Den Klassiker getestet: Zu Tisch im Tiefenthal
Das Tiefenthal in Eppendorf zählt zu den Restaurant-Institutionen Hamburgs. Eine von der Sorte, dass man kaum mehr hingehen möchte, weil man nicht sicher ist, ob sie nur sehr lange von einem ehemals guten Ruf profitiert, der längst eingestaubt und überholt ist. Also sind wir ganz unangekündigt in Eppendorfs Schickeria-Szene eingekehrt und haben das Tiefenthal auf drei Gänge und Wein getestet.
Auf den ersten Blick
Direkt an der U-Bahn Eppendorfer Baum gelegen, sammelt das Restaurant allein durch die gut angebundene Lage Pluspunkte. Das schlicht schöne Haus mit der großen Terrasse passt optisch galant in die Eppendorfer Altbauromantik: Ganz schön schön und ein bisschen spießig.
Beim Betreten fällt uns gleich die große, einladende Bar auf, an der man für einen Kaffee, einen Drink oder einen Snack Platz nehmen kann. Wenige Stufen weiter oben setzen wir uns an einen der dunklen Holztische. Der Speiseraum ist in olivgrün gehalten, durch die großen Fenster fällt selbst an trist grauen Herbsttagen wie diesem genügend Licht auf die Teller.
So wird man begrüßt
Kaum dass wir unser Testrevier bezogen haben, steht unsere Bedienung für dieses Essen neben uns, begrüßt uns höflich und überreicht uns die Speisekarten. Weder zu aufdringlich, noch zu abwesend ist sie präsent, ohne zu stören.
Das steht in der Karte
Im Tiefenthal gibt es an Wochenenden und Feiertagen diverse Frühstücksvariationen von 10 - für Langschläfer - bis 16 Uhr. Gott sei Dank kein laut klapperndes, unangenehm riechendes Buffet, das uns bei unserem Mittagessen stören könnte. Unter der Woche könnten wir auch zum Mittagstisch greifen, der von 11:30 bis 18 Uhr serviert wird.
Zum sonntäglichen Lunch essen wir à la Carte: Fünf Vorspeisen stehen zur Auswahl, zwei Suppen, drei vegetarische Speisen, sieben Hauptgänge, drei Desserts und einige Kleinigkeiten. Eine überschaubare, stimmige Karte. Ich begrüße das sehr, neige ich doch zu Entscheidungsschwierigkeiten, wenn ich mich zwischen zwanzig Pastavariationen und dreißig Pizzen entscheiden müsste.
Wir bestellen zum einen den Tiefenthal Salat mit Himbeerdressing und Parmesan, Roastbeef mit Bratkartoffeln und Remoulade und Crème Brûlée mit Sharonkompott als Dessert und zum anderen gebackenen Rohmilch-Camembert mit Preiselbeercreme und Wildkräutersalat, Tagliatelle in Ziegenrahmsauce mit Pilzen und getrockneten Tomaten, sowie das Schokoladenmalheur mit Mandarinensorbet zum krönenden Abschluss. Dazu gibt es Wasser und eine Karaffe Grauburgunder.
Atmosphärisch: Heiß oder Scheiß?
Am Nebentisch frühstückt ein Eppendorfer Papa mit seiner kleinen Tochter, einen Tisch weiter ein junges Pärchen. Hinter uns haben sich mehrere Freunde eingefunden, in der nächsten Ecke ein älteres Ehepaar. Es ist bunt gemischt, aber Eppendorf, das sieht man allen an der Nasenspitze, den Wollmänteln und Longchamptaschen an. Macht ja nichts, nett ist es trotzdem. Nur ein wenig laut.
So lang hat’s gedauert
Die Bestellung wird zügig, freundlich und ohne unnötige Rückfragen entgegen genommen. Noch bevor unsere Getränke eintreffen, wird uns Brot und Butter gereicht. Bis die Drinks auf dem Tisch stehen, vergehen zehn Minuten. Die Vorspeise lässt ebenfalls nicht lang auf sich warten, der Hauptgang wird genau in der Zeitspanne gereicht, dass wir zwischen den Gängen ausreichend Zeit für sonntäglichen Klönschnack haben.
Dann passiert sehr lang nichts. Und wieder und weiter nichts. Gerade als ich beschließe, nach dem Dessert zu fragen, kommt die Bedienung an unseren Tisch: „Entschuldigen Sie vielmals, beim Dessert ist die Küche offensichtlich hängen geblieben. Darf ich Ihnen für die lange Wartezeit Kaffee aufs Haus anbieten? Das Dessert wird in acht Minuten bei Ihnen sein.“ Auf jeden Fall, das dürfen Sie. Aber zuvor muss ich noch über den guten, reflektierten und kundenorientierten Service staunen.
Das kam auf den Tisch
Der gebackene Camembert auf dem Salatbeet war knackig, kross und lief beim Anschneiden aus. Perfekt, so mag ich ihn. Wer kann zu heißem, flüssigen Käse denn auch schon nein sagen? Auch der Salat war knackig und frisch, besonders das Dressing hat überzeugt.
Zum Roastbeef kann ich als Vegetarier leider keine Meinung abgeben, hörte von meinem Gegenüber aber nur lobende Worte: Rosig war es, nicht zu durch, nicht zu roh, zart und schlicht lecker. Die Bratkartoffeln trieften nicht vor Fett, sonder bestachen in Geschmack und Knusprigkeit. Meine Penne hätte durchaus weniger Öl vertragen können, war aber ebenfalls ausgezeichnet gewürzt.
Das Schokoladenwunder, das dann folgte, stellte alles Vorangegangene in den Schatten: Zu dem zart schmelzenden Mandarinensorbet, das geschmacklich nicht zu süß, sondern intensiv fruchtig war, gesellte sich ein Schokoladenküchlein, das sich beim Anschneiden in einen Schokoladenspiegel verwandelte. Empfehlenswert! So gut die Crème Brûlée auch war, mit dieser Schokoexplosion konnte die etwas zu zuckrige Masse nicht mithalten.
Servicewüste Deutschland?
Ich habe im unterkühlten Eppendorf mit einem eher zurückhaltenden und abgehobenen Service gerechnet. Schande über meine Vorurteile. Die Bedienung war höflich, zuvorkommend und interessiert an unseren Wünschen - ganz ohne dass sie wusste, dass wir zum Testen vorbei gekommen sind.
Nach jedem Gang wurde sich erkundigt, ob es uns schmeckt. Es wurde nachgeschenkt, aufmerksam in die Gläser und auf die Teller geschaut. Die dreckige Gabel wurde entfernt, bevor wir überhaupt bemerken konnten, dass der Geschirrspüler gepatzt hat. Für die lange Wartezeit beim Dessert gab es Kaffee und Tee aufs Haus. Dabei war die Bedienung nie zu aufdringlich, ließ uns genug Raum für ein entspanntes Essen.
Oben hui, unten pfui?
Aber was wäre dieser Test ohne einen Blick in die Waschräume? Ich weiß nicht mehr, wer es sagte, aber: „Ein gutes Restaurant erkennt man an den Toiletten. Wer in den Waschräumen patzt, versagt auch in der Küche.“ Die Toiletten des Tiefenthal findet man auch ohne nachfragen zu müssen im Keller. Geräumig und sauber ist es hier und es gibt keinen Grund zur Beanstandung.
Das hat’s gekostet
Die drei Gänge für zwei Personen mit einer Flasche Wasser und einer Karaffe Wein haben uns 83,17 Euro gekostet. Nicht ganz günstig, für die Qualität der Speisen und den Service aber absolut angemessen.
Tiefenthal | Isestraße 77 | Montag - Sonntag: ab 11:30 Uhr | mehr Infos