Das passiert, wenn du 7 Tage am Stück zum Bikram Yoga gehst

© Nina Ponath

Eine Woche Bikram Yoga für 9 Euro, 10 Tage für 20 Euro. So lauten die gängigen Angebote der 'Bikram Yoga'- Studios in Hamburg. An solchen Schnuppertagen hat man eine Art Flatrate für Yogastunden und soll sich - wenn möglich - so sehr in den Sport schockverlieben, dass man danach weiterhin bereit ist, 130 bis 145 Euro für 10 Mal Schwitzen hinzublättern. Bikram Yoga ist nämlich nicht gerade der allergünstigste Sport.

Dafür verspricht er auch jede Menge. Durch die hohe Luftfeuchtigkeit von rund 40 Prozent und die hohe Temperatur von 40° Grad verbrennt der Körper wesentlich mehr Kalorien als beim üblichen Yoga - ganze 500 bis 700 sollen es pro Einheit sein. Hinzu kommt, dass die Wärme das Immunsystem stärkt, beim Stressabbau hilft, uns beweglicher macht und Bikram Yoga so gegen die üblichen Volksleiden der Schreibtischgeneration wie Nacken-, Rücken-, Schulterschmerzen, helfen soll. Klingt soweit ganz gut, finde ich, und beschließe dem Ganzen eine Chance zu geben und mir eines der zahlreichen Schnupperangebote mal näher anzusehen.

© Nina Ponath

Bikram Yoga = Männer-Yoga?

Wegen der vielen Kurse zu allen erdenklichen Zeit entscheide ich mich für Studio ‚Hamburg40Grad‘ in der Hamburger Straße.Yvonne, die sehr nette Studiobesitzerin, warnt mich vor: ich solle unbedingt viel, viel trinken, ein Handtuch mitnehmen und rechtzeitig da sein.

Eine halbe Stunde vor Kursbeginn finde ich mich mit den anderen Teilnehmern im Eingangsbereich des Studios ein. Dafür, dass wir hier Yoga machen, sind es tatsächlich viele Teilnehmer. Normalerweise kenne ich es vom Yoga eher so, dass die Kurse fast ganzheitlich weiblich sind, quasi das Gegenstück zu jedem Hamburger Club um 3 Uhr morgens, und sich nur ab und an mal ein Mann hierher verirrt. Und auch dann nur, wenn er von seiner Freundin unter massivem Druck ("Yoga oder shoppen. Oder Trennung.") dazu gezwungen wurde.

Die Männer hier scheinen dagegen freiwillig hier zu sein. "Vielleicht ist Bikram Yoga beliebter, weil es so anstrengend ist", mutmaße ich, während ich den Mädels in die Umkleidekabine folge und mich in mein Sportoutfit schmeiße (leider habe ich eine lange Hose mit - hätte ich nur mal drüber nachgedacht, was ich sonst bei 40 Grad so trage). Dann geht es auch schon los in Richtung Übungsaal.

Schwitzen als Sport

Die Atemübungen zu Beginn der Stunde nerven mich etwas. Wir sollen irgendwie ganz komisch in die Hände atmen und dabei den Kopf andächtig  nach oben richten. Das sieht für mich alles eine Nummer zu spirituell aus. Ich dachte, ich sei hier um Sport zu machen - können wir dann nicht mal endlich loslegen, bitte? Wenig später wünsche ich mir jedoch fast, wir würden wieder einfach nur laut durch den Mund pusten, denn so ganz einfach, wie ich mir Bikram Yoga vorgestellt habe, ist es doch nicht und es geht ohne viele ‚ohms‘ und spirituelles Geschwafel weiter.

Meine Muskeln halten die 26 Übungen, die es im Bikram-Yoga gibt, einigermaßen gut aus, aber was die Beweglichkeit angeht... sprechen wir lieber nicht darüber. Besonders bei Übungen, bei denen der Körper seitlich verlagert wird, wie beim Dreieck, merke ich meine kleinen Schwachstellen. Auch mein Gleichgewicht gerät zwischendurch immer wieder mal durcheinander. Das wäre ja aber alles noch soweit okay, wenn mir nur nicht so elendig warm wäre. Das Top, das ich zum Yoga angezogen habe, ist schon nach den ersten 20 Minuten komplett durchnässt, sodass ich es ausziehen und in Sport-BH weiter turnen muss.

Am Ende der Einheit liege ich wirklich ziemlich platt auf dem Boden

Vielleicht nimmt man ja deshalb vom Bikram Yoga ab, denke ich mir schwitzend. Einmal, weil man hier pro Stunde bestimmt mindestens 2 Liter Wasser ausschwitzt und außerdem, weil wohl jedem Menschen, der gerade 90 Minuten halbnackt vor dem Spiegel herumgetanzt hat und sich so jeder einzelnen Speckfalte mehr als bewusst ist, der Appetit auf die Belohnungspizza nach dem Sport, gehörig vergeht.

Wobei das nicht heißen soll, dass Bikram Yoga nicht anstrengend wäre. Von allen Yogaarten, die ich bisher ausprobiert habe - und das war so ziemlich alles von Yin Yoga bis Power Yoga - erinnert diese hier am meisten an einen ganze normalen Gymnastikkurs im Fitnessstudio. Das liegt zum einen daran, dass nach den Atemübungen auf Ansagen à la „Es gibt keine Regeln, mach dir selbst welche“, Dogmen und Mantras verzichtet wird. Zum anderen haben die Trainerinnen bei ‚Hamburg40Grad‘ beide eine erfrischende, ziemlich mitreißende Art und motivieren ganz Fitness Instructor-like bei schwierigen Übungen mit Kampfansage per Mikrofon. Am Ende der Einheit liege ich wirklich ziemlich platt auf dem Boden und freue mich über die Entspannungsübungen.

© Nina Ponath

Schlafmittel: Bikram Yoga

Um kurz vor zehn, nach Ende der Stunde und einer (freiwillig!) kalten Dusche, falle ich todmüde in mein Bett. Diese Kombi aus Hitze, Sport und mentalem Training sorgt dafür, dass ich bis zum nächsten Morgen wie ein Stein durchschlafe - und das, obwohl ich sonst jede Nacht mindestens einmal wach werde.
Die Lust, heue wieder auf die Yogamatte zu steigen, hält sich am nächsten Morgen in sehr, wirklich seeehr überschaubaren Grenzen.

Muskelkater habe ich keinen, aber die Aussicht darauf, weitere 90 Minuten meines Lebens beim Bikram Yoga zu "vertun", wenn ich doch eigentlich Netflix schauen, mit meinem Hund rausgehen und laufen könnte.... ich weiß ja nicht. Wenigstens weiß ich dieses Mal mehr, was mich erwartet und so bereite ich mich besser auf den Unterricht vor. Vielleicht liegt es daran, dass mir die Übungen heute wesentlich leichter fallen. Der Schweiß tropft mir zwar immer noch vom Gesicht, aber vielleicht sollte ich in der Hinsicht auch einfach auf Trainerin Elena hören. Die sagt nämlich, als ich mir im 20-Sekunden-Takt mit meinem Handtuch über die Stirn wische nur: „Kannst du dir sparen, das hilft eh nichts.“ Word.

Bin ich jetzt Fan oder nicht?

Am Ende der Stunde , bin ich, trotz Handtuch-Wischerei, klatschnass, aber fühle mich dabei dennoch schön entspannt. Die Nacht schlafe ich wieder wie ein Stein. In den folgenden Yogastunden geht es mir nicht merklich anders. Am Tag 5 habe ich einen kleinen Tiefpunkt und lasse die Stunde einfach mal Stunde sein. Ist ja nicht so, als hätte ich außer Atmen, Schlafen, Yoga, sonst nichts zu tun. Meine Beine, die zusätzlich zur Yoga-Quälerei auch noch an die 35 bis 40 Kilometer die Woche um die Alster laufen, danken mir die Pause und fühlen sich am nächsten Tag viel fitter an.

So kann ich nach der letzten Stunde meiner Übungswoche nicht sagen, dass ich jetzt für immer besser oder gar ein Bikram-Fan geworden bin, aber zumindest temporär, hat mir der Versuch sehr Spaß gebracht. Grundsätzlich gefällt mir Yoga bei gemäßigteren Temperaturen besser, aber wer weiß, wie lange das anhält. Wenn mir diese Woche eines gezeigt hat, dann doch, dass alles, mal yogisch gesprochen, „im Fluss ist“ und jede Begegnung - sei es mit Menschen oder mit den 26 immer gleichen Yoga-Haltungen, immer anders ist. Mal schauen, wie meine nächste Begegnung mit Bikram Yoga sein wird. Bis dahin, namasté, liebes Bikram Yoga, „das Göttliche in mir grüßt das Göttliche in dir“ - aber auf so ein spirituelles Gequatsche, stehst du ja gar nicht so.

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