Auf ein Astra mit... RY X

Über Hamburg erstreckt sich die Winter-Sonne. Es ist ein milder Tag. An diesem Nachmittag dürfen wir den Mann der Stunde, den mit der ausverkauften Europatour, treffen: Ry Cuming aka RY X.

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Ry begrüßt uns mit Küssen, fragt nach unserem Wohl und kaut währenddessen hungrig an seinem Gemüse (Teller in der linken und Ingwertee in der rechten Hand). Ry ist nicht nur ein fabelhafter Musiker, Weltverbesserer und die charmanteste Flirtkanone, nein, er ist mit Abstand einer der inspirierendsten Gesprächspartner.

10Auf Ry zu treffen war ein bisschen so als würde man einen guten, alten Freund von früher wiedersehen und über das Leben philosophieren. Und Hand auf`s Herz (Vorsicht: mädchenmässiger Aussagen-Alert): bei einem derartigen Aussehen könnte er auch eine Mülltüte tragen. Hach.

Ich neige dazu mich sehr, sehr nackt zu geben.

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Was ist das größte Geheimnis an deiner Musik?

Ich neige dazu mich sehr, sehr nackt zu geben. Nur die wenigsten wissen, dass ich in meinen Liedern über Erfahrungen singe. Sie sind sehr persönlich und ich versuche mich in keinster Weise zu verstecken. Somit verbergen sich hinter meinen Texten viele Geheimnisse.

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Passt aufeinander auf, liebt euch und seid aufmerksam.

Gibt es eine persönliche Botschaft an uns?

Passt aufeinander auf, liebt euch und seid aufmerksam. Wenn ihr von etwas überzeugt seid, habt keine Angst dafür einzustehen. Die Kraft und Energie einer Gemeinschaft ist unfassbar stark. Manchmal vergessen wir die besondere Verbindung zwischen zwei Menschen und die daraus resultierende Liebe. Es verlangt sehr viel Stärke sich etwas oder jemandem zu stellen und Grenzen zu schaffen. Sei es die eigene Regierung, dein Plattenlabel oder jemand aus der Industrie. Meine persönliche Botschaft ist sehr bescheiden - ich bin zutiefst dankbar und ununterbrochen überwältigt von der Liebe, die ich bekomme. Besonders in Deutschland und generell in Europa.

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Ich mag keinen Hype und versuche mich davon loszulösen.

Wie gehst du mit dem Hype um deine Person/Musik um?

Ich mag keinen Hype und versuche mich davon loszulösen. Es gibt unterschiedliche Sichtweisen, auf die ich keinen Einfluss habe. Jetzt spiele ich ausverkaufte Shows, aber in fünf Jahren interessiert sich vielleicht keiner mehr für mich oder ich spiele noch größere Venues. Die großen Plattenlabels und Deals habe ich alle abgelehnt, weil ich nicht daran glaube. Sie wollen mich zu etwas formen, das ich nicht bin. Nämlich kein 'Hype-Artist'.

Das ist selten.

Ja, manchmal frage ich mich, ob es die richtige Entscheidung war. Viele Leute um mich herum leben im ständigen Wechsel und konzentrieren sich nur auf den Ruhm. Ruhm bedeutet mir nichts. Für einen Künstler wie Björk z.B verspüre ich sehr viel Respekt und Liebe. Ich finde es bemerkenswert, wenn jemand in der Lage ist Musik zu machen, ein Aktivist, Künstler, Elternteil und einfach Mensch sein kann. Das ist besonders. Menschen sollen einfach auf eine lange Sicht gesehen ihre Kunst miteinander teilen. Das interessiert mich mehr als eine erfolgreiche Platte, mit der ich viel Geld mache und dann von der Bildfläche verschwinde.

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Wenn ich traurig bin, bin ich traurig. Wenn ich mich düster fühle, bin ich düster. Ich verfüge über keinen Filter für meine Gefühle.

Lass uns über dein Musikvideo zu ‚Sweat‘ sprechen. Es gibt eine Szene, in der man dich mit einem Schläger in der Hand sieht. Wie weit würdest für die Liebe gehen - würdest du töten?

Das Konzept für dieses Video ist absichtlich nicht eindeutig. Wir wollten nicht, dass die Leute verstehen, worum es genau geht. Manchmal verursacht das Ende einer Beziehung ein Gefühl von Brutalität - ohne deinen Partner dafür zwangsläufig umzubringen. Vielmehr musst du den Teil, der der Beziehung nicht gut getan hat, gehen lassen. Diese Erkenntnis hat zeitweilig einen brutalen Nachgeschmack. Dieser Moment in dem Video handelt von Fragen, denen man sich stellen muss: 'Was würde man für die Liebe tun? Ist man gewillt diese Arbeit aufzunehmen und ist man reif genug, sein eigenes Ego aufzugeben? Kann man eigene Eigenschaften, die man nicht verlieren will, hinter sich lassen?'.

Dann gibt es noch diese andere Szene in der du weinst. Wann hast du das letzte Mal wirklich geweint?

Wir haben tatsächlich gerade erst im Auto auf dem Weg hierher darüber gesprochen.

Warum?

Es ist schön über reale Dinge zu sprechen, die über die Tour hinaus reichen. Ich habe vermutlich das letzte Mal vor einigen Wochen geweint. Wenn ich traurig bin, bin ich traurig. Wenn ich mich düster fühle, bin ich düster. Ich verfüge über keinen Filter für meine Gefühle. Früher wollte ich nicht alles preisgeben, aber ich habe diesen Gedanken abgelegt und verhalte mich komplett ehrlich in meinem Auftreten. Du musst manchmal weinen um zu merken wie schön es ist. Gleichzeitig erinnert es dich daran wie zerbrechlich und hilflos du in einigen Situationen sein kannst.

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Für Frauen hege ich tiefen Respekt und Bewunderung.

Kannst du Courage definieren?

Furchtlosigkeit und Wahrheit. Courage bedarf mehr als nur Ehrlichkeit. Man ist nicht mutig, wenn man diesen Mut für die falschen Gründe benutzt. Was auch immer du tust, es verlangt eine große Portion Vertrauen, Glaube und Liebe in dich selbst. Die größte Schwierigkeit besteht manchmal darin, sich von seiner menschlichen Seite zu zeigen. Offen darlegen, wer man ist und wie man fühlt. Verletzlichkeit zuzulassen ist Courage.

Was hat dir deine Mutter über Frauen beigebracht?

Wow, das ist eine gute Frage. Meine Mutter ist eine sehr starke und liebenswerte Frau, "but very gangster". Wenn ich als Teenager nach Hause kam und mir vom Surfen den Kopf aufgestoßen oder die Nase gebrochen habe, sagte sie nur: 'Ich flicke dich wieder zusammen und richte deine Nase.' Sie hat absolut keine Scheu vor Dingen. Ich bin in einer Hippie-Familie aufgewachsen, die nie in Krankenhäuser gegangen ist. Ich habe und lerne noch sehr viel von meiner Mutter. Sie liebt mich ohne mich zu verhätscheln und holt mich auf Boden der Tatsachen zurück, wenn ich in Beziehungen Mist baue. Für Frauen hege ich tiefen Respekt und Bewunderung.

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Ich würde das Geld eines großen Unternehmens ergaunern und an die Leute verteilen

Glaubst du an Karma?

Ich glaube in einer bestimmten Weise an Karma, ohne dass das über eine Art Gradlinigkeit verfügt. Es ist völlig in Ordnung, Grenzen auszutesten, das tue ich ständig. Manchmal mag ich es schräge Dinge anzustellen wie z.B. etwas zu klauen.

Das passt jetzt aber nicht so ganz mit deiner restlichen Persönlichkeit zusammen.

Es hört sich komisch an, aber es dreht sich vielmehr um diesen Robin Hood Gedanken. Nehmen wir mal eine massive Kapitalgesellschaft. Ich empfinde es als sehr belustigend dieser Gesellschaft Gewinn zu stehlen. Nur zu dem Zweck, zu sagen: 'F*ck you! Ihr braucht euer Geld nicht'. Ich glaube nicht, dass etwas Schlechtes auf mich zurückfällt, mich jemand festnimmt und ich daraus etwas lerne, da ich die Lektion kenne. Denn ich würde niemals etwas von einem kleinen Laden oder einer Familie stehlen, aber ich würde das Geld eines großen Unternehmens ergaunern und an die Leute verteilen.

Beende den Satz. Leben ist …

... kostbar und ändert sich ständig. Es ist schön, wenn du loslassen und wachsen kannst.

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Bilder: Maria Kotylevskaja

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