessene Konversationen zu führen, feste Bindungen einzugehen, geschweige denn, sich auf eine Person festzulegen.

Jemanden zu ghosten ist nicht cool, es ist respektlos. Es geht nicht darum, welche Rolle ein Mensch in deinem Leben einnimmt. Selbst der entfernteste Geschäftspartner hat eine Antwort auf seine Mail verdient.

Man sollte sich niemals fragen, ob es an einem selber liegt, sondern mit der Situation leben, der Wahrheit ins Auge blicken, weitermachen und immer daran denken, dass es irgendwo noch jemanden gibt, für den es sich lohnt, den Gedanken an Liebe nicht zu verlieren – weil er es auch noch nicht getan hat.

 

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