Eine Woche unverpackt: No-Waste braucht Zeit

© Isabel Rauhut

Über 600 Kilogramm Müll produzieren wir Deutschen jährlich pro Kopf. Das ist fast so viel wie ein ausgewachsener Eisbär wiegt. Nur, dass sich eine Menge hauchdünnes Plastik ansammeln muss, um auf 600 kg zu kommen.

Gibt es aus dieser unfassbaren Müllproduktion einen Ausweg? Eine Woche lang habe ich mich daran versucht, keinen Müll zu produzieren. Vor allem Plastik, das die Ozeane überschwemmt und das Jahrhunderte braucht um zu zersetzen, habe ich völlig aus meinem Alltag verbannt. Papier und Glas habe ich in kleinsten Mengen zugelassen – immerhin lassen sich diese Verpackungen recyclen.

Niemand fängt bei Null an

Eines lässt sich schon zu Beginn sagen: Niemand fängt bei so einem Versuch bei Null an. Wir alle haben Unmengen an Plastik und anderen Stoffen zuhause. Und es wäre unsinnig, erst einmal alle Dinge wegzuschmeißen und dann mit der Challenge zu beginnen. Denn das wäre schlichtweg Verschwendung.

Unverpackt zu leben bedeutet zu Beginn vor allem sich selbst und seine Gewohnheiten zu reflektieren. Einen genauen Blick in Kühlschrank und Vorratsschrank zu werfen und sich beim Einkaufen zu beobachten. Ich wusste so zum Beispiel von mir selbst vorab, dass ich schon keine kleinen Plastiktüten für Obst und Gemüse benutze und, wenn ich doch mal den Beutel zuhause vergesse, immer zur Papiertüte an der Kasse greife.

© Franzi Simon

Gibt es hier irgendetwas ohne Plastik?

Begonnen habe ich meine Woche im Supermarkt um die Ecke. Einmal testen, was ich mir hier für mein Mittagessen und Abendbrot zusammen sammeln kann. Der Einkauf war vor allem eines: ernüchternd. Selbst in der Gemüseabteilung findet man über die Hälfte der Produkte verpackt vor: Zwiebeln in Netzen, Tomaten in Plastik und selbst die Gurken sind komplett eingeschweißt. Learning Nummer eins also: Immer versuchen eine verpackungsfreie Alternative zu finden und gegebenenfalls ein paar Cent mehr bezahlen.

Abseits der Obst- und Gemüseabteilung ist der Schrecken noch viel größer. Sämtliche Produkte sind größtenteils sogar doppelt verpackt, Plastik das vorherrschende Verpackungsmaterial. Mein Mittagessen besteht also aus Brötchen vom Bäcker mit Avocado, mein Abendbrot aus einem Gemüseeintopf. Gesund, verpackungsfrei, lecker.

© Franzi Simon

Plastikverzicht ist gegen das Gesetz?!

Für die restliche Woche müssen aber ein paar Tricks her, ich kann ja schließlich nicht von morgens bis abends nur Obst und Gemüse essen. Ich mache mich also schlau im World Wide Web und stoße auf zahlreiche gute Tipps. Tupperdosen und Beutel sind ab jetzt mein stetiger Begleiter. Aber Fleisch und Fisch an der Theke in die mitgebrachten Dosen geben zu lassen – das geht leider nicht immer. Zu unhygienisch, findet das Ministerium für Verbraucherschutz und verbietet die Benutzung mitgebrachter Dosen. Ab und zu kneift ein Verkäufer allerdings mal ein Auge zu, probieren kann man es also immer.

Dafür finde ich Nudeln in Pappkartons und allerlei andere Zutaten, wie Milch oder Tomatenmark, in Glasbehältern. Immerhin schonmal ein Schritt Richtung ausgewogene Ernährung ohne Plastikmüll.

© Franzi Simon

Unverpackt leben bedeutet Zeit investieren

Für einige Dinge komme ich aber nicht drumherum, mein gewohntes "Jagdgebiet" zu verlasse. Denn die Challenge hört eben nicht beim Essen auf und gerade in meinem Badezimmer stapeln sich die Plastikflaschen. Shampoo und Spülung ohne Plastik finde ich in der Drogerie um die Ecke allerdings nicht. Dafür bekomme ich den Tipp: Lush füllt Shampoo gerne in mitgebrachte Flaschen ab.

Das Problem wäre also gelöst und Flüssigseife lässt sich gegen Stückseife eintauschen, die es auch auf Wochenmärkten unverpackt gibt. Nachdem ich alle meine alltäglichen Läden getestet habe, bleibt noch eines: der Besuch im Unverpackt-Laden. Das "Stückgut" in Ottensen lässt die letzten Gelüste der Woche schwinden: Ich finde unverpackte Schokolade und nehme einen Conditioner für die Haare mit nachhause. Mit dem Twelve Monkeys und bio lose gibt es übrigens noch weitere Unverpackt-Läden in Hamburg.

Unverpackt leben ist ein Prozess und keine Hau-Ruck-Aktion

Zum Ende der Woche wird mir klar: Keinen Müll mehr zu produzieren, das lässt sich in einer Woche nicht durchsetzen. Ich habe auf einiges verzichtet, habe mich geärgert, weil ich bestimmte Dinge nicht plastiklos gefunden habe. Bis ich es neben der Arbeit zum Unverpackt-Laden geschafft habe, sind Tage vergangen an denen ich weiterhin Plastikflaschen in die Hand genommen habe.

Aber in meinem Bewusstsein hat diese Woche eine Menge verändert. Ich gehe mit offenen Augen einkaufen und erwische mich dabei, wie ich den Kopf schüttel, wenn der Kunde vor mir an der Kasse seinen einzelnen Apfel in der Plastiktüte aufs Band legt. Es gibt so viele kleine Dinge, die sich nach und nach in den Alltag integrieren lassen und unseren Müllkonsum verringern – ohne dafür sein Leben auf den Kopf stellen zu müssen. Würden wir alle ein wenig umsichtiger mit Verpackungen umgehen, dann könnten wir gemeinsam den Müllverbrauch erheblich senken. Und kommen dann vielleicht nur noch auf das Gewicht eines Schafs, statt eines Eisbärs.

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