Zwischen Vollblutvamp und Mrs. Steel – intime Einblicke in die Hamburger BDSM-Szene

Fetischclubs gibt es nur im Film oder in Berlin? Dachte ich bisher auch, bis ich in der schaurig-schrägen Parallelwelt im Hamburger Catonium nach der echten Anastasia Steel suchte. Die fand ich dort zwar nicht, dafür aber die Erkenntnis, dass die BDSM-Szene weitaus vielfältiger ist, als in „Shades of Grey“ beschrieben und dass sich ihre Anhänger nicht so einfach in Sub-Dom-Schubladen stecken lassen, wie gedacht.

Es war am Anfang ja auch eher ein Ausprobieren, eine Art Spiel
Jana

Mit sieben war ich mit meiner Familie im Foltermuseum. Wir waren im Sommerurlaub in der Toskana und in irgendeiner dieser kleinen, hügeligen Weinbergdörfer, gab es einen alten Keller, in dem schaurig-gruselige Geräten wie Daumenpressen, Streckbänke und Böcke ausgestellt wurden. Daran fühle ich mich unfreiwillig erinnert, als ich das Catonium betrete. Überall Räder, Ringe, Fesseln. Wer geht hier hin und was hat man davon, frage ich mich. Im Moment ist von den Gästen noch nicht viel zu sehen. Es ist noch früh am Abend, bis auf ein paar Männer im Anzug und zwei Blondinen, in schwarzen, ziemlich kurzen Kleidern, hat sich hierhin noch keiner verirrt. Ein fast nacktes Mädel, im Stringtanga mit angeklipsten Waschbärenschwanz – eindeutig der skurrilste Gast – eröffnet mit einem Polizisten die Tanzfläche. Später am Abend, werden sie sich alle noch in den großen Raum hinter der Tanzfläche verziehen. Das Waschbärenmädchen um es mit ihrem Typen auf einer der Bänke zu treiben, die beiden Mädels im Kleid, um sich auf den Böcken im großen Saal auspeitschen zu lassen. Davon ahne ich aber noch nichts, während ich hier auf Jana warte.

Mit ihr habe ich mich hier zum Reden verabredet. Die junge Mama steht auf SM, wie sie sagt und darauf, sich zu untergeben. Eine klassische Sub wie sie im Buche steht, möchte man meinen, auch wenn Jana gar nicht so aussieht. Nichts an ihrer Erscheinung als sie mir entgegen kommt, erinnert auch nur entfernt an die klischeehafte schüchterne Anastasia Steel: lange rote Haare, ein selbstbewusster Gang und keine Spur von Schüchternheit. Wie wird so eine Frau zur Sub?

„Ich kann mich gar nicht so wirklich daran erinnern, wann ich in die Szene gerutscht bin“, sagt Jana. „Es war am Anfang ja auch eher ein Ausprobieren, eine Art Spiel. Ich hatte einen Freund aus München und wir waren hier auf einem Fantasy LARP.“ LARP steht für „Life Action Role Play“, schiebt Jana schnell nach, als sie meinen ratlosen Blick sieht.

„Danach wurde ziemlich schnell klar, war wir wollten. Für ihn war es nichts Neues, für mich war es eine völlig unbekannte Welt.“ Beim ersten Mal BDSM hätte sie viel gelacht, erzählt Jana. Das sei nicht unbedingt typisch, weil sonst alles nach Regeln ginge. Die entspannte Atmosphäre habe ihr aber den ersten Versuch erleichtert und gehöre beim Sex für sie einfach dazu.

"Mich zu unterwerfen bedeutet mich nur dieser einen Person zu öffnen"

Anfangs dominierte Jana beim BDSM, erzählt sie mir. „Ich fand Lack, Korsagen und Uniformen schon immer toll und es gab mir so ein Gefühl von Unwiderstehlichkeit.“ Jana fühlte sich wohl in der dominanten Rolle des Vollblutvamps. „Ich habe mich dadurch sexy gefühlt. Ich war diese Frau, die er so anbetete, ganz egal ob er von ihr ein Lächeln oder Schläge bekam.“

Nach Janas ersten Berührungen mit der BDSM-Szene, lernte sie ihren Mann, einen Dom, kennen. „Er gab mir vom ersten Augenblick an das Gefühl, auch mit meinen Fehlern perfekt zu sein“, schwärmt Jana von ihrem ersten Treffen, „ich hatte bei ihm sofort das Gefühl, dass er nicht nur mich ansieht, sondern direkt in meine Seele schaut. Er sieht mich so wie ich bin.“

Bei ihm fühlte Jana zum ersten Mal so etwas wie Schutz und Stärke. „Das gab mir ein ganz neues Gefühl von Weiblichkeit. Ich musste nicht mehr stark sein, ich durfte mich fallen lassen.“ Der unwiderstehliche Vamp wurde zu einer verliebten, hingebungsvollen Frau, die ihrem Lover genau das geben wollte, was er für sie für 'richtig' empfand.

„Jemandem sich hinzugeben und dabei gefesselt zu sein, unwissend, was als nächstes kommt, bedeutet für mich absolutes Vertrauen. Mich zu unterwerfen bedeutet mich nur dieser einen Person zu öffnen“, sagt Jana. Eines der größten Gefühle für sie, das sie auf diese Art und Weise zuvor noch nie empfunden hatte.

Wie ist dieses unterwürfige Verhalten vereinbar mit Janas altem Dasein als 'Sub'? „Die Grenzen zwischen Sub und Dom sind gar nicht so klar wie man meint“, sagt Jana.

"Ein Master sollte immer genau mitfühlend sein"

„Unterwerfen, dominieren... Eine Sub führt eigentlich ihren Herren. Sie zeigt ihm genau, was sie möchte, was erlaubt ist und was sie gern zulässt. Wobei ich den Ausdruck 'Sub' sowieso stark pauschalisiert finde und mich niemals so bezeichnen würde.“

Dass eine solche Abgrenzung nicht möglich ist, sieht man auch daran, dass Jana devote Angebote immer noch durchaus reizvoll findet. Annehmen würde Jana diese dennoch nicht. „Für mich gibt es eine klare Entscheidung – für meinen Mann. Für ihn bin ich dazu bereit, mich zu unterwerfen, seine Phantasien an mir ausleben zu lassen. Mit einem Fremden würde ich das niemals tun. SM gehört für mich ohnehin eher in Beziehungen. Nur ein Partner weiß genau, was man wirklich will und kann auf die Wünsche seiner Freu reagieren. In den Augen Lust und Scmerz lesen zu können, das geht nur über Vertrauen.“

Also nichts da mit Foltermuseum?

Jana lacht. „Ich musste das Wort 'STOP' noch nie benutzen, weil mein Partner alles ganz genau mitfühlt. Ein Master sollte immer genau mitfühlend sein."

Wenn das der Fall ist, so Jana, ist SM letztlich auch nichts Anderes als das physische und gleichberechtigte Ausleben der Verbundenheit in einer Beziehung. Und auch wenn mich die Bänke, Räder und Stühle im Catonium rein optisch immer noch an toskanische Foltermethoden erinnern, klingt das doch zumindest so, als würden Inquisitor und Angeklagter sich gegenseitig ganz gern auf die Folter spannen.

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