Glaube, Liebe, Hamburg: WG gesucht? 5 Tipps und ein Halleluja

Hamburg ist ja ziemlich toll. Hafen, Kräne, betrunkene Nächte auf St.Pauli und schöne Menschen. Finde ich gut, hast du gedacht, und dich gleich mal an der Uni Hamburg beworben. Oder bei irgendeinem Betrieb, bei dem du für kein Geld Kaffee kochen darfst, aber ey: Der Name im Lebenslauf zählt, mega! Und ein paar Wochen später ist zwar der Sommer schon wieder vorbei, aber dafür bekommst du (weil du einen Einser Notendurchschnitt hast, du kleiner Streber) eine Zulassung an der Uni oder endlich den Praktikumsplatz. Yeah, herzlichen Glückwunsch, Hamburg freut sich schon auf dich. Denkst du. Und beginnst mit der WG- und Wohnungssuche. Du rufst eine der WG- und Wohnungsbörsen auf und gibst ein, was du dir so vorgestellt hast:

  • 300 warm (okay, das streichst du, weil dir schon irgendjemand erzählt hat, dass Hamburg ein bisschen teuer ist, also dann eben: 350 warm, aber das ist ja schon ECHT viel, also mehr willst du nun wirklich nicht ausgeben)
  • in den üblichen Stadtteilen (bei dir auf dem Land / in der Stadt heißt das „Innenstadt“, die in Hamburg müssen schon wissen, was damit gemeint ist, oder?)
  • Balkon / Badewanne / Altbau (so leben die doch auch immer in den Filmen, oder?)
  • idealerweise Studenten-WG / Berufstätigen-WG / Katzen-WG / Fructarierer-WG 
  • unbefristet

Und dann klickst du auf „Suche“ und etwas zerbricht in dir, du schüttelst den Kopf, nein, nein, das kann ja gar nicht sein, wieso steht da jetzt „Es wurden für Ihre Suche keine Treffer erzielt“, also bitte, das ist ja nicht möglich.

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WILLKOMMEN, MATROSEN UND MATROSINNEN

Willkommen in Hamburg. Hier darfst du dich auf wilde Nächte und tolle Menschen freuen, auf ein bisschen Großstadt und vermutlich eine ziemlich gute Zeit. Apropos „willkommen“: verabschieden gehört ja zu Neuanfängen und wovon du dich jetzt, jetzt in diesem Moment sofort und total verabschieden kannst sind ALLE deine Vorstellungen von Mietpreisen und Wohnungssuchen (außer, du kommst aus München oder Berlin, dann weißt du ja schon, wie es läuft).

Damit du nicht nach 3 Wochen WG-Castings oder Wohnungssuche deine Zulassung verbrennst, nach Jena ziehst und fortan epische Weinkrämpfe bei dem Wort „Hamburg“ bekommst: Hier unsere fünf Tipps zur WG- und Wohnungssuche in der schlimmsten schönsten Stadt der Welt.

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1.)   300 warm

Wie es scheint:

Einige WGs scheinen sich gedacht zu haben: Oh, wir haben da ja noch dieses 8-qm-Zimmer, in dem wir unseren Müll lagern und manchmal arme ausländische Airbnb-Typen unterbringen für 80 Tacken die Nacht, aber dann stand ja irgendwo, dass das voll illegal ist, aber wir müssen ja irgendwie unseren krassen Lifestyle finanzieren und Mama und Papa dürfen ja auch nicht wissen, dass wir alle unser Studium abgebrochen haben und deshalb kein BAföG mehr bekommen, also, Leute, geile Idee: wir vermieten diese Abstellkammer einfach für 630 warm und wenn die Bewerber ganz lieb gucken, dürfen sie auch mal das WLAN mitbenutzen, aber echt nur zwischen 4 und 8 Uhr morgens.

Wie es ist:

Nein, du musst auf solche „Angebote“ nicht eingehen, weil du denkst, sonst am Ende in einer Turnhalle auf der Veddel schlafen zu müssen. Nein, das sind NICHT die gängigen Preise, auch, wenn diese Menschen das gerne behaupten oder dazu schreiben, dass die Whg. ja auch echt total fancy gelegen ist und sogar Warmwasser hat. Was du jedoch musst: Dich auf Preise zwischen mind. 350 und 450 Euro / Zimmer einstellen. Günstigere Zimmer findest du im Sommer selten, jedoch zwischen November und Februar ziemlich gut. Eine Möglichkeit wäre also, dass du zunächst ein etwas teureres Zimmer zur Zwischenmiete (s. auch „unbefristet“) nimmst und so genug Zeit hast, dir in den Wintermonaten ein günstigeres zu suchen.

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2. in den üblichen Stadtteilen

Wie es scheint: Irgendjemand hat dir gesagt, dass es so etwas wie „die üblichen Stadtteile“ gibt. Vermutlich jemand, der aus einer Kleinstadt kommt, in der es noch „die Innenstadt“ und „die Hauptstraße“ gibt.

Wie es ist: Es gibt nicht „die üblichen Stadtteile“, weil das hier nicht Winsen an der Luhe ist, sondern eine Millionen-Großstadt. Jemand aus Bergedorf wird denken, dass Bergedorf ein echt geiler Stadtteil ist und jemand aus Altona wird das gleiche über eben jenes sagen. Die meisten in Hamburg verstehen darunter jedoch folgende Stadtteile:

 

  • Schanze (wenn du Bock auf 600 warm für 8qm, 24/7 Partypeople vor der Tür und regelmäßig Stress in deinem Viertel hast: Welcome to the Schanze!)
  • Eimsbüttel (viel Altbau, grenzt teilweise an die Schanze, umfasst aber einige kleine Stadtteile, die sich in ihrer Architektur und Lage sehr unterscheiden können, Zimmerpreise liegen meistens zwischen 370 und 450 warm)
  • St. Pauli (s. Schanze. Jedoch gibt es durchaus einige ruhige, wunderschöne Ecken, die aber meistens auch entsprechend teuer sind.)
  • St. Georg, Innenstadt, Winterhude, Eppendorf, Barmbek (extrem unterschiedliche Stadtteile mit sehr unterschiedlichen Mietpreisen. In diesen Stadtteilen kommt es sehr auf die Lage der Whg. an und auf die Art des Hauses. Altbau ist fast immer irre teuer, Neubauten gibt es kaum und wenn, dann kosten sie meistens noch mehr. Dazwischen gibt es oft Rotklinker, die bezahlbar sind.)

 

Und natürlich gibt es noch zig mehr. Die Wahrheit ist jedoch: Man muss nicht in einem von diesen Stadtteilen leben. Es gibt wunderschöne Ecken in Wandsbek, auf der Veddel, in Harburg, Horn, Hamm, Barmbek-Nord und so weiter. Und es gibt tatsächlich auch so etwas wie Öffentliche Verkehrsmittel. Man mag über die HVV schimpfen, aber zumindest ich finde, dass die Infrastruktur in Hamburg gut bis sehr gut ist (meistens jedenfalls, es gibt Ausnahmen). Es ist vielleicht „hip“ in der Schanze zu wohnen, aber ey: Richtig hip ist es doch, wenn man für ein Zimmer nicht sein komplettes Geld ausgibt, nachts auch mal Ruhe ist und man eine tolle WG hat. Also: Wag dich ruhig auch mal in Stadtteile, die noch ein bisschen bezahlbarer sind. Über Freunde und Bekannte bekommt man mit der Zeit auch dann irgendwann mal vielleicht ein Zimmer oder eine Wohnung in einem der „angesagten“ Stadtteile. Wenn man das dann überhaupt noch will.

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3. Balkon / Badewanne / Altbau

Wie es scheint: Wenn man keine Bilder von sich auf dem Dielenboden liegend machen kann oder von 3,50m hohen Stuckdecken, dann wohnt man echt sowas von falsch.

Wie es ist: Ja, Altbau ist toll. Sieht schick aus, so ein Dielenboden. Was viele vergessen: Altbauten sind teuer. Manchmal sind sie sogar noch mit Nachtspeicheröfen (du kannst schon mal 100 Euro im Monat zurücklegen für die Strom-Nachzahlung, Kollege) ausgestattet oder haben uralte Durchlauferhitzer. „Dämmung“ ist ja sowas von 2000, also stell dich schon mal darauf ein, dass du ALLES von deinen Nachbarn mitbekommst. Und sie übrigens auch, dass du immer noch gerne heimlich Britney Spears` erstes Album hörst, dich manchmal in den Schlaf weinst und dass der Sex mit dem neuen Typen eher leise (furchtbar) ist. Also Freunde und Freundinnen des Altbaus: Vielleicht ist ja ein Rotklinker auch ganz okay. Da hast du vielleicht keine hohen Decken und keinen Stuck, aber dafür: deine Ruhe.

Übrigens: Balkon ist geil, erhöht die Miete aber meistens absurd (nicht wegen der qm-Zahl, sondern weil Immobilienbesitzer das eben auch wissen. Und deshalb auch, dass sie da ruhig mal 200 Euro Miete draufschlagen können). Ebenso verhält es sich mit Badewannen, Hinterhöfen, Gärten und Terrassen.

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4. idealerweise Studenten-WG / Berufstätigen-WG / Katzen-WG / Fructarierer-WG

Wie es scheint: Du bist halt so ein Typ. Du kannst einfach nicht mit Leuten zusammenleben, die Tiere essen. Oder keine Katzen sammeln. Oder bei Beiersdorf arbeiten. Kannst du nicht, willst du nicht. Und weil du jetzt endlich in eine coole Großstadt ziehen willst, kannst du halt eben auch nur bei Leuten einziehen, die exakt genau so sind, wie du. Die quasi brothers from another mother sind. DNA-verwandt und so. Echt jetzt.

Wie es ist: Wenn du jeden Morgen um 6 rausmusst, ist eine Party-WG wirklich nichts für dich. Wenn du ständig 20 Menschen einladen willst, weil du nicht alleine sein kannst, ist eine Berufstätigen-WG nichts für dich. Und so weiter. Aber: Auch ich habe in Zweck-WGs gewohnt, obschon ich das nicht mag. Irgendwie habe ich mich damit arrangiert und es war am Ende gar nicht wild. Ich habe in zig WGs gewohnt mit Menschen, bei denen ich nicht unbedingt geglaubt hätte, dass ein Zusammenleben funktioniert. Hat es aber dann doch. Also: Weg mit den viel zu hohen und starren Ansprüchen und sich locker machen. Zusammenwohnen heißt auch Kompromisse machen. Und im besten Fall etwas dazu lernen von den anderen. Wenn du wirklich dringend ein Zimmer brauchst, dann kannst du bestimmt auch ein paar Monate mit Menschen umzugehen lernen, die den ganzen Tag über „Gewaltfreie Kommunikation“ oder Aktienkurse plappern. Denn:

 

5. unbefristet

Wie es scheint: Du musst jetzt, JETZT SOFORT ein Zimmer für immer haben.

Wie es ist: Viele bieten ihr Zimmer zur Zwischenmiete für ein paar Monate an. Das hat einige Vorteile, die du nicht außer Acht lassen solltest: du hast genug Zeit, dir in Ruhe ein BEZAHLBARES Zimmer zu suchen. Du musst nicht deine eigenen Möbel mitnehmen und kannst dich erstmal auf den Job / die Uni konzentrieren. Du hast Zeit!

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Und hier noch ein paar Dos and Donts für deine WG-Zimmer-Suche oder deine Wohnungssuche:

  1. Du musst dich bei Castings nicht zum Affen machen. Hast du das Gefühl, dass dich die WG wie einen Idioten behandelt (du musst zB Aufgaben lösen / sehr Privates erzählen / einen Kasten Bier mitbringen), dann: Geh. Geh einfach. Du wirst etwas anderes finden, versprochen.
  2. Nutze unbedingt die sozialen Netzwerke für deine Suche. Zeig ein paar Bilder von dir (nein, nicht nackt, nicht besoffen, nicht auf Malle) und beschreib dich so, wie du glaubst, dass du bist. Sei ehrlich, aber nicht zu privat, erwähne ruhig auch Schwächen und deine bisherige WG Erfahrung. Sei DU und sei nett. Das hilft meistens schon sehr weiter.
  3. GEHE NIEMALS, WIRKLICH NIE NIE NIEMALS auf Aufforderungen ein, die darauf hinauslaufen, dass du für Sex / Nacktbilder etc. einen Besichtigungstermin bekommst. Gehe nicht mal auf Flirts ein. Das alles ist sexuelle Belästigung und wird langsam gängige Praxis in dieser Stadt. Zeig die Person direkt an oder blockiere sie zumindest sofort und melde sie dem Seitenbetreiber.
  4. Wenn du zu Wohnungsbesichtigungen gehst: Bring schon gleich alles mit. Das heißt: Kopie der Schufa, kleinen Lebenslauf, Selbstauskunft, ein Bild von dir. Das mag doof sein, funktioniert aber bei Maklern sehr gut. Die mögen es, wenn sie alles fein sortiert haben, denn am Ende zählt auch hier bloß das Gehalt, eine saubere Schufa und die Hoffnung auf stressfreie Mieter.
  5. Lass dich nicht verarschen: 630 Euro warm für 10 qm sind NICHT üblich. Auch, wenn dir die WG Bewohner erzählen, dass das eben in Hamburg so sei. Auch, wenn sie eine Dachterrasse haben oder ein Einhorn im Garten ( na gut, das wäre schon okay): das sind keine üblichen Mietpreise und meistens einfach bloß Abzocke, um sich einen neuen WG Kühlschrank zu leisten etc.

Und zum Schluss noch der beste Rat, den ich vor 7 Jahren, als ich nach Hamburg zog, von einer Mitbewohnerin bekommen habe: Bleib entspannt, in Hamburg wohnt man sich hoch.

Und es stimmt. Es dauert manchmal ein paar Umzüge und Jahre, aber auch du wirst irgendwann schönen, bezahlbaren Wohnraum haben. Bis dahin musst du vielleicht viele Kompromisse auf dich nehmen, aber ey: wenigstens in der schönsten Stadt von allen.

 

Bilder: Yelda Yilmaz (4), Tijai (2), Kathrin Weßling (1, 3, 5 , 6)

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