Turid im Lila Nashorn

Liebe Freunde, wir haben ein Date. Eigentlich ist es sogar ein Blinddate und ich hoffe, ihr seid genauso aufgeregt wie ich. Das Tolle: Wir werden uns jetzt öfter sehen, und das nicht einfach so, sondern zur wohl schönsten Sache der Welt. Genau, zum Essen.
Wir werden gemeinsam die kulinarischen Höhen und Tiefen Hamburgs erkunden, Aperitifs schlürfen, zweite Portionen bestellen, mäkeln und uns näher kommen. Ihr Lieben, ich freue mich drauf!


So, und welche Gaumenfreuden gönnen wir uns nun zum Einstand? Ich habe mich für das Lila Nashorn in Ottensen entschieden, meine Freundin Janina eingepackt und sie wiederum ihren Fotoapparat. Ein Besuch dieses Etablissements in den Zeisehallen ist ein Fest, zu dem wir euch gerne mitnehmen möchten:
Viele verbinden die Lokalität zunächst mit dem aktuellen Kinoprogramm und weniger mit einem ausgedehnten Restaurantbesuch. Das sollte sich aber unbedingt ändern. Das lila Nashorn ist nämlich der neue Star am Himmel des kulinarischen Hanseaten-Hollywoods.

Gleich nachdem wir unseren Platz im Angesicht der offenen Schauküche eingenommen haben, trumpft der adrette Alain mit Hosenträgern und Aperitif auf. Es gibt Crémant. Herrlich. Es folgt ein Blick in die kleine aber feine Karte. Hier gibt es allerlei Experimentelles zu entdecken, meist ungewohnte Mischungen aus Fisch und Fleisch, sowie äußerst kreative Konstellationen. „Krosser Zander auf Rieslingkraut mit gebackenen Blutwursttaschen“ erfüllt mich zunächst mit einer gewissen Skepsis, stimmt mich dann aber doch irgendwie neugierig. Für Vegetarier hält die Karte wenig bereit, verspricht aber in einem extra Absatz, auf solche Neigungen gerne auf Nachfrage einzugehen. Den Service testen wir direkt, denn Janina zählt tatsächlich zu dieser mittlerweile nicht unbeachtlichen Bevölkerungsgruppe.

Und weil sich das Lila Nashorn das Prinzip „Genuss“ groß auf die Fahne schreibt, gönnen wir uns heute mal etwas und schlemmen uns entzückt durch ein Drei-Gänge-Menü. Man muss sagen, dass die Preise für die durchaus gehobene Küche wirklich sehr moderat sind. Ein Hauptgang kostet zwischen 20 und 25 €. Und genau das macht das Konzept hier auch aus: Maximaler Genuss mit minimaler Abgehobenheit – ein sympathisches Auftreten, das Lust zum Bleiben macht. Denn die wenigsten verlassen das Lila Nashorn nach dem Niederlegen des Dessertlöffels. Ein gemütlicher Platz am Tresen, der ein oder andere Obstler und gut gelauntes Personal sind die Grundlage für tiefgründige Gespräche, musikalisch untermalte Abende und klassische Versacker...


Doch zunächst zurück zu den Gaumenfreuden: Während ich noch das leckere Brot mit Olivenöl aus einer Pipette beträufel und anschließend mit Salz aus einer Caviardose bestreue (Tolle Spielerei, die hier jeden Tisch ziert), serviert Alain Thunfischcarpaccio mit Grapefruit-Vinaigrette und Kräutersalat. Janina bekommt eine fischlose Variation, beides ist wunderschön auf Granitplatten drapiert und schmeckt so frisch wie ein kalter Bergsee.


Als Hauptgang freue ich mich dann über Baltip vom Rind mit Erbsencreme, geräuchertem Blumenkohl und Lardo. (Über die Bedeutung von „Baltip“ und „Lardo“ musste ich zugegebener Maßen heimlich mein Handy unterm Tisch befragen. Falls ihr mit dem Vokabular ebenfalls nicht ganz so vertraut seid, kann ich euch flüstern: Baltip lokalisiert das Stück Fleisch im Kuhkörper, irgendwo in der Keule, schön zart. Und Lardo ist ein italienischer Speck. Aha.) Fazit: Der wirklich sehr rauchige Geschmack ist ungewohnt, aber trotzdem unaufdringlich genug, um zu überzeugen. Schön, wenn die Geschmacksnerven manchmal noch dazulernen können! Janina schwärmt währenddessen von ihren Steinpilzgnocchis und der exotischen Masala-Sauce.



Alex kommt hinter der Glasscheibe hervor und fragt, ob es schmeckt. Und wie! Alex, das ist einer der beiden Chefköche und Begründer des Lila Nashorns. Schon der erste Satz verrät seine Herkunft: Berlin, wa?! Der Mann trägt das Herz auf der Zunge. Macht ja auch Sinn, wenn man kocht.

Ein halbes Jahr betreiben Alexander Bachmann und Michael Köhn nun gemeinsam das Restaurant mit dem farbenfrohen Namen und sind alles andere als gehörnt: „Die Grundidee war es, einen Laden zu machen, wo es laute Musik gibt, aber Essen im gehobenen Stil. Ich glaube, das ist uns ganz gut gelungen,“ sagt Alex und wir stimmen zu. Seit zwanzig Jahren stehen er und Michael schon am Herd, vorher jedoch nie gemeinsam, und verwirklichten sich hier mit dem Nashorn in der ehemaligen Schiffshaubenfabrik einen Traum:
Deutsch-regionale Küche – in Ottensen fast schon eine Seltenheit – mit einem Fuß im Tor zur Welt. Der Kreativität sind auf der saisonbedingten Karte kaum Grenzen gesetzt, dennoch bleibt man sich stets selber treu. Auch beim Mittagstisch bietet man Oma’s neu interpretierte Hausmannskost an.


„Wir wollen mit dem Lila Nashorn einen Raum schaffen, in dem jeder Hemdkragen irgendwann platzt, oder im besten Fall aufgeknöpft wird. Manche Leute sagen, wir seien für das, was wir bieten zu billig, aber für uns geht die Rechnung so auf. Das hat auch etwas mit Idealismus zu tun,“ erklärt Alex und der Erfolg des ersten halben Jahres gibt ihm Recht. Mittlerweile hat uns die süße lila Pause, eine kleinteilige Dessertvariation das Herz verklebt und den Abend versüßt. Wir sind beglückt und zufrieden.

Zum Schluss noch ein Obstler und dann ab nach Hause. Wir müssen unseren ersten gemeinsamen Abend ja schließlich erst einmal sacken lassen. Oder? Auf dem Weg zur Tür bleiben wir natürlich noch auf ein Glas Wein am Tresen hängen. Oder zwei...





FACTS:
Lila Nashorn
Friedensallee 7-9
22765 Hamburg
Telefon: 040/18122382
E-Mail: [email protected]
lilanashorn.wordpress.com

Fotos: Janina Alff

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