Glaube, Liebe, Hamburg: Wir machen uns Instagram kaputt

© rawpixel via Unsplash

Segel Setzen #16

Stell dir vor, du siehst die spektakulärsten Bilder der Welt und findest sie lame. Weil du gestern schon die verrückten Drohnenaufnahmen von den Malediven gesehen hast und gleich danach diesen rot leuchtenden Wasserfall im Yosemite National Park. So wie auch schon letztes Jahr um diese Zeit. Stell dir vor, du siehst die wachrüttelnden Bilder der Kriegsfotografen neben den berührendsten Aufnahmen von Portraitfotografen und den treffenden Streetphotography-Bildern der hippen Instagrammerin. Und du fühlst - nichts.

Empfohlener redaktioneller inhalt

An dieser Stelle findest du einen externen Inhalt, mit dem wir den Artikel bereichern.
Du kannst ihn dir mit einem Klick anzeigen lassen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden.
Beim Laden des Inhalts akzeptierst du die Datenschutzerklärung.

Und wenn du selbst fotografierst, dann findest du es während der Aufnahme bestenfalls inspirierend und kreativ befriedigend - und nach dem Hochladen einfach nur noch belanglos. Alles scheint bereits dagewesen, pointierter, ausgefuchster, faszinierender, artsier, durchdachter. Und du vermutest, dass es deinen Followern beim Anschauen deiner Bilder ebenso geht. Spoiler: Das ist zumindest nicht unwahrscheinlich.

Was ist es für eine Verschwendung, dass wir mittlerweile die unglaublichsten Bilder sehen, die nicht nur technisch perfekt gemacht sind, sondern auch das gewisse Etwas haben. Dass wir sie sehen und - weiterscrollen. Denn da gibt es ja noch mehr, was konsumiert werden will. Und noch mehr. Und noch mehr. Es ist verständlich, schließlich freuen wir uns über die endlosen Möglichkeiten, ein bisschen Eskapismus in unseren Alltag einzubauen. Und so können wir gar nicht mehr aufhören, diese faszinierenden Bilder zu konsumieren, vielleicht für eine Sekunde, die eigentlich jedes für sich ein Kunstwerk sind.

Empfohlener redaktioneller inhalt

An dieser Stelle findest du einen externen Inhalt, mit dem wir den Artikel bereichern.
Du kannst ihn dir mit einem Klick anzeigen lassen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden.
Beim Laden des Inhalts akzeptierst du die Datenschutzerklärung.

Und ja, es ist die alte Leier des “Es gibt in diesem Interwebz nichts, was wir nicht schon gesehen hätten”. Es kann gelesen werden als rückschrittliche Betrachtung einer neuen Form von Kunstkonsum. Aber es lohnt sich trotzdem, sich einmal bewusst zu machen, was man da eigentlich Tag für Tag vorgesetzt bekommt und wie sehr jedes dieser Postings es verdient hat, ausreichend wertgeschätzt zu werden. Digitale Achtsamkeit, auch im Kunstkonsum.

Warum nicht einfach mal der Hälfte aller Instagramaccounts entfolgen - was rede ich da, drei Viertel - und sich stattdessen mal auf jedes Bild einzeln einlassen? Wenn ich durch Bildbände blättere oder in Ausstellungen vor den Fotos stehe, dann nehme ich mir auch Zeit. Erst einmal das Bild auf mich wirken lassen, den ersten Eindruck registrieren. Dann die Details beachten. Die Komposition. Die Farben. Und dann noch einmal das Bild als Ganzes wahrnehmen. Wann hast du das zuletzt bei Instagram gemacht?

Empfohlener redaktioneller inhalt

An dieser Stelle findest du einen externen Inhalt, mit dem wir den Artikel bereichern.
Du kannst ihn dir mit einem Klick anzeigen lassen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden.
Beim Laden des Inhalts akzeptierst du die Datenschutzerklärung.

Das Risiko, dass wir uns das vornehmen und es letztendlich doch nicht tun, ist ziemlich hoch. Aber wenn wir es als Chance begreifen, uns bewusst den Content herauszusuchen, der uns auf feine Art und Weise berührt, der nicht ständig verfügbar ist, der uns vielleicht irgendwann wieder dahin bringt, dass wir tatsächlich darauf warten, ein neues Bild zu sehen: Dann ist es vielleicht noch möglich, Instagramkunst zu schätzen. Wenn wir zu Kuratoren unseres Feeds werden statt zu betriebsblinden Followern. Instagram ist eine der letzten Bastionen des Online-Eskapismus in diesen Tagen. Lasst es uns schützen und wertschätzen.

Lina ist geboren und aufgewachsen in Hamburg und hat auf keiner ihrer Reisen jemals eine Stadt gesehen, die sie so gefangen nimmt. In ihrer Kolumne "Segel setzen" schreibt sie regelmäßig über die großen und kleinen Themen des Alltags einer Mittezwanzigjährigen – und natürlich über die Liebe zur Herzensstadt.

Zurück zur Startseite