Auf dem Hamburger Dom: Von Liebesäpfeln und Schwindelbuden
Von Sarah Schmerse
Den Hamburger Dom musst du auf jeden Fall scheiße finden. Das hat man mir als erstes erklärt, als ich nach Hamburg zog. Mit erhobenem Zeigefinger und ohne Platz für Diskussion. Fünf Jahre und fünfzehn Dome ist das jetzt her. Für Hamburger ist dieses Volksfest auf dem Heiligengeistfeld nämlich genauso tabu wie der Hafengeburtstag oder die Plaza der Elbphilharmonie. Einfach weil es uncool ist und man dieses touristische Halligalli nicht unterstützen möchte. Schon gar nicht jetzt, nach G20 und dem Schlagermove. Die Stadt hat schon genug gelitten.
Geschichten vom Dom: Schlangentattoos und Spucke
Die Betreiber der Schießbude verdienen heute gut. Ein Typ mit Schlangentatto auf der rechten Halsschlagader blättert noch einen Zehner hin, um seiner Liebsten in weißen Plastikstiefeln und vielleicht ein bisschen zu doll blondierten Haaren, endlich eine Rose zu erschießen. Dass er bis jetzt noch nicht getroffen hat, ist nicht seine Schuld, sondern die des Gewehrs, irgendwie muss sich da der Nupsi am Abzug oder gar die ganze Spur verzogen haben, sagt er zu ihr. Er feuert zehn weitere Schüsse ab und trifft: Nichts. Die Schlange pulsiert wütend seinen Hals hinauf. Er zieht den Schießbudenbetreiber am Schlafittchen über den Tresen und brüllt „Schwindelbude!“ zusammen mit ein bisschen Spucke. Der Schießbudenbetreiber knallt ihm eine.
Ich liebe den Hamburger Dom.
Es tut gut das zu sagen. Es ist wie ein Befreiungsschlag. Ja, ich wohne in Hamburg und ja, ich mag den Hamburger Dom.
Natürlich nicht das Ponykarrussell, soweit geht es mit der Rummelliebe dann doch nicht.
Ich stehe bei Wurstpaule und bestelle ein Herrengedeck. Schräg gegenüber duftet es nach gebrannten Mandeln und Zuckerwatte. Die Hupe des Autoscooter läutet die nächste Runde ein. „Wer will nochmal, wer hat noch nicht!“. Ich hab noch nicht und ja, ich will.
Ich will Lose kaufen, auch wenn ich weiß, dass ich den vergilbten, einen Meter fünfzig großen Teddy da oben niemals gewinnen werde. Ich will mit der schon dreimal geklebten Angel, gelbe Plastikenten mit Nummern auf den Bäuchen aus einem kleinen Pissbecken fischen und ich will verdammt noch mal endlich eine Bratwurst bei Wurstpaule kaufen. Für 3,50€ aber immerhin mit Brot.
Klebrige Liebesäpfel und echte Liebe
Ein Pärchen kommt Arm in Arm aus der Tarotkarten-Bude. Für ein kleines Vermögen wurde ihnen hier die ewige Liebe versprochen. Sie gehen zur Süßkrambude und kaufen einen Liebesapfel. Neben Ihnen steht eine Frau mit Kapuze, die nervös auf und ab tippelt. Bei genauerem Hinsehen erkenne ich Marie. Die Frau, die mich vor fünf Jahren über die absolut nicht vorhandene Coolness des Hamburger Doms aufgeklärt hat, dreht sich nun mit einem großen Spieß Schoko-Erdbeeren um und verschwindet damit schnell in der Menge.
Dieser Artikel wurde von Sarah Schmerse geschrieben.