Neu in Hamburg: Hansecity, wir müssen reden. Was geht mit deiner Gastroszene?
Was geht mit deiner Gastroszene? Besser sollte ich fragen: Was geht alles nicht und vor allem, warum?
Als ich nach Hamburg zog, war ich voller Vorfreude: Die zweitgrößte Stadt Deutschlands, Handelsmetropole - da müsste doch so einiges gehen in Sachen kreativer, abwechslungsreicher, moderner Küche. Bisher bin ich enttäuscht worden. Klar, man muss hier nicht verhungern, es gibt ein paar gute Pizzerien, Chinarestaurants, Fischbrötchen und das Carmagnole. Aber kann das allen Ernstes alles sein? In dieser Stadt, die einige der besten Bars Deutschlands beherbergt, hinkt das gastronomische Angebot hinter dem Cocktailangebot weit hinterher. Trinkt der Hamburger am Ende lieber als das er isst?
Abwechslung - verzweifelt gesucht
Jede zweite Neueröffnung ist ein Burgerladen. Auf Foodtruckfestivals gibt es mehr Burgerbratereien als das man sie noch an einer Hand abzählen, geschweige denn ausprobieren könnte. Muss das so? Nix gegen gute Burger, ich mag sie wirklich gerne, ebenso wie die mittlerweile allgegenwärtigen Süßkartoffelfritten, aber das kann doch nicht das einzige sein, was einer Millionenstadt in Punkto kreative Küche einfällt? Wir schreiben mittlerweile das Jahr 2016 und nicht mehr 2006. Burgerbratereien mit Biorind und handgeklöppelten Pommes sind leider ungefähr so innovativ wie das Musikantenstadl.
Neue Ideen - Fehlanzeige
Es ist nicht so, dass in Hamburg gar keine neuen Restaurants eröffnen würden, aber gefühlt sieht alles gleich aus. Da öffnet dann der zehnte lieblose Kettenburgerladen oder eines dieser ungemein niedlichen Tagescafés, in denen man zwar guten Kaffee aber kein Abendessen bekommt.
Oder es wird gleich so richtig schick, dass ich mich ohne dreiwöchige Kniggeschulung schon beim Anblick der Homepage unwohl fühle. Die Preisgestaltung treibt mir dann endgültig die Tränen in die Augen.
In einer so großen Stadt sollte eigentlich auch Platz sein für irgendetwas zwischen Peter Pane und dem Mövenpick. Gut gemachte Pop-Up-Läden sind leider eine Seltenheit. Wenn allerdings "Salt&Silver" für zwei Wochen irgendwo sesshaft werden, brummt der Laden jeden Tag. Potentielles Publikum ist also da, sollte man meinen. Wenn da nicht das "Carmagnole" wäre, dass sein Brunchangebot wieder einstampfen muss. Rindstartar, Cocktails und Avocadobrot zum Frühstück - kann das allen Ernstes schon zu viel Abwechslung sein fürs geneigte Publikum? Ihr seht mich ungläubig staunend.
Warum gibt es keine mutige Norddeutsche Küche?
Immer, wenn ich neidisch nach Berlin schaue (und das tue ich eigentlich eher selten), sehe ich dort kreative Köche, die klassische deutsche Gerichte liebevoll neuinterpretieren. Da wird versucht, möglichst viele Teile des Tieres zu verwenden, ausschließlich mit regionalen Produkten gekocht. Wenn zahlreiche Berliner Restaurants es schaffen, dass meine Freunde plötzlich reihenweise von Innereien und Blutwurst schwärmen, dann sollte es doch möglich sein, Scholle, Labskaus und Rote Grütze so zubereiten, dass man sich nicht in die 1960er Jahre zurückversetzt fühlt. Spannender als der nächste Steak/Süßkartoffelfritten/Burgerladen ist es allemal.
Hamburg, please prove me wrong
Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass das alles nur ein riesengroßes Missverständnis ist. Liegen die kreativen Konzepte nur versteckt in irgendeiner Schublade im Dornröschenschlaf? Bin ich am Ende immer in den falschen Ecken unterwegs? Fragen über Fragen.