Singlelicious: Vom Ich zum Wir
Zu Schulzeiten dachte ich: Wenn du in deinen Zwanzigern steckst, dann bist du erwachsen. Eigene Wohnung, geregelter Alltag und ein Freund, als potenziellen Ehemann. Pustekuchen. Aber auch halb so wild. Lieber stolpere ich mit meiner Freundin in der rechten Hand und einem Glas Prosecco in der linken durchs Singledasein. Wer meine Wege kreuzt und welche Geschichten mein Leben schreibt erzähle ich euch in meiner Kolumne „Singlelicious“.
Folge 2: Aus zwei mach eins – das große Wir
Vor gar nicht mal all zu langer Zeit verkündete mir meine Freundin stolz, dass sie nun Veganerin sei. Obwohl: so ganz richtig ist das nicht. Genau genommen sagte sie "Wir sind jetzt vegan". Der Zweite im tierleidfreien Bund ist natürlich – ganz klar – ihr fester Freund. Sie erzählte mir das mit einer solchen Selbstverständlichkeit, als wären die zwei bereits zu siamesischen Zwillingen verwachsen. Ich redete es mir noch schön, dachte: ach komm, halb so wild. Die können auch noch ohne einander. Nein, können sie nicht und anscheinend auch niemand anders mehr.
Was genau habe ich diesen Sommer verpasst?
Jetzt, wo meine Antennen gespitzt waren, sah ich überall nur noch das Wort "Wir": Pärchen befreundeten sich in meinem Bekanntenkreis, fuhren zusammen in den Urlaub. Wiederum andere wurden vegan – gemeinsam. Meine erste Freundin steckte mir, dass sie in vier Monaten Mutter werden würde und irgendwie besteht seit diesem Sommer alles nur noch aus ersten gemeinsamen Wohnungen, Familienurlauben und Kochabenden. Und dem großen Wort: WIR.
Alle spielen jetzt Golf, jeder fährt Passat || Keiner tätowiert sich Wu-Tang auf'n Arsch || [ … ] || Niemand hat 'nen Trichter, alle saufen Wein || In der guten alten Zeit war'n alle Donnerstags schon breit ||Marteria in seinem Song "Kids"
Natürlich freue ich mich, wenn meine Freunde glücklich verliebt sind. Doch bei mir werfen sich seit dem Love-Overkill zwei Fragen auf:
A. Seid ihr eigentlich bekloppt eure besten Jahre einer einzigen Person zu schenken und sie nicht komplett auszukosten? (Damit meine ich nicht den Lebensstil, den Marteria besingt, sondern bloß, dass es so viel mehr auf der Welt gibt, als Chefkochrezepte und die ewig gleichen Streitereien)
B. Bin ich echt so unreif und einfach nicht bereit für das große "Wir"?
Ich bleibe erstmal Ich – das reicht, zumindest erstmal
Der größte Gewinn meiner Zwanziger – zumindest bis jetzt: Die Einsicht, dass nicht jeder den gleichen Lebensentwurf verfolgt. Während ich mir meine Zukunft mit beruflichen Erfolgen, wilden Geschichten und eigener Zufriedenheit zurecht male, verwirklichen meine Freunde und Bekannten eben Kinderwünsche, kochen gemeinsam oder fahren ins Spa. Das heißt aber auf gar keinen Fall, dass ich sie weniger liebe oder cool finde. Wir alle haben unterschiedliche Ziele und das ist gut so, denn nur so können wir voneinander lernen.
Und ob ich eines Tages noch bereit bin für ein Wir? Bestimmt, sobald der Richtige um die Ecke stolpert. So lange kümmere ich mich aber um mich und das, was mir wichtig ist.