Kaffee trinken, lesen und beraten werden: Im ABC-Magazin-Laden in der Weidenallee
Sara Lisa, 27 Jahre alt, hat ihren Traum aus Zürich mitgebracht: Einen Magazinladen, in dem beraten, gelesen und Kaffee getrunken wird, in dem man zum Stricken oder für Lesungen, Diskussionen oder einfach nur einen Klönschnack zusammen kommt. Kuratiertes Lesen nennt man das auch.
„Jemand ist da und gibt dir eine Empfehlung, was du lesen könntest. Ein bisschen wie wenn jemand in eine Bar kommt. Normalerweise trinkst du gern dieses, aber probier doch mal jenes. Jeder weiß, was er will, aber ich empfehle ihm etwas, was in der Richtung ist, aber besser oder zumindest an das Original rankommt, aber eben einen Ticken geiler und lokaler ist.“, sagt Sara Lisa.
„Was liest du sonst so gerne? Dann kann ich dir sagen, was zu dir passt.“
Die nächsten zwei Monate wird Sara Lisa also im ABC-Magazin-Laden stehen. Warum nur zwei Monate? Nun, sie hat ihren Laden über eine Crowdfunding-Kampagne in die Tat umgesetzt. Die Idee ist, eine Weile austesten zu können, wie die Menschen ihr Projekt annehmen - oder ob sie lieber im Internet bestellen, und Bilanz zu ziehen, ob sich ein Magazinladen finanziell trägt. Außerdem möchte Sara Lisa, dass es ein Gemeinschaftsprojekt ist, bei dem man Geld, Magazine oder eine Veranstaltung beisteuern kann.
Ein Ort, wo man sich zum Lesen trifft. Nur wo soll der sein? Sara Lisas erste Idee war, das Projekt in einem Eisladen umzusetzen, weil diese im Winter untervermietet werden. „Es gibt auch viele coole Eisläden in Hamburg, aber es hat dann irgendwie nie gepasst: Bei dem einen durfte man nach 20 Uhr nicht mehr im Laden sein, weil es Probleme mit den Nachbarn gab, bei dem anderen gab es keine Laufkundschaft.“, erzählt Sara Lisa.
Über das Internet ist sie dann auf die PopUp-Fläche in der Weidenallee gestoßen, die immer wieder neu vermietet wird. Als sie zur Besichtigung gegangen ist, hat sie sich auf Anhieb in die Straße verliebt: „Es hat alles so gelebt. Und in dem Laden gibt es eine Backsteinwand. Ich habe nur noch gedacht: ‚Ich brauche eine Backsteinwand, diese Magazine müssen vor einer Backsteinwand stehen!‘“
„Alles, was ich mir jemals angeeignet und gelernt habe, kann ich jetzt verörtlichen.“
Sara Lisa hat die Wirtschaftsschule gemacht, in der Gastro gearbeitet und dann Journalismus studiert - in diesem Laden findet alles zusammen. Eigentlich wollte sie immer richtig gut in einer Sache sein, aber sie sagt von sich selbst: „Ich bin Generalistin. Die Fähigkeit, so breit gefächert in meinem Interessen zu sein, hat zu etwas Gutem geführt.“ Also hat sie alles genommen, was ihr Spaß macht und es in einen Laden gepackt.
In Berlin ist Sara Lisa immer in ihren Lieblingsmagazinladen gegangen, wurde ein totaler Fan. Damals wohnte sie aber noch in Zürich, wo es so etwas noch nicht gab. Sie zog nach Hamburg und bemerkte nach einem Jahr, dass ein paar Leute genau solch einen Laden in ihrer Heimat Zürich aufgemacht haben. Ein paar nette Nachrichten später, stand das Thema Franchisen im Raum, aber Sara Lisa lehnte dankend ab.
„Ich möchte etwas Eigenes kreieren und in die Welt setzen. Etwas, das meinem Ideal entspricht und das ist, dass nicht nur Magazine verkauft werden, sondern dass man auch eine Beratung bekommt.“, sagt sie. Und das sieht man an den Kategorien im Laden, die möglichst einfach strukturiert sind, damit auch Menschen, die nicht in der Indie-Szene sind, sich reinfinden können. Für Sara Lisa hat dieses kuratierte Lesen auch viel mit Ankommen zu tun, etwas, was einen integriert in die neue Stadt.
„Jetzt ist es spannend zu gucken, ob und wie die Leute darauf anspringen. Das Feedback am Eröffnungstag ist wirklich ziemlich bestärkend in der Idee, die ich hatte.“
In dem kleinen, ganz in weiß gehaltenen Laden - bis auf die Backsteinmauer, vor der sich die Magazine reihen, gibt es im vorderen und hinteren Bereich Sitzplätze. In der Mitte ist Sara Lisas Küche. Die Idee ist: „Du holst dir ein Magazin, setzt dich hin, guckst da mal rein. Wenn du weiterlesen willst, gibt es eine Leseflatrate. Das sind die Wecker dort drüben, die man auf eine Stunde stellen kann. In deinem Leseexemplar kannst du dann eine Stunde lesen und bezahlst einen Betrag, der weitaus geringer ist, als das ganze Magazin zu kaufen. Gefällt es dir, kaufst du es oder du liest eine Stunde weiter.“, erklärt Sara Lisa.
Dazu wird es verschiedenste Veranstaltungen geben. Am 03.11. liest zum Beispiel Daniela Schröder, Autorin vom "Reportagen"-Magazin, zusammen mit Dirk Schneider, Sprecher vom Deutschlandradio. Immer dienstags wird es im November einen Strickabend gemeinsam mit einer Freundin geben, die ein Strickfanzin herausgegeben hat, an dem man von 19 bis 22 Uhr zusammen auf Weihnachten hin einen Pullover strickt.
Weil es um unabhängige Printmagazine geht, wollte Sara Lisa auch im gastronomischen Bereich Dinge nehmen, die man schon mal gehört hat, aber nicht in jedem Sortiment findet. So gibt es Kaffee von El Rojito, einem Verein zur Förderung der lateinamerikanischen und deutschen Freundschaft. Dazu gibt es frischen Minz- und Inger-Zitronen-Tee, Rostock-Brause, Wasser von Viva con Agua, Sauerrhababerschorle, Anjola-Cola und Club Mate, „weil die einfach am leckersten ist, auch wenn die Marke mittlerweile echt groß geworden ist.“
ABC Magazin-Laden | Weidenallee 61 | Dienstag - Freitag: 11-19 Uhr, Samstag 10-17 Uhr | mehr Infos