Warum dein Auslands-Freiwilligendienst niemandem hilft - außer dir.

© Frontierofficial (CC-BY-2.0)

Schön sieht das aus, dein neues Facebook-Profilbild. Darauf kniest du inmitten einer Gruppe unglaublich süßer Kinder. Alle lachen. Schön ist das. In Afrika bist du? Wow! So exotisch! So mutig! In einem Waisenhaus auch noch? Wow! Krass! Deinetwegen wird die Welt ein bisschen besser!

Ich finde das nicht schön. Ich finde das ignorant. Ehrlich gesagt gesagt möchte ich auf mein Handy brechen.

Ja, ich weiß nichts über deine persönlichen Beweggründe, über deine Erfahrungen, über den Hintergrund dieses Bildes. Aber in den meisten Fällen rolle ich trotzdem mit den Augen, wenn ich solche Bilder sehe. Und ich finde, du solltest wissen, warum.

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Kolonialherrschaft 2.0 oder was?

Freiwilligenarbeit ist in Mode. Eine simple Google-Suche nach dem Wort ergibt diverse Anbieter, die (natürlich gegen Geld) Freiwilligendienste im Ausland anbieten. In Namibia Zebrababys pflegen, in Thailand Lehmhütten bauen, in Brasilien Waisenkindern helfen: Es gibt kaum ein Projekt, das es nicht gibt. Natürlich alle in Ländern, die irgendwie "exotisch" sind. Wie praktisch! Du hast Bock auf Ausland, willst aber nicht wie alle anderen Work and Travel in Australien machen? Dann ist ein Freiwilligendienst wie für dich geschaffen! Genau die richtige Mischung aus Urlaub (“Thailand ist ja so billig und schön!”), Arbeit und gutem Zweck - ungefähr so bewerben viele Anbieter ihre Angebote.

Aber seien wir ehrlich: Welcher dieser drei Punkte hat bei der Auswahl des Programmes wirklich Priorität? Warum bezahlst du Geld dafür, an ein thailändisches Elefantenbaby-Pflegeprojekt vermittelt zu werden, statt in deinem örtlichen Tierheim zu helfen? Warum buchst du einen Flug, dessen Abgase mehr Bäume verpesten werden, als du in den indischen Mangrovenwäldern jemals nachpflanzen kannst? Bestimmt nicht, weil es dir nur um die Sache geht.

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“Schön, dass du hier bist, aber deine Arbeit wird niemandem etwas bringen”

Klar, dieses Weg- und Rauswollen, ist sicher einer deiner Gründe. Löblich sogar, dass du es mit einer (zumindest oberflächlich) guten Sache verbindest. Aber bitte, bitte hör auf damit, so zu tun, als würde dein Urlaub alias Freiwilligendienst die Welt verändern. Das tut er nicht, und das solltest du eigentlich wissen. Woher ich es weiß? Ich habe selbst Freiwilligenarbeit geleistet. Und das erste, was meine Organisation mir zur Vorbereitung mitteilte, war nicht etwa, welche Malariatabletten mir am wenigsten Sonnenbrand einbringen würden, sondern dass meine Arbeit eigentlich niemandem etwas bringen würde - außer mir.

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Bevor meine Organisation (ijgd, Shoutout an die real MVPs!) irgendjemanden auf die Menschen in den Freiwilligenprojekten losließ, wurden zuerst einmal alle Bewerber*innen bei einem Vorbereitungstreffen versammelt. Ich bin bis heute dankbar dafür, wie schonungslos bei diesem Treffen unser aller Seifenblasenvorstellungen von Entwicklungs- und Freiwilligenarbeit systematisch zerstört wurden. "Für wen macht ihr dieses Projekt?", war eine Frage, die anfangs in die Runde geworfen wurde. Alle Antworten à la "Für die Kinder/Babyschimpansen/Umwelt/Menschheit" wurden in ihrer Verblendung unglaublich treffend enttarnt durch die simple Entgegnung: "Nein. Selbst wenn ihr das glaubt - ihr tut das hier in erster Linie für euch selbst."

Ich wurde bis dato noch nie so schnell so gründlich desillusioniert wie an diesem Wochenende. Wir lernten unfassbar viel: Über kulturelle Unterschiede, soziale Ungleichheit, die Verteilung von Ressourcen, die Anteile verschiedener Länder an der Umweltverschmutzung - vor allem aber über unsere eigenen Privilegien.

Wer diesen Test von Buzzfeed macht, bekommt ein ganz gutes erstes Bild davon, mit welchen Fragen wir uns in diesem Zusammenhang auseinandersetzten.

Know your privilige

Nichts wollte meine Organisation so dringend vermeiden wie eine Gruppe Freiwilliger, die in ein fremdes Land, eine fremde Kultur und vollkommen fremde Lebensrealität platzen und sich anmaßen, den Menschen dort die Welt erklären zu können, weil sie es aufgrund ihrer europäischen Herkunft ja wissen müssen.

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Ja, wir kommen aus einem Land mit Privilegien und einem Lebensstandard, der in vielen der Freiwilligendienst-affinen Länder in weiter Ferne liegt. Das berechtigt uns allerdings nicht dazu, genau diesen Standard mit den Mitteln, die wir kennen, einfach in unsere Gastländer copy-pasten zu wollen. Klappt nämlich nicht - hat noch nie geklappt.

Freiwillige machen in der Regel mehr Arbeit, als sie tatsächlich leisten

Freiwilligendienstleistende sind in allererster Linie eines: Fremde und Gäste. Sie retten niemanden, sie bringen nicht die große Erleuchtung, sie machen mit ihrem Auftauchen in den Projekten nicht die Welt auf einmal besser. Nein. Sie werden aufgenommen, meist unglaublich gastfreundlich. Ihnen wird die lokale Kultur erklärt, meist extrem geduldig. Sie machen in der Regel mehr Arbeit, als sie tatsächlich leisten: Man muss ihnen Sprache, Sitten und Arbeitsabläufe in ihrem Gastland und Projekt erklären.

Und das immer wieder, denn nach einer verhältnismäßig kurzen Zeit haben sie genug gesehen, die Welt gerettet, Abenteuer erlebt und gehen zurück in ihr weißes IKEA-Zuhause. Die Menschen, für die sie in ihrem Projekt eventuell Bezugspersonen waren, müssen sich umgewöhnen, anpassen, immer, immer wieder. Davon bekommen besagte Bezugspersonen allerdings meist schon nichts mehr mit.

Die sind zu diesem Zeitpunkt schon viel zu beschäftigt damit, zu erzählen, wie hart es gewesen sei, sich auf die neue Kultur einzustellen, wie sehr sie den Menschen "da drüben" aber auch geholfen hätten und dabei einfach mehr zu sich selbst gefunden haben. Das finde ich kurzsichtig und auch ein bisschen erschreckend.

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Du bist kein Held

Genau wie die Anzeige für Freiwilligendienste, die ich vor Kurzem sah, die mit folgendem Satz warb: "Wer die Welt verbessert, darf sie auch bereisen."

What the actual fuck?! Nein! Genau diese Idee fördert naiv-privilegierte Freiwillige à la "Savior Barbie" (von der auch alle Bilder in diesem Text stammen), die glauben, ihre Reise folge irgendeiner höheren Berufung. Spoiler: Tut sie nicht.

Arbeit in Entwicklungsprojekten ist super und wichtig, keine Frage, aber man muss dafür nicht um die Welt reisen. Man kann die Welt auch genau da besser machen, wo man jetzt ist - und ohne die ökonomische Struktur eines Landes noch enger an den Tourismus zu ketten. Ja, man kann die Welt bereisen - wenn man das Geld hat. Lasst uns bitte aufhören, so zu tun, als hätte eine sog. "Mission" oder ein Freiwilligendienst irgendetwas damit zu tun. Freiwilligendienste sind vieles, aber nicht selbstlos und nicht heldenhaft. Sie sind letztendlich eine Spielwiese für finanziell gut gestellte privilegierte Menschen - und dafür muss man sich selbst wirklich keinen Orden verleihen, indem man auf seinem Profilbild zwischen kleinen Kindern steht und Reis verteilt.

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