Reisevergnügen: In zwei Flugstunden von Hamburg zum Ende der Welt
Nur zwei Flugstunden von Hamburg entfernt findet ihr das Ende der Welt: Die Färöer Inseln heben sich mitten aus dem Atlantik zwischen Norwegen, Schottland und Island empor. Aus dem azurblauen Meer ragen beim Anflug baumlose, gelbgrüne Gebirgsmassive durch die letzte Wolkenschicht. Drei Flieger landen hier täglich aus Kopenhagen und treten kurze Zeit später den Rückflug in die dänische Hauptstadt an.
Am Mietwagen-Schalter werde ich namentlich begrüßt - so wenige Menschen zieht es auf die Färöer.
Am Mietwagen-Schalter werde ich namentlich begrüßt - so wenige Menschen zieht es auf die Färöer. Vor dem Flughafengebäude ist weit und breit - Nichts. Keine Stadt, keine Industrie, nur Natur. Ich steige in das Auto und muss nicht einmal das Navi anschalten, weil sich so wenige Straßen durch das endlose Grün winden. Ich kann mich kaum auf das Autofahren konzentrieren, weil mich die raue Landschaft, die ein wenig an die Highlands erinnert und dann wieder ganz eigen ist, so beeindruckt. Ich halte immer wieder an, steige aus und lasse den Blick über die Berge und das Meer schweifen: Kein Ort ist hier mehr als fünf Kilometer von Meer entfernt. Fast jedes kleine Dorf hat an einen Hafen, nicht weit sind die Fischaufzuchtbecken zu sehen. Landeinwärts schlängeln sich die Straßen in Serpentinen die Berge rauf und runter oder führen durch unbeleuchtete kilometerlange Tunnel.
Meine Unterkunft ist in der Hauptstadt Torshavn, hier leben 17.000 der 49.000 Färöer, aber nur wenige der 80.000 Schafe. Torshavn ist der ideale Ausgangspunkt, um die 18 Inseln mit dem Auto, dem Helikopter und den Fähren zu erkunden. Nicht jede der kleinen Inseln ist über einen Tunnel mit den großen Inseln verbunden, fast alle sind aber mit der Fähre zu erreichen, einige wenige allerdings nur mit dem Helikopter - der dafür aber staatlich subventioniert wird, damit Pakete, Nahrungsmittel und Menschen von A nach B kommen.
Man kennt sich auf den Inseln.
Die Färöer sind ein zufriedenes und bodenständiges Volk: Sie lieben die Abgeschiedenheit ihrer kleinen Nation. Bei ein, zwei, drei Guiness im Pub begrüßen sie mich freundlich und offen, sind interessiert an meiner Reise und dem Leben in der weiten Welt - tauschen wollen sie trotzdem nicht: Sie haben Arbeit, ein Haus und die Verwandten und Freunde sind in maximal einer Stunde erreichbar. Man kennt sich auf den Inseln: "Das da drüben steht mein Cousin. Der, der neben meinem Arbeitskollegen steht.", sagt Joanna, die ich an einem Abend im Pub kennen lerne. "Und mit genau dem bin ich zur Schule gegangen. Mit seiner Schwester bin ich verheiratet. Da drüben steht sie.", erzählt ihr Begleiter.
Eine so enge Gemeinschaft sorgt für einander und für Sicherheit: Auf den Färöer Inseln gibt es nur ein Gefängnis. Auf die Frage, wer dort einsitzt, antwortet Joanne: "Ach, ein paar Leute nur. Die meisten, weil sie gefahren sind und getrunken hatten. Ein paar andere wegen Körperverletzung - das war's." Auch das Parlament - in roten Holzhäusern am Hafen untergebracht - verzichtet auf die in anderen Hauptstädten existierenden Bannmeilen mit Videoüberwachung und hohem Zaun. Am Hafen laufe ich zwischen den Parlamentsgebäuden und fotografiere, genieße die Aussicht vom Steg auf den Hafen und winke Abgeordneten durch die Fenster.
"Vielleicht" ist hier Lebenseinstellung.
Beschaulich ist es hier und ruhig. Die Färöer sind gelassen - das Wetter lässt ihnen auch gar nichts anderes übrig. In einer Stunde kann es von Sonnenschein, über Regen, zum Schneesturm und zurück wechseln. "Vielleicht" ist hier Lebenseinstellung. Außer an Samstagen: Da sind ab Mitternacht die sonst hochgeklappten Bürgersteige der Hauptstadt voll. In allen Pubs und Gassen sind die Menschen unterwegs, stoßen an und tauschen sich aus, bis es wieder hell wird.
In dieser Nacht lerne ich nicht nur Joanne kennen, die mir für die nächste Reise ein Zimmer anbietet, auch Kári Thomsen ist seit längerem wieder in der Stadt. Er ist Architekt und hat die berühmtesten Häuser der Färöer Inseln entworfen. Er will nachhaltig bauen, sozial Bedürftigen Raum geben, nur das kommt nicht überall gut an. Auf seinen Heimatinseln gibt es keinen Bedarf an Sozialbauten, also übernimmt er Projekte in Kopenhagen und ganz Dänemark. Jetzt, wo er mal wieder Zuhause ist, scharen sich alle um ihren Helden, der so erfolgreich in die Welt gezogen ist. Jeder stößt mit ihm an, will alles über die neusten Projekte wissen.
Vor den Drinks gibt es Deftiges zum Abendbrot. Auf den Färöer Inseln kommt vor allem Fisch auf den Tisch. Losgelöst von der EU halten sich die Färöer nicht an Fangbeschränkungen, die Fischindustrie ist einer der wichtigsten Industriezweige. Jeder zweite, mit dem ich im Pub trinke, fährt zur See oder arbeitet in den großen Fischzuchten auf den Inseln. Sonst erinnert die Küche an Dänemark und Großbritannien: Es gibt Smorrebrod, Fish and Chips, schwarzen Tee mit Gebäck, viel Trockenfisch, Papageientaucher und Grindwale. Ja, die Färöer jagen noch Wale, allerdings nur für dein Eigenbedarf, der sich nach einem genauen Sozialschlüssel errechnet - nichts von dem Walfleisch wird verkauft, alles wird aufgeteilt. Getrunken wird selbstgebrautes Bier, dass auf den nördlichen Inseln hergestellt wird.
Das hier, das ist ein echtes Abenteuer.
Dort oben im Norden ist es einsam. Die Berge erreichen 800 Höhenmeter, der Wind weht noch ein wenig rauer als im dichter besiedelten Osten. Der Westen ist rau, karg und harten Winden vom offenen Meer ausgesetzt, die die Wellen an dem schwarzen Vulkangestein brechen lassen. In die kleinen Ortschaften führt nur eine Straße, am Rand grasen Schafe, von denen es hier mehr als Menschen gibt. In dem versteckten Ort Saksun, zeigt sich bei Ebbe zwischen den riesigen Felsen sogar einer der zwei schwarzen Strände auf den Inseln. Die raue See hat ungewöhnlichste Felsformationen geschaffen, zu den bekanntesten zählen Risin und Kellingin im Osten und Trøllkonufingur im Süden. Auf der südlichen Insel Vager finde ich nach einer langen Wanderung um den See einen der Hotspots der Färöer Inseln: Ein See, der über den Klippen zu hängen scheint.
Vom Felsvorsprung aus kann ich die kleineren, südlichen Inseln sehen. Irgendwo dahinter liegt das europäische Festland und erinnert mich daran, dass ich nicht am Ende der Welt stehe, sondern nur zwei Stunden entfernt von Hamburg. Und dennoch ist das hier ein echtes Abenteuer auf zugeschneiten Passstraßen, mit rohem Seeteufel, Walen vor der Küste und herzlichen Menschen an den abgeschiedensten Orten, Helikopterflügen und - bei wolkenlosen Himmel - tanzenden Polarlichtern, mit rauen, harten Landschaften, Fußballfeldern an Berghängen und spektakulären Klippen, an denen sich das azurblaue Meer in weißen Wogen bricht.
Vielen Dank an Visit Faroe für die Einladung.
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Bilder: Maria Anna Schwarzberg