Glaube, Liebe, Hamburg - Ohlala? Eher #nolala.
"Nicht-die-Frau-für's-Leben-finden-App"? Also Tinder?
Nein, obwohl ich das auch zuerst dachte, als ich die oben abgebildeten Plakate sah. Ich laufe täglich mindestens zweimal an ihnen vorbei. Sie hängen an einem Spielplatz. Gegenüber von einem Kindergarten. Und ich habe ehrlich gesagt lange darüber nachgedacht, ob das nicht reicht. Ob ich den Menschen, die mit diesen Plakaten werben, mitten in meinem beschaulichen Ottensen, auch noch die Publicity dieses Artikels geben möchte. Aber Ekel und Ungläubigkeit schlagen bei mir meist die Ratio. Und ich bin angewidert. Das ist ein starkes Wort, aber lasst mich erklären, wieso es meine Gefühle gegenüber diesen Plakaten perfekt zusammenfasst.
Die "Nicht-die-Frau-für's-Leben-finden-App", die damit beworben wird, nennt sich Ohlala und möchte neben Berlin, Frankfurt und München ihre Dienste bald auch in Hamburg anbieten. Und das ist eigentlich nur der logische nächste Schritt, wenn man bedenkt, dass die Reeperbahn das erste ist, das viele Menschen mit Hamburg assoziieren. Dort stehen Abend für Abend scharenweise " Nicht-für's-Leben-Frauen" herum und verkaufen stundenweise ihren Körper. Und genau das ist das Konzept von Ohlala. "Die App für bezahlte Dates" ist der Satz, mit dem die Macher ihr Produkt verkaufen. Das Bizarre daran ist, dass das Konzept aufzugehen scheint, sonst stünde es ja nicht kurz davor, fröhlich in Hamburg einzuziehen. Aber das möchte ich nicht. Allein der Gedanke, sich Dates zu kaufen, stößt mir mehr als sauer auf. Natürlich ist mir bewusst, wie viele Menschen als Escort oder eben Prostituierte ihr Geld verdienen. Ich dachte früher auch, Escort sei doch ein super Beruf. Ein, zwei Stunden in einem teuren Restaurant mit irgendjemandem sitzen und ab und an lächeln und nicken - dafür dicke Kohle? Dream Job. Hier ist das Problem damit: Bezahlte Dates weisen immer ein unleugbares Machtgefälle auf. Der oder die Bezahlende (wobei das in den allermeisten Fällen Männer sind, auf das spezielle Problem damit werde ich aber gleich noch eingehen) gibt Geld aus. Der oder die Bezahlte nimmt dieses Geld an. In diesem Moment wird aus einem Date eine Dienstleistung, und dieses Wort passt auch deshalb so gut, weil es ab diesem Moment von freiwilligem Spaß auf beiden Seiten zu einem Produkt wird, das eine der beiden Seiten zufrieden stellen muss. Nämlich die Bezahlende. Und obwohl die Macher der App damit werben, dass bei ihrem Konzept die Bezahlten diejenigen seien, die sich aussuchen könnten, mit wem sie auf ein Date gehen, ändert das nichts daran, dass die Bezahlenden trotzdem in der Machtposition des zahlenden Kunden bleiben. Und das ist für die Bezahlten potenziell sehr gefährlich. Wer bezahlt, hat Erwartungen an das Bezahlte. Und die sollen erfüllt werden, auch, wenn sie vielleicht für den oder die Dienstleister*in nicht schön oder angenehm sind. Der Kunde ist schließlich König.
Außerdem ist er, wenn man dem Konzept von Ohlala Glauben schenkt, ausschließlich männlich. Ich habe mich nämlich mal auf der Website dieser App umgesehen und zuerst einmal: Der Mensch, der dafür verantwortlich ist, wie andere Menschen diese App online finden, gehört sowas von gefeuert. Wenn ich mit eindeutigen Suchworten immer noch die Google-Ergebnisse durchscrollen muss und die auf den eigens dafür aufgehängten Plakaten genannte Webadresse nicht einmal online ist, sondern auf eine Telekom-Navigationsseite führt - was ist da los bei dieser App? Ich dachte, Online-Startup-Menschen könnten das mit diesem Internet... Aber zurück zum eigentlichen Problem: Ohlala funktioniert nach einem Prinzip, das augenscheinlich auf Geschlechtervorstellungen von 1950 basiert. Männer können sich nur als "Bezahler" anmelden, die Frauen können sich nur bezahlen lassen. Homosexuelle Beziehungen oder Frauen, die genug Geld verdienen, um für Dates bezahlen zu können, existieren in der Vorstellung der Macher anscheinend nicht. Cool.
Der Blog zur App ist auch eine große Zumutung an sexistischen Klischees. Im Guide für's erste Date erklärt zum Beispiel ein Mann, in dessen Beschreibung das ekelhafte Wort "Frauenflüsterer" steht (wobei man davon ausgehen kann, dass das da steht, weil der Kerl sich mal einen halben Tag lang durch Pick-Up-Artist-Anleitungen geklickt hat), dass die Rasur vor einem Date unentbehrlich sei, damit, und ich zitiere, "all Deine Körperstellen glatt und für den Fall der Fälle einsatzbereit" seien. Dude, echt? Klar, ich rasiere auch, aber es ist 2015, verdammt, müssen wir Frauen und Weiblichkeit immer noch über ihre Haarlosigkeit an den beklopptesten Stellen definieren? Echt? Aber hey, er ist schließlich der Frauenflüsterer, was weiß ich schon.
Ich bin prinzipiell eine große Befürworterin neuer, innovativer Konzepte, aber dieses hier widert mich einfach nur an. Alles daran. Die gequirlte sexistische Kackscheiße, die sich durch den kompletten Webauftritt zieht. Dass die Macher explizit schreiben, alles, was nach der Verabredung über ihre App geschehe, gehe sie nichts an. Oh doch, das tut es. Wer Männern, und nur Männern, eine Plattform bietet, um Dates, Liebe und/oder Sex käuflich zu erwerben, sollte sich verdammt nochmal Gedanken darüber machen, welche Implikationen und potentiellen Gefahren das in sich trägt. Wenn man schon Sex zur Ware macht (und bitte, als würde diese App nicht dafür genutzt), dann bitte mit gleichen Voraussetzungen für alle. So lange hier aber eigentlich nur Frauen zur Ware gemacht werden, muss ich ehrlich sagen: Bitte nicht in meinem Viertel. Nicht gegenüber von dem Kindergarten, in den mein Mitbewohner mal ging. Am liebsten gar nicht, aber lasst wenigstens Hamburg in Ruhe. Denn mon dieu, die "Nicht-für's-Leben-Frauen" brauchen nicht auch noch Ohlala.