Günter, der Wächter des Hamburger Gabenzaunes

© Franzi Simon

Am Hamburger Hauptbahnhof wurde aus einem Absperrgitter ein soziales Projekt. Was eigentlich dazu gedacht war, die Sitzmöglichkeiten vor dem Eingang der Wandelhandel einzuschränken und damit Obdachlose zu verdrängen, ist nun zur Anlaufstelle für Bedürftige umfunktioniert worden: Wer immer etwas übrig hat, der kann seine Gaben an den Zaun hängen und obdachlose Hamburger können dann nehmen, was ihnen fehlt.

Die Initiatoren des Hamburger Gabenzaunes möchten anonym bleiben: "Wir wollen nicht das Gesicht des Gabenzaunes sein, denn das Gesicht sollen alle Hamburger sein." Trotzdem sieht man vor allem ein Gesicht immer wieder: das von Günter, dem Hüter den Gabenzauns.

Soziales Engagement hört nicht auf, wenn man selber bedürftig ist

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Seit 53 Jahren lebt Günter auf den Hamburger Straßen – im Alter von gerade einmal elf Jahren floh er aus der DDR. Der 65-Jährige hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Gabenzaun am Hauptbahnhof zu bewachen. Er passt auf, dass nichts gestohlen wird und hilft beim Aufhängen der gespendeten Gabentüten. Gemeinsam mit zwei weiteren Obdachlosen hält er Ordnung – denn wenn durch den Zaun Verschmutzung entstehen würde, wäre das ganze Projekt in Gefahr.

Selber bedürftig sein und trotzdem helfen? "Obwohl ich beinahe mein ganzes Leben auf der Straße verbracht habe – ich wollte immer anderen behilflich sein", erzählt Günter. Schon als er in Hamburg ankam, half er beim Kochen und der Essensausgabe für Bedürftige.

Günter hat ein hartes Leben auf der Straße hinter sich. Selbst seine Kinder brachte er auf der Straße durch, mittlerweile leben sie als Zahnärzte und Rechtsanwälte im Ausland. Günter hingegen schläft "irgendwo außerhalb von Hamburg", wie er sagt. Doch seitdem er einen Herzschrittmacher verpasst bekommen hat, will er weg von der Straße – die Aufmerksamkeit durch sein Engagement beim Gabenzaun kann ihm dabei helfen: "Viele Leute sind auf mich zugekommen und wollen mir jetzt helfen eine Wohnung zu finden."

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„Das Klischee vom 'stinkenden Penner' zum angenehmen Menschen wandeln“

Günter ist das Paradebeispiel dafür, was der Gabenzaun sein soll: Ein Begegnungsort zwischen den Hamburgern, die spenden und den Bedürftigen, die annehmen. "Wir wünschen uns, dass so das Klischee vom 'stinkenden Penner' zum angenehmen Gesprächspartner und Menschen gewandelt werden kann", so die Initiatoren.

Der Gabenzaun ist für Günter zu einer Lebensaufgabe geworden. Jeden Morgen kommt er wieder zum Zaun, um aufzupassen. "Manchmal werden die Tüten einfach aus den Händen gerissen und alles direkt weggeschnappt", erzählt Günter. "Auch Prügeleien gab es schon – aber die Polizei ist ja direkt um die Ecke!"

Die Polizei toleriert das Projekt, solange der Platz ordentlich bleibt. Trotzdem soll der Gabenzaun bald abgerissen werden, so plant es das Bezirksamt. Und dann? "Dann machen wir einfach woanders weiter!", grinst Günter.

Wer etwas spenden möchte, der kann jederzeit vorbeikommen und seine Gaben abgeben. Besonders dringend gebraucht werden Socken und Rasierzeug. Nicht angenommen werden dürfen geöffnete Lebensmittel, alles muss verpackt sein und am besten unverderblich sein. Eine genaue Auflistung von benötigten Spenden, findet ihr auf der Facebookseite des Hamburger Gabenzauns.

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