Glaube, Liebe, Hamburg: Frauen bei Tinder

Verena Bogner hat bei Vice aufgeschrieben, was sie für die sieben Todsünden bei Tinder hält. Daraufhin hat Marco Nykamp ihr geantwortet. Eine wütende, lustige und vor allem: endlich mal männliche Sicht auf Tinder.

Na klar, da ist der guten Verena einmal ein Mann in Windeln begegnet und daran muss sie sich in ihrem Artikel selbstverständlich aufhängen. Diesen Punkt in den Tinderguide für Männer aufzunehmen macht natürlich Sinn, wo doch eine Studie aus England besagt, dass jeder zwei-komma-vierte Mann nämlich auf geile Windelaction steht und bekannt ist, dass mehr Männer in Windeln ejakulieren als Kinder scheißen. Also vielen Dank, dass du mir das gesagt hast! Ich habe meine Windelpics gelöscht. Und gaaaanz viele andere Männer werden das jetzt bestimmt auch getan haben (Hab stattdessen die Bilder hochgeladen, auf denen man mich im Wald sieht, nackt, mich mit einer Dornenpeitsche geißelnd, hoffe das ist dann ok).

Naja, und weil dir sowas einmal begegnet, löschst du die App. Das ist nämlich auch eines der Probleme der Damen. Wenn ihr in Dating-Apps herumsurft, sind eure „Oh-Mein-Gott-Ich-Bin-Eine-Lady-Sensoren“ nämlich sensibler eingestellt als der Geigerzähler eines AKW-Gegners bei seiner Castor-Demo, oder ein Seismograph in Erdbeben-Gebieten. Das kleinste Ding reicht und eure Sensoren schlagen aus und Alarm.

Euch in Tinder oder Lovoo zu gefallen ist nämlich schwerer, als bei DSDS in den Recall zu kommen. In euren hübschen, aber leider zu wenig benutzten Köpfchen, schwirren einige Probleme herum.

Problem 1: „Schreib mehr als nur Hey“
Ich frage direkt mal: Wieso? Es gibt unzählige „Tinderellas“, wie du sie nennst, warum sollen wir uns denn für jede einzelne einen wahnsinnig originellen Spruch einfallen lassen? Wir haben auch noch andere Dinge zu tun, als bei jeder Dame eine Stunde zu grübeln, welche Worte ihrem kritischen Wesen wohl genügen dürften.
Warum strengt IHR euch denn nicht auch mal an? Warum kann man auf ein „Hey, wie geht’s?“ nicht mit einem „Hey, mir geht es gut, danke. Und dir?“ antworten? Ein Gespräch muss doch nicht direkt spannend beginnen, man kann sich danach Dinge bzgl. Interessen etc. fragen, über die man dann auch zu Gesprächsthemen käme, die über Smalltalk hinausgehen, nicht wahr?

Problem 2: „Ich muss ja überhaupt gar nichts machen.“
Wenn ihr es dann doch hinbekommen habt, zu antworten, dann seid ihr kürzer angebunden als mein Nachbar seinen Pitbull an der Leine hält, wenn er am Kinderspielplatz vorbeispaziert.
Mit euren unwahrscheinlich sparsamen Antworten tötet ihr jede Chance auf ein Gespräch ab. Wenn man euch fragt, wofür ihr euch interessiert, kommt „kp, Freunde treffen und so“ oder jeder andere Dreck, der so langweilig ist, dass einem dazu nichts einfallen kann. Wenn wir euch Dinge fragen, dann antwortet ihr übrigens grundsätzlich nur, fragt aber nicht selbst nach, wie es der höfliche Mensch täte. Seid ihr eigentlich sozial-behindert?

Es scheint, als ob ihr die Erwartung habt, dass sich der Mann ein Bein für euch ausreißt, schon bevor er euch kennengelernt hat. Als wären wir Zirkusäffchen, die euch zu unterhalten haben. Und sagt das Zirkusäffchen einmal nicht das richtige, oder aber es kann euch mit seiner Begrüßung schon nicht völlig umhauen, ja dann antwortet ihr nicht.
Ihr macht es uns und euch selbst schwer.

Dann zu dem Thema mit dem Gesicht zeigen:
Natürlich gefallen euch unsere trainierten Oberkörper nicht. Aber den neuen Schweighöfer-Film guckt ihr euch an, weil ihr wisst, dass er sich in der einen Szene oben-ohne zeigen wird. Völlig egal, du forderst uns auf, unser Gesicht zu zeigen – dürfen wir dann auch eure sehen? Das sehen wir nämlich auch nicht gerade häufig. 

Oft habt ihr scheinbar großen Spaß daran, nur das halbe Gesicht zu fotografieren. Meistens wird währenddessen das eine Auge weit aufgerissen, damit Mann sieht, was für tolle große Augen ihr habt.

Schafft ihr es dann doch, das ganze Gesicht abzulichten, dann bekommen wir oft nur ein Bild. Ihr habt zwar 8 weitere hochgeladen, aber die sind alle gleich – der Kopf im selben Winkel geneigt, die Augen wie immer weit offen, das Lächeln Bild-für-Bild dasselbe. Müsst ihr lange vor dem Spiegel geübt haben. Diese Bilder sind dann auch nicht besser als unsere Urlaubsbilder mit rollstuhlschiebenden Affen, im Gegenteil. Übrigens, hätte ich ein Bild, auf dem mich ein Affe durch ein Dorf schiebt, wäre ich verdammt stolz - das hätte ich auch in Tinder hochgeladen.

Scharfe Bilder könnt ihr nicht. Entweder eure Handylinse ist mit Handcreme beschmiert, oder ihr macht das extra, weiß ich nicht. Aber möglichst unscharf, damit man auch möglichst nichts sieht, das eure Haut nicht makellos und engelsgleich erscheinen lässt. Dass auf beinahe jedem Bild „Retrica“ steht, spricht wohl nicht für den Zufall mit der Handcreme.

Meine Profi-Tipps nochmal zusammengefasst:
Die komischen Windelwichser und Fußlecker einfach ignorieren, ebenso die Penismodels. Genauso ignorieren die nicht völlig notgeilen Typen die Halbgesichter unter euch Frauen – so einfach ist das. Zweiter Tipp, seid nicht so hochnäsig und übererwartungsvoll, wenn euch ein junger Mann anschreibt. Vielleicht bemüht ihr euch ja zur Abwechslung auch um ein gepflegtes Gespräch. Werdet einfach mal locker, hängt euch nicht an dem Unfug auf, den ihr dort seht. Denn ihr dürft nie vergessen: Tinder, Lovoo & Co. Sind riesige Mülltonnen – Stinkender Abfall, wohin man sieht. Doch ab und zu findet man auch dort noch ein frisches Gemüse, das genießbar ist. Schaut euch danach um.

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Bild: Maliha Mannan