Glaube, Liebe, Hamburg: Die K-Frage
Tausendfach wurde über das hier geschrieben, das Wann und Wie schon x-mal auseinanderdiskutiert. Gute Texte, schlechte Texte, Bilderstrecken - leider ohne nachhaltigen Beruhigungseffekt oder konkreten Wegweiser für mich. Das ist auch kaum verwunderlich, schließlich läuft der Entschluss zum Kinderkriegen, mit allem Drum und Dran, so individuell ab wie die Auswahl der Zutaten beim Pizzabestellen – wenn Paare sich hier auf etwas einigen können, sind immerhin die wichtigsten Voraussetzungen schon mal gegeben. So verschieden wir alle auch leben, lieben und ticken: Früher oder später fällen wir irgendeine Entscheidung oder beginnen zumindest mit dem Nachdenken über eben jene. Hab ich auch gemacht, hier das Ergebnis – persönliche, eitle, egoistische Ansichten und schon wieder keine „How to“-Anleitung mit allgemeiner Gültigkeit. Wer weiterliest, wird also nicht mit der großen Erleuchtung belohnt. Dafür aber wenigstens mit der schönen Gewissheit, dass wir uns bei diesem Kinderding alle gemeinsam den Arsch abzweifeln.
Halt die Fresse, krieg ‘n Kind!
Olli Schulz Twittern
Ich wusste immer, dass ich Kinder möchte, wenn ich dann mal groß bin. Betrachte ich mich im Rückspiegel, haben kleine Speckfüße und rotbäckige Milchzahngesichter in mir schon immer wie irre Hormone aufgewirbelt. Meine blonde Babysitter-Bande hab ich nicht nur geliebt, wenn sie mir mit pinken Puppenbürsten die Haare gestriegelt oder bei jedem Mann im Fernsehen gefragt hat, ob ich den heiraten will. Nein, irgendwie auch dann noch, wenn einer von ihnen stundenlang gebrüllt hat wie bescheuert, obwohl die Welt voll in Ordnung war. Tat trotzdem gut, dann nachts erlöst zu werden, das Geld zu nehmen und tschüss – zurück nach Teenagerhausen. So blieb es zwei gute Hände voller Jahre, der Gedanke an ein Irgendwann, bloß nicht näher definieren. Mit Ende zwanzig aber bin ich heute vermutlich groß. Herzlichen Glückwunsch, Sie haben Ihr Ziel erreicht: Sie sind sowas wie groß, spielen eine Erwachsenenfigur und haben eine ganze Menge Angst.
Erstens: Startschuss
Mein Glück hängt nicht von der Geburt eines Kindes ab. Das denke ich zumindest, solange ich davon ausgehe, dass ich theoretisch jederzeit könnte. Nehmen wir das also mal an. Ich bin keine Mamamaschine, kein Hier-ist-meine-Lebensplanung-Girl. Ich hab studiert und mach jetzt was mit Arbeit, bisher war da kein Raum. So metamäßig und in echt. Ist zu zweit schon scheißeng und wird erstmal auch so bleiben. Nur ein bisschen noch. Ich sage nicht, jetzt los und peng, darauf hab ich immer gewartet. Ich sag, naja, wenn man tendenziell will, dann wird’s ja bald Zeit, weil ewig kann man‘s ja nicht schieben. Also kann man schon, aber wird halt auch nicht leichter. Das Problem: Abgesehen davon, dass mir der Verzicht aus Verantwortungsgefühl heraus gelingen würde und wird – ich möchte im Grunde kein Leben ohne den Notfall-Wein, wenn alles grad mies läuft, keins ohne den fünften Schnaps in der Raucherbar, die auch gern mal meine Küche sein kann. Auch wenn diese Light-Version von Leben erstmal nur neun Monate plus Stillzeit dauert. Albern auch.
Zweitens: Körperklops
Dabei gibt sie ja, diese kleinen Vorbildfamilien, die plötzlich einer mehr sind und trotzdem – oder eben deswegen gerade – immer noch so unfassbar gutaussehend und gelassen. Sie machen Quatsch auf Instagram und zimmern die schönsten Minimöbel, haben sich lieb und scheinen vor allem eins zu sein: zufrieden. Schwer zu begreifen, dass auch diese Menschen mal Zweifel hatten. Oder kotzen mussten oder fett wurden. Ich schätze, sie hatten sich schlichtweg bei all dem im Griff. Wie machen das denn diese undisziplinierten Leute, solche, die auch ohne eine Tonne Fresshormone völlig problemlos ganze Familienpackungen Karamelleis in sich reinlöffeln können? Solche wie ich beispielsweise? Ich hab nämlich ziemlich genau null Komma gar keine Lust, bei konsequenter Flaschen- und Fluppenabstinenz auch da noch Abstriche machen zu müssen. Und ja, das ist sehr egoistisch, aber eben auch sehr wahr.
Drittens: Gemetzel
Ich hab keine Angst vor Schmerzen. Auch wenn ich mit ziemlich großer Sicherheit davon ausgehe, dass ich absolut keine Ahnung habe, welche Dimensionen mich erwarten. Angst hab ich erstens davor, dass etwas radikal schief läuft, und zweitens vor der Totalzerstörung meines aufgedunsenen Körpers, einem physischen Super-GAU untenrum. Natürlich, das ist eben so, kannste nix machen. Sagt mir in letzter Zeit auch immer wieder mein verdammt schlauer Facebook-Feed. Hier guck, du alter Klumpen Eitelkeit: „Die Vagina sieht anders aus“, Dammriss, Muttiwindeln, Hämorrhoiden und Co. – hätte ich bloß nie draufgeklickt. Aus Angst, bei der Geburt auf den Boden zu kacken, werde ich vermutlich im neunten Monat einfach gar nichts mehr essen. Vielleicht bleiben einem dann auch die Horrorgeschichten von augenrollenden Hebammen und anderen Kreißsaal-Katastrophen erspart. Andererseits vielleicht auch ein guter Zeitpunkt, um sich direkt schonmal mit menschlichen Ausscheidungen aller Art bekanntzumachen. Guten Tag! Weil wenn eins sicher kommt, dann das.
Viertens: Trust the girls
Ich werde ein Kotztuch über der Schulter und vermutlich nicht permanent eine Wäscheklammer auf der Nase tragen. Welcome to Pipikacka-Hölle. Es wird dreckig und schlaflos und kompliziert und das alles, also bitte atmen gegen postnatales Durchdrehen und die geballte Überforderung bloß nicht aufs Baby abwälzen. Auch dann nicht, wenn es am Anfang so gar nicht niedlich ist, sondern in Wahrheit nur ein winziger nackter Haufen Mensch mit dem Gesicht eines zahnlosen Nacktmulls - obwohl natürlich aus falschem Anstand jeder was anderes behauptet. Den ich trotzdem lieben werde wie Mist.
Verrückt, wieviel Bewunderung sich bei mir plötzlich breitmacht. Für meine Mama, für junge Mütter, ältere Mütter, überhaupt alle Frauen, die so selbstverständlich mutig sind, Kinder auf die Welt katapultieren, sie zu tollen Leuten machen, dabei völlig entspannt bleiben und nie auch nur einen einzigen Preis dafür verliehen bekommen haben. Jede von euch verdient einen, wirklich.