11 Gedanken, die man bei einer Show von Studio Braun hat

(c) Juliane Werner

Besoffen erfolgreich sein und den Erfolg als Slapstick-Witz des Universums verstehen. Das sind Studio Braun. Ihre Telefonanrufe sind legendär, wie die Mitglieder der Truppe: Heinz Strunk, Jaques Palminger und Rocco Scharmoni. Wirklich greifbar und erklärbar ist das alles nicht. Es wird auch nicht greifbarer durch einen Besuch ihrer Show "Drei Farben Braun" im Schauspielhaus, denn die Gedanken, die währenddessen durch den Kopf rasseln, sind ebenso durcheinander wie das, was da auf der Bühne passiert.

1. "Früher war alles schlechter"

Die Show beginnt und somit eine Stunde Retroperspektive auf die letzten 85 Jahre Studio Braun. Hauptthema: Betrunken erfolglos sein. Während ich mich halb tot lache, werde ich fast deprimiert, als Palminger zum 15. Mal unterstreicht, wie sich eigentlich niemand für sie und ihre Kunst interessiert hat.

2. "Ich habe definitiv zu früh aufgehört zu viel zu trinken"

Viel Alkohol zu trinken, wann immer man kann und das dann im Nachhinein als "Rumexperimentieren" zu verkaufen, ist wohl der größte Coup von Studio Braun. Der nur gespielt lallende Heinz Strunk hat die Rolle des Suffis so sehr perfektioniert, dass es auffällt, wenn er auf der Bühne einen geraden Satz sagt.

3. "Wann ist die Pause, ich brauche Alkohol"

Und dann überkommt es mich: Das Gefühl, dass ich hier viel zu nüchtern bin. Dass Studio Braun einen - trotz der altmodischen Athmosphäre des Schauspielhauses - animiert, in 20 Minuten Pause 45 Grauburgunder runterzukippen.

© Marius Notter

4. "Warum lallt hier niemand?"

Das Publikum riecht verdächtig wenig nach Alkohol. Bin ich der einzige, der hier durch die drei Alkohol-Forscher animiert wird? Ich quetsche mich durch die Reihen und rieche zu wenig Bier, zu wenig Schnaps, zu wenig Zigarettenrauch. Das Publikum scheint mit den drei Herrschaften gealtert zu sein - und wohl auch vernünftiger geworden.

5. "Deutsche können lustig sein, wenn sie super deutsch sind. Sonst nicht."

Was haben wir nur zu kämpfen, mit unserem Humor. Von der Welt belächelt, von den eigenen Comedians und Late-Nightern gehasst. Seit Jahren versucht das Neo Magazin (Royal) den Humorstandort Deutschland nach vorne zu ficken - nur ist bis jetzt noch niemand schwanger geworden, außer den eigenen Leuten. Also alles wie im Saarland (das Saarland spielt in jedem Monolog von Böhmermann eine Rolle).

Doch hier brüllt der Saal - solange man sich nicht beteiligen, nicht kreischen oder schreien muss. Warum? Weil die Witze der drei Braunen deutscher sind als Mettwurst. Danke, geht doch!

6. "Jung von Matt würde den dreien sofort einen Job geben"

Mit Nicht-Werbung Werbung zu machen ist state of the Art 2017, denkt man an "Inländer raus" von EasyJet oder "Life is Bitter" von Fernet-Branca. Doch das haben Studio Braun schon vor 20 Jahren perfektioniert. Ob ihr Lebenswandel sie vor einer Karriere in der Werbeindustrie bewahrt hat?

7. "Ist es Kunst, wenn ich mir auf der Herrentoilette über die Hände pinkel?"

Während ich mein Weinglas am Boden neben dem Pisoir abstelle, überkommt mich ein derart komischer Gedankenschwall, dass ich mich konzentrieren muss, hier keinen Unsinn anzustellen. Der Funke ist wohl von der Bühne ins Publikum übergesprungen.

© Marius Notter

8. "Gebt uns Saures, nicht Süßes"

Im zweiten Teil der Show bricht der Spannungsbogen ein, beziehungsweise der Unterhaltungsbogen - denn statt pisswitzigen Bildern und Geschichten werden BigBand-Stücke im Boyband-Style inszeniert. Ich muss mich kurz umschauen, um mir klar zu machen, dass ich hier im Schauspielhaus und nicht in einer Aula des Max-Planck-Gymnasiums Königs Wursterhausen sitze.

9. "Ich will die Saufkrake, ich will sie jetzt"

Kurz vorher erzählten Palminger, Scharmoni und Strunk ungewohnt euphorisch von einer mit Schnaps und Fanta prall gefüllten Krake, die ihre ersten Auftritte im Schauspielhaus zu einem exzessiven Massenexperiment hat werden lassen. Jetzt frage ich mich, wo diese Krake geblieben ist, denn wir könnten sie gut gebrauchen.

10. "Ihr macht eine Schlager-CD? Ich will sie haben!"

"Ich bin so geil", singt Rocco Scharmoni in der ersten Zeile ihrer Schlagerparodie. Später geht es um Titten, Ficken, Saufen und allgemeine Geilheit - soweit, so typisch für Schlagertexte. Mit simplen Kunstgriffen, wie dem ständigen wiederholen von "Ich bin der geilste", "Ich bin so geil" bricht plötzlich die geballte Dummheit der Schlagertexte hinter dem stümperhaften Foxtrott-Beat hervor. Herrlich dumm, herrlich Studio Braun.

11. "Hier wird heute keiner mehr flachgelegt"

Der Jazz ist vorbei. Die drei kehren zehn letzte Minuten zurück auf die Bühne und ziehen noch ein letztes Mal in den Kampf gegen ihren Erzfeind seit Tag eins: Den Spießer. "Dummbatze aller Welt, verinigt euch unter dem Fahrradhelm". Sie ernten zustimmendes Gelächter und Applaus. Strunk bemerkt, dass er jetzt tatsächlich angetrunken sei. Dann geht das Licht an. "Denen haben wir es aber gezeigt", denke ich mir, als ich das Fahrrad aufschließe.

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