Kleine, geile Firmen: Buntstück
Na, wie oft habt ihr schon Flohmärkte nach „Vintage“-Mobiliar durchforstet oder online „shabby“ Schönheiten mit „Used-Look“ gesucht? Auch wenn diese Begriffe fast schon so abgewetzt sind wie der Stil, den sie beschreiben: Charmant imperfekte Stücke und alte Möbel mit Macken und Persönlichkeit verkaufen sich aktuell besser denn je. Und ja, auch wir sind ihnen verfallen. Darum besuchen wir diesmal Janine und ihr Buntstück in Ottensen – ein kleiner Laden voller zauberhafter Einzelstücke und Liebe, der nur rein zufällig überhaupt erst einer geworden ist. Doch das ist hier nicht die einzige Besonderheit. Janine hat extra Platz gemacht und empfängt uns mit offenen Armen und Apfelsaft. Der Ofen knistert muckelig vor sich hin, es riecht nach alten Hölzern und allen Facetten des Regenbogens.
Hi Janine! Was gibt’s denn hier zu gucken und zu kaufen?
Hauptsächlich handbemalte Möbel, die ich eigenhändig restauriere. Eigentlich immer Vollholz und oft auch antik, was ich besonders schön finde – die haben sich einfach so viel mehr Mühe gemacht früher! Dafür arbeite ich mit zwei Antiquitätenhändlern und einem Wohnungsauflöser zusammen, die mir die Sachen herbringen. Das ist zwar insgesamt teurer, aber auch deutlich schöner als billiger Pressspan, der einem überall hinterhergeworfen wird. In Bremen hab ich noch ein Lager, wo die großen Stücke stehen. Dafür gibt es hier aber noch Minimöbel für Puppenstuben, Bilder aus Schachteln, farbige Vasen und Wandhaken. Und natürlich Kreidefarben und Pinsel für Selbstanmaler.
Was stellst du denn genau mit den Möbeln an?
Manchmal sehe ich mich selbst ein bisschen wie ein Möbeldoktor. Wenn die Stücke alt, kaputt und traurig sind, mach ich sie heil und schön und bunt. Dabei arbeite ich ausschließlich mit Kreidefarbe. Die ist so super, weil du damit echt alles anmalen kannst. Du kannst Holz anmalen, Plastik anmalen, sogar Stoffe einfärben. Du musst die Oberflächen auch nicht erst abschleifen, sondern kannst direkt loslegen – das spart viel Arbeit. Außerdem trocknet Kreidefarbe auch total schnell, dann musst du am Ende nur noch mit Wachs versiegeln.
Buntstück ist dein kleiner Lebenstraum. Wie bist du dazu gekommen?
Ich hab mein Fachabitur als Gestalterin gemacht, also im Grunde einen künstlerischen Background. Mein Lebenslauf geht aber kreuz und quer, trotzdem war ich immer nebenbei kreativ. Hab ständig meine Wohnung umgestaltet, die Wände angemalt, die ganze Bude mit Schachtelbildern vollgehängt und dann eben auch mit den Möbeln angefangen – einfach, weil ich es so gerne mache. Meine Tochter ist dann morgens über die Farbtöpfe im Bad geklettert und hat gefragt: „Mama, ist das Zahnpasta oder Spachtelmasse?“. Irgendwann sagen auch deine Freunde, du hast sie nicht mehr alle.
Das Anmalen-Wollen hört nicht auf.
Also brauchte ich einen Raum, in dem ich arbeiten konnte. Eigentlich habe ich nur eine Werkstatt im Erdgeschoss gesucht, dann hatte dieser Raum aber Fenster zur Straße und ich dachte: Wenn du schon ein Schaufenster hast, kannst du auch gleich einen Laden draus machen. Das war also gar nicht geplant, aber jetzt stolpern die Leute hier so rein.
Sind die Kunden denn bereit, für so tolle Teile höhere Preise zu zahlen?
Es gibt Kunden, die wollen nicht zu IKEA. Die wollen Einzelstücke, etwas Besonderes. Die erkennen die Handarbeit und verlieben sich einfach. Wobei wir im Vergleich zu anderen Ketten gar nicht so viel teurer sind – nur dass die Teile dort oft aus Pressspan gefertigt, maschinell produziert und nur oberflächlich angewischt werden. Ich kann den Begriff zwar nicht ausstehen, aber: Shabby Chic ist eben nicht gleich Shabby Chic. Und wer ein bisschen auf Technik und Qualität guckt, sieht das auch.
Deine Stücke kann man aber auch ausleihen. Wie funktioniert das?
Das Konzept hab ich ganz neu mit reingenommen: Gerade in Ottensen gibt es einige nette kleine Geschäfte in prominenter Lage, die sowieso schon in dem Stil eingerichtet sind. Denen biete ich jetzt an, handbemalte Einzelstücke mit Preisschild vorbeizubringen, damit sie sie in die Ladendeko aufnehmen. Zum Beispiel, um Blumen draufzustellen oder hübsche Kleidchen danebenzuhängen. Auch für Messestände ist das toll, gerade auf den Tischchen kann man super Schmuck arrangieren. Die haben’s dann hübsch bei sich und mit Glück kauft jemand ein Teil oder kommt in meinen Laden.
DIY ist ja aktuell ein Riesending. Du bietest auch Kurse an, erzähl mal.
Genau, da kommen dann an einem Samstag sechs Leute und bringen kleinere Möbelstücke von Zuhause mit. Erstmal zeig ich ihnen anhand von Beispielen, was alles so möglich ist, und die Teilnehmer bemalen Übungsbretter. Dann gehen wir alle zusammen zum Mittagessen und danach malen wir ihre mitgebrachten Stücke an. Das ist oft echt gut, was die Leute da machen. Ich wurde zwar auch schon häufig nach einer „Carpe Diem“-Schablone gefragt, aber viele haben auch total niedliche Ideen. Überhaupt machen die Workshops super Spaß, da kommen richtig nette Menschen mit offenem Herzen. Am Ende hab ich meist das Bedürfnis, alle zu umarmen oder sie zum Kaffee einzuladen. Viele melden sich auch noch mal oder kommen vorbei.
Was außer „Carpe Diem“ geht denn sonst noch gar nicht?
Ich pinsel ja nächtelang an meinen Stücken und stecke viel Liebe rein. Es gibt dann aber Leute, die gucken sich zwei Sekunden im Laden um und sagen: Ich nehm das, das und das, Preis egal – und werfen die Teile zwischen die Pfandflaschen im Kofferraum. Das kann ich nur schwer ertragen, sie nehmen ja ein Stück von meinem Herz mit. Da muss ich noch lernen, mehr Geschäftsfrau zu sein.
Welches deiner Stücke wirst du niemals vergessen?
Einmal hab ich einen tollen Vertigo-Schrank von 1860 bearbeitet. Normalerweise hab ich immer sofort ein Gefühl dafür, welche Farbe die Möbel wollen, aber bei dem funktionierte das einfach nicht. Da ist so viel Arbeit und Farbe reingeflossen und irgendwann war ich hier abends zu Gange und war stinksauer. Dann hab ich ihn einfach mit Schwarz angeschmiert, über all die anderen Schichten, so richtig wild und wütend. Am nächsten Morgen kam jemand rein und hat diesen Schrank gekauft – so wie er war. Der war eigentlich so ein schickes Ding, aber wollte unbedingt ein Rocker sein.
Es war wunderschön bei dir, vielen Dank!
Bunstück Werkstattladen | Große Brunnenstraße 38 | Dienstag, Donnerstag und Samstag von 12:00 bis 18:30 Uhr
Bilder: Maria Kotylevskaja Photography