Deine Szene ist Mainstream

Wir kennen sie alle, sind vielleicht sogar ein Teil von ihr oder waren es einmal: Subkulturen prägen das Bild der Städte und helfen vor allem jüngeren Menschen dazu, sich von ihrer Familie abzugrenzen. Die Abgrenzung zu anderen Gruppen der Bevölkerung findet über Eigenarten statt, mit denen sich die jeweilige Gruppe ein Alleinstellungsmerkmal erschafft. Diese scheinbaren Eigenarten werden für uns dann sichtbar, wenn sie durch öffentlich getragene Symbole oder Kleidung kenntlich gemacht werden.

Doch wie sehr unterscheidet man sich überhaupt noch von der Allgemeinheit, wenn sich viele Menschen einer Subkultur anschließen? „Die Ausbildung von neuen (und ggf. die Auflösung alter) Subkulturen ist charakteristisch für moderne pluralistische Gesellschaften“ erklären die Politikwissenschaftler Martina Klein und Klaus Schubert. Wechseln die Subkulturen heute in kürzeren Abständen, weil in einer modernen Gesellschaft etwas viel schneller Mainstream ist, als es den Szenenprotagonisten überhaupt lieb sein kann?

Undercut, Lumberjack und Birkenstocks haben heute auf jeden Fall nichts mehr mit ihren ursprünglichen Subkulturen zu tun. Sie wurden einer kleinen Szene entrissen, von der Subkultur „Hipster“ als Markenzeichen genutzt und sind heute kein besonderer Anblick mehr. Spricht man heute noch von Hipstern, muss man sich die Frage stellen, ob es noch Subkultur ist, wenn sich ihre Anhänger nicht mehr von der “Normalo”-Bevölkerung unterscheiden? Ist nicht normcore das neue Langweilig, das neue Mainstream – das einst, oder zumindest 2012 noch den coolen Hipstern vorbehalten war, die ihre Klamotten bei LibertineLibertine und WoodWood kauften, bevor die Schnitte von COS und H&M kopiert wurden?

 

Individuals desire to merge, and at the same time feel individualistic.

Exactitudes, ein Projekt des niederländischen Fotografen Ari Versluis und der Profilerin Ellie Uyttenbroek, beschäftigt sich mit diesem Thema. Die beiden Künstler suchen dafür nach längerfristig bestehenden Gesellschaftskulturen, die sich durch uniformes Aussehen zu einer Subkultur zusammenfassen lassen. Vor zwei Jahren sprachen sie auf dem Vice-Chanel I-D über ihre Arbeit , wir haben fünf ihrer Collagen herausgesucht, die vor allem zwei Dinge deutlich machen: auch eine Longchamp-Tasche schafft ein Zugehörigkeitsgefühl und selbst der krasseste Hipster ist Mainstream, wenn er neben seinen Szenedudes steht.

Und selbst wenn, was ist schlimm daran, Mainstream zu sein? Die künstliche Abgrenzung zu anderen hatte immer schon etwas zwanghaftes, hat eher getrennt, als vereint. Es wird Zeit, über die eigenen Szene-Grenzen hinauszuwachsen und die Menschen als das anzusehen, was sie sind: Gut gekleidete Individuen. Im besten Fall.

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