Wie der G20-Gipfel mein Gefühl für Hamburg verändert
Die Boulevard-Medien schreiben von der „belagerten Stadt“. Die Demonstranten rufen: „Das ist unsere Stadt“. Beides zeigt: Hamburg hat sich in den letzten Tagen verändert. Auch für mich. Der Versuch einer Beobachtung.
Orte, die ich in mein Herz geschlossen habe, gibt es in Hamburg viele. Egal ob hier oder dort. Oftmals kann man Außenstehenden gar nicht erklären, worin genau die Faszination besteht. Objektiv gesehen mögen manche wohl nie einen Architekturpreis gewinnen. Für uns Hamburger aber, ist dies mehr als nur zweitrangig. Die einen haben die Alpen, wir den Hamburger Berg.
An meinen Lieblingsorten hat sich in den letzten Tagen einiges getan. Ein Treffen mit Freunden an der Toastbar, eigentlich ein entspannter Spaziergang durch das eigene Viertel, wird mittlerweile zum Hürdenlauf. Vorbei an einer Straßensperre, an grimmig aussehenden Polizisten. Genervt stehen sie angelehnt an ihre Mannschaftswagen. Die musternden Blicke zeigen: Man hat mich registriert. Ist meine heutige Kleiderwahl, war der heutige Griff zu meinem schwarzen Pullover etwa die falsche Entscheidung?
Das Bier zu Helikoptergeräuschen
Zügig geht es weiter zur Bar, die Freunde sollen schließlich nicht warten. Im Hintergrund wummert es, ein Hubschrauber ist wieder über der Stadt und dreht seine Kreise. Ein Geräusch, an das man sich mittlerweile schon gewöhnt hat.
Ankommen, alle begrüßen, Getränke holen und es sich draußen gemütlich machen. Der allgemeine Smalltalk beginnt. Die Themen schwanken zwischen den Üblichen hin und her: die Arbeit, das letzte und nächste Wochenende. Vor allem will man nicht über den Elefanten im Raum sprechen. Der G20-Gipfel ist ohnehin schon präsent genug. Das können wir aber schnell vergessen. Das Rotorengeräusch des Hubschraubers wechselt sich im Hintergrund nun mit dem Martinshorn ab. Obendrein fährt alle fünf Minuten ein Polizeiwagen im Schritttempo durch die Wohlwillstraße. Die Nachricht ist angekommen: Wir beobachten euch. Plötzlich werden alle „müde“ und möchten gehen. Was aber keiner sagt: So macht die eigene Stadt keinen Spaß.
Eingeschränkt in der eigenen Stadt
Der Alltag hier ist momentan anstrengender geworden und seit Tagen läuft es ähnlich. Ständig werden wir umkreist: Vom Hubschrauber über uns, am Tag und in der Nacht. Im Viertel, von den Wagen auf der Straße. Scheinbar sind sie überall. Man wird beobachtet und gemustert. Gefühlt ist das nicht mehr meine Stadt.
In einer Großstadt laufen viele Dinge anders. Die Straßen, die Parks gehören zum erweiterten, eigenen Lebensbereich dazu. Natürlich: Die eigene Wohnung kann hier nicht mit dem eigenen Bewegungsdrang mithalten. Auf dem Land hingegen muss schon einiges passieren, damit ich mein mit Jägerzaun umzäuntes Reich verlasse. In einer Stadt, wie Hamburg, reichen schon ein paar Sonnenstrahlen. Das habe ich schon früh gemerkt, als ich vor mehreren Jahren in die Hansestadt gezogen bin.
„Lieber tanz’ ich als G20“ hat es vorgemacht. Wir sollten unsere Lieblingsorte nicht aufgeben, schließlich ist es immer noch unsere Stadt. Doch die Ungewissheit bleibt: Was passiert mit der Stadt und diesem Gefühl nach dem G20-Gipfel?
Dieser Beitrag wurde von Ulf Blankenhagen geschrieben.