"Es geht uns auf jeden Fall besser, seit dem wir nicht mehr bei der Arbeit trinken." - Studio Braun

(c) Aileen Tiedemann

Studio Braun blicken in ihrer Werkschau „Drei Farben Braun“ (VÖ: 1.Oktober) auf ihre Karriere zurück und gehen mit einer Show zum Buch auf Tour durch Deutschland.

Wir haben uns mit ihnen über Wortschöpfungen, kreative Tiefpunkte und Butter unterhalten.

(c) Juliane Werner

Im Buch sind auch einige eurer besten Telefonate abgedruckt. Würden euch heute noch so solche Gespräche gelingen wie früher?

Rocko Schamoni: Das ist nicht das Problem. Ich hab immer noch total lustige Ideen, von denen ich wüsste, dass sie hundertprozentig funktionieren. Es ist mir aber mittlerweile zu anstrengend, Anrufe anzubahnen. Der Erste, den du anrufst, schnallt, dass es ein Witz ist. Der Zweite will gerade nicht reden, der Dritte hat gerade seine Ehefrau verloren. Und so geht es weiter. Du musst jemanden finden, der mit dir mitgeht. Von zehn Leuten haben sieben keine Lust. Das zermürbt dich. Das ist Klinkenputzer-Mentalität. Du hast das totale Vertretergefühl. Nach 160 Anrufen willst du den Telefonhörer – die Klinke – nicht mehr in die Hand nehmen. Der Spaß und die Lust gehen dabei verloren.

Jacques Palminger: Ich muss da immer an unsere Gag-Depression in Wollmersdorf zurückdenken. Da hatten wir mit anderen jungen Eltern so ne Art Land-WG. Die Kinder konnten draußen im Garten spielen und wir konnten drinnen saufen. Wir hatten uns dort an einem Wochenende getroffen, um zu telefonieren, aber es hat einfach nicht funktioniert.

Wir haben uns im Supermarkt eine Flasche Metaxa gekauft, ich hab die Anlage aufgebaut, wir waren „ready to go“ – und ne Stunde später lagen wir einfach nur besoffen rum und haben Bäume geguckt, weil uns einfach nichts eingefallen ist. Heute kann ich voller Freude sagen: Nie wieder werden wir irgendwelche Leute am Telefon belatschern.

Heinz Strunk: Das hat vor allem keinen mehr interessiert. Die Leute haben ja gedacht, wir würden richtig viele CDs verkaufen. In Wirklichkeit hat die Plattenfirma das Interesse verloren, weil wir nicht genug verkauft haben. Das Genre wurde auch so mainstreamig. Jeder Frühstücksradiomoderator fühlte sich bemüßigt, seine eigenen unterirdischen Gags zu machen. „A.C.“ von „Radio Rock & Pop 89,0“ hat original einen unserer Gags inhaltlich nachgesprochen.

Ich hab die Festplatte voll mit geilem Scheiß.
Rocko Schamoni

Was schätzt ihr aneinander?

Rocko Schamoni: Jeder hat seine eigene Art von Humor. Da weiß man schon, dass der andere etwas bringt, was man selber so nie erfinden könnte. Das ist ein großer Vorteil.  Ansonsten ist es häufig sehr anstrengend bei uns weil die anderen beiden solche Volltrottel sind.

Heinz Strunk: Ja, was mich anbelangt stimmt das absolut, das würde ich unterschreiben. 

Jacques Palminger: Ich hab richtig Hunger auf Butter.

Rocko Schamoni: Besser geht es uns als Gruppe auf jeden Fall seit dem wir nicht mehr bei der Arbeit trinken.

Ihr habt euch also gegenseitig dabei unterstützt, weniger zu trinken?

Rocko Schamoni: Ja, wir haben das zusammen beschlossen, weil es uns einfach nur fertig gemacht und keinen Spaß mehr gebracht hat. Jetzt können wir freier arbeiten. Wir treffen uns und irgendwann entwickelt sich ein Sog. Man fühlt sich, als würde man gemeinsam Gehirnsport machen. Es regt und strengt einen an. Man kommt zum Ziel und denkt: „Ich freu mich schon auf den nächsten Tag mit euch.“

Jacques Palminger: Das musst du morgen, wenn die Proben zur Tour losgehen, noch mal so sagen.

Rocko Schamoni: Ich freu mich jetzt schon auf morgen!

Heinz Strunk: So eine Carsten-Maschmeyer-Rede hier, ey!

Rocko Schamoni: Das ist ne Schweinerei. Ich meine das ernst! Ich hab die Festplatte voll mit geilem Scheiß.

Heinz Strunk: Es ist ja auch genau so, wie du sagst. Gerade wenn es ums Neuerfinden geht, halte ich es oft nicht für möglich, dass uns was einfällt. Aber dann stellen sich unsere Hirnwindungen auf die neue Aufgabe ein und nach drei Stunden läuft es.

Jacques Palminger: Kann ich die Butter aufessen?

Heinz Strunk: He, lass mir auch noch was! (Kreischt hoch und schrill, versucht Jacques zu kratzen).

Was bereut ihr, wenn ihr auf eure Karriere zurückblickt?

Rocko Schamoni: Ich könnte auf die Hälfte meines Werkes verzichten. Von unseren Telefonaten finde ich einige richtig gut und viele weniger. Das waren Tests. Am Ende wünscht man sich, man hätte nur die sieben Hits geschrieben. Trotzdem gibt es da noch 40 andere Songs, die nicht so gut geworden sind. Das geht übrigens allen Künstlern so, aber die meisten mögen das nicht zugeben.

Jacques Palminger: Wir hatten mal ein Büro in einem ehemaligen C&A-Gebäude mit einem wunderschönen Proberaum. Den haben wir nie genutzt, weil wir eine Gag-Depression hatten. Das bereue ich. Gleichzeitig weiß man aber auch: Krisen sind notwendig. Daraus haben wir gelernt. Da muss man durch. Insofern: Je ne regrette rien.

Heinz Strunk: Ich hätte aus meinem Berufsleben gern etwas die Luft rausgelassen. Ich wäre gern zehn Jahre jünger, weil es noch so viel zu tun gibt. Es wäre blöd, wenn ich dazu nicht käme, weil meine Pumpe nicht mehr mitmacht. Meine Zeit als Musiker bei Tiffany’s (ehemalige Tanzkappelle, in der Heinz Strunk Klarinette gespielt hat) war wohl aber eine nötige Lehrzeit.. „Fleisch ist mein Gemüse“ hätte ich nicht schreiben können, wenn ich nur zwei Jahre in dieser Band gespielt hätte. Da waren eben 12 Jahre Leidenszeit notwendig.

Wenn man in den Volksmund übergeht, hat man es geschafft.
Rocko Schamoni

In Hamburg sind einige eurer Wortkreationen schon in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen. Ist das euer Ansporn?

Rocko Schamoni: „Lockengelöt“ ist so ein Wort. Noch bevor es das gleichnamige Geschäft gab, kam ich zufällig bei der Mayday Parade an der Alster vorbei, wo ein zehn Meter langer Truck rumgefahren ist, auf dem in riesengroßen Buchstaben LOCKENGELÖT stand. Ich dachte: Hä? Was ist denn jetzt los? Und mir wurde klar: Jetzt sind wir gelandet. Wenn man in den Volksmund übergeht, hat man es geschafft. Jeder von uns möchte einmal im Leben so etwas geliefert haben wie „Alles paletti“. So ein Ding in den Volksmund reingeschraubt zu haben, von dem du weißt, das wird noch in 80 Jahren gesagt, das ist natürlich das eigentliche Ziel unserer Arbeit: den Volksmund zu stopfen! 

Rocko Schamoni: Ich bin mir auch sehr sicher, dass wir „Wie geil ist das denn?“ im allgemeinen Sprachgebrauch etabliert haben, obwohl es nicht von uns kommt. Erst nach unserer ersten CD hat sich der Ausspruch in der deutschen Sprache verfestigt. Die Leute haben die CD gehört und sich die Begriffe davon runtergezupft.

Heinz Strunk: Mein Gott, Walter!

(c) Aileen Tiedemann

Das Interview wurde von Aileen Tiedemann geführt.

Zurück zur Startseite