Auf ein Astra mit... Andi vom Molotow

Das Molotow ist definitiv ein besonderer Club und über die Grenzen Hamburgs hinaus als Livemusik-Institution bekannt. Hier hat so ziemlich jeder Musiker schon gespielt, und jeder spätpubertäre Provinz-Musiker mit Ambitionen und/oder Träumen will hier irgendwann im Leben mal auftreten. Der Kiez-Club erfährt viel Solidarität, Bewunderung und Freundschaft - was weit über etwas hinaus geht, was heruntergebrochen doch nicht mehr ist als ein Ort für Musik, Alkohol und Eskalation. Aber warum ist das so? Anlässlich des 25. Geburtstags des Kiezclubs, der heute gefeiert wird,  habe ich mich mit Andi auf ein Bier getroffen.

25 Jahre Molotow-Molotow-Backyard-Club-Interview-Andi-Max Scharff-Auf ein Astra mit-Prost-Bier

Prost! Jetzt werden also 25 Jahre Molotow gefeiert. Warst du bei der Gründung schon dabei?

Ich war Discjockey am Anfang, gegründet habe ich das Molotow nicht, aber dann bin ich irgendwie da reingerutscht, vier Jahre später.

Wie hat sich das ergeben, dass du dann praktisch in die Chef-Etage gerutscht bist?

Der bisherige Betreiber hatte keine Lust mehr und hat mich dann gefragt, ob ich das nicht machen möchte.

Und dann gab's keine große Überlegung?

Nicht wirklich. Ich hatte gerade eh nicht anderes vor und von daher passte das ganz gut.

Und was glaubst du, hat sich in den letzten 25 Jahren am meisten am Club und für dich persönlich verändert?

Der Standort hat sich zum Beispiel verändert. Ansonsten hat sich Gott sei Dank nicht so viel verändert. Es spielen hier nach wie vor fast jeden Tag Bands, es spielen Bands, die wir gut finden oder Bands, von denen wir zumindest glauben, dass die Leute, die hier her gehen, sie gut finden könnten und es steht nach wie vor, wie sich das für einen guten Club gehört, das Musikprogramm im Vordergrund und nicht irgendwie Getränkeverkauf und Junggesellenabschiede, wie das bei den meisten anderen Läden der Fall ist.

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Ist man da besonders stolz drauf? Auf eine Art "Attitüde" oder "Einstellung"?

Ja, stolz... Ich finde, ich könnte es gar nicht anders machen. Ich könnte keinen Laden für Vollidioten machen. Dazu hätte ich keine Lust. Ich weiß, dass anderen das egal ist, weil sie denken "Ach, dann verdiene ich halt schön viel Geld und dann läuft hier halt DJ Ötzi, ist mir doch egal", vielleicht finden die das auch gut, keine Ahnung, ich könnte es nicht.

Wir hätten die zwei Umzüge ohne die ganzen freiwilligen Helfer niemals schaffen können. Das bestätigt einen natürlich auch in dem, was man macht.

Da sind wir ja schon beim Thema "Gäste", die sich ja schon bevor die Esso-Häuser geräumt und abgerissen wurden, ziemlich solidarisch gezeigt haben und eine Art Verantwortungsgefühl für das Molotow hatten. Warum glaubst du ist das so? Letztendlich ist es ja nur ein Ort für Musik und Menschen, die trinken und Spaß haben - also wenn man es so runter brechen möchte.

Es liegt natürlich an der Einstellung. Ich glaube nicht, dass irgendeiner von diesen Ballermann-Läden, die jetzt gegenüber von unserem alten Standort wie Pilze aus dem Boden geschossen sind, wo halt Mallorca-Mucke läuft und Junggesellenabschiede einfallen, von ihren Gästen gerettet werden würden, sollten sie mal in Schwierigkeiten kommen. Ich glaube, dass liegt tatsächlich daran, dass unsere Gäste den Laden sehr mögen, was ich unsagbar toll finde, und wo ich auch wirklich überwältigt war von der Art und Menge der Hilfe, die da kam.

Wir hätten die zwei Umzüge ohne die ganzen freiwilligen Helfer niemals schaffen können. Das bestätigt einen natürlich auch in dem, was man macht. Das bestätigt mich, dass man zumindest einen Club machen kann, der so ausgerichtet ist, dass er wirklich musik- und fanorientiert ist. Viele meinen ja: "Das geht gar nicht! Das ist zu teuer! Das kannst du nicht einspielen!". Und das zeigt eben, dass es doch geht, wenn man das will.

Wobei ich natürlich sagen muss: Es ist so, dass die Kosten hoch sind. Vielleicht haben die Leute ja auch nicht unrecht, vielleicht sind wir einfach ein bisschen zäher. Es ist so, dass man damit nicht reich wird, das war allerdings auch nie meine Absicht.

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Ein Viertel der Konzerte des Reeperbahnfestivals waren hier, was ja an den drei Bühnen liegt, die ihr jetzt zu Verfügung habt. Die würden ja in der neuen Location, in den neuen Esso-Häusern, wegfallen. Seid ihr zufrieden hier? Und: Jetzt gibt es ja schon die Pläne für den Neubau. Hast du dich damit schon beschäftigt oder sagst du: "Da kommt eh, was kommt" und fertig?

Es gefällt uns hier wirklich sehr gut. Mit den Plänen habe ich mich ein bisschen beschäftigt, aber das Ganze ist ja frühestens in fünf Jahren fertig. Ich habe auch noch nicht klar auf dem Tisch, was es mich tatsächlich kosten würde und solange ich das nicht weiß, kann ich da auch noch nichts Konkretes sagen. Prinzipiell will ich da gerne wieder hin, aber ich weiß eben noch nicht zu welchen Bedingungen.

Mein Eindruck war es, dass es die Abmachung gibt, dass das Molotow zu alten Konditionen dort einziehen kann?

Ja, aber das hätte ich halt gern Schwarz auf Weiß. Ich bin jetzt kein super misstrauischer Typ, aber aufgrund eines Versprechens kann man nicht kalkulieren.

Das ist also mehr Handschlag-mäßig geschehen?

Es sollte noch konkretisiert werden, was tatsächlich "alte Bedingungen" heißt. Das ist ein Begriff, der klingt gut, kann aber eben auch verschieden ausgelegt werden.

So ganz sicher schaut man da also noch nicht in die Zukunft?

Na ja, wir sind ja erstmal hier. Ich sehe das alles mittlerweile eher gelassen. Ich war etwas nervöser, als ich keinen Laden hatte. Solange ich einen Laden habe, ist alles okay.

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Wir haben ja gerade eben schon darüber gesprochen, dass sich viele Menschen sehr solidarisch und verantwortlich gefühlt haben. Glaubst du, man hat als Kiez-Club eine besondere Verantwortung in St.Pauli, wo sich ja viel verändert - also nicht nur in der Club-Szene, sondern auch für die Menschen, Gentrifizierung etc.?

Also für den Kiez fühlt man sich sicherlich verantwortlich. Also ich bin ja nun schon alt, aber ich sehe natürlich schon die Entwicklung mit Besorgnis. Den Kiez wird es immer geben. Die Frage ist nur, wie er dann aussieht. Das, was hier auf St.Pauli seit den frühen 60ern existiert, ist etwas, was es woanders nicht gibt und was der Stadt Hamburg immer noch nicht klar ist. St.Pauli ist ja auch im Ausland bekannter als die Stadt Hamburg. Die Reeperbahn kennt jeder und viele wissen gar nicht, in welcher Stadt das ist. Die Mischung aus Rotlicht, Clubs und Seefahrerromantik, die gibt es nirgendwo sonst auf einem so engem Fleck. Es gibt überall ein Kneipenviertel und überall ein Nuttenviertel, teilweise auch nebeneinander, aber das gibt es eben nicht in dieser Form.

Wenn ich junge wäre, dann würde ich hier nicht hinziehen. Im Gegenteil: Ich würde hier wegziehen.

Deshalb kommen ja auch die ganzen Menschen, oder?

Die Stadt Hamburg denkt immer, die kämen wegen der Alster und der Elbe - und das mag bei den Rentnerbussen auch so sein, aber selbst die laufen alle über die Reeperbahn und wollen das sehen. Wenn das hier verschwindet, verschwindet auch der größte Anziehungspunkt Hamburgs. Wenn das hier ein ganz normales Amüsierviertel wird, dann ist da ein Grund weniger hierher zu kommen und ich glaube auch, dass das schon angefangen hat. Wenn ich jung wäre, dann würde ich hier nicht hinziehen. Im Gegenteil: Ich würde hier wegziehen.

Wegen der fehlenden Gegenkultur? Wegen der Mieten?

Wegen der Spießigkeit! Es entwickelt sich vieles zurück, was hier mal besser war. Nun bin ich aus dem Ausgeh-Alter raus und habe nicht mehr den Drang, jeden Abend etwas Neues erleben zu müssen, aber wenn ich den noch hätte, dann hätte ich das unbestimmte Gefühl, das ich woanders mehr erleben könnte. Es ist einfach sehr viel weggebrochen, was hier früher interessant war. Das liegt natürlich auch an der Gentrifizierung.

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Aber das passiert ja in allen Großstädten der Welt.

Die Leute, die sich über Gentrifizierung beschweren, sind die, die sie gebracht haben. So beißt sich die Katze dann in den Schwanz. Erst kommen die Künstler und Musiker und irgendwann wollen dann andere auch da wohnen, weil da so schön viel los ist. Und dann sagen die, die vor 20 Jahren als erste dahingezogen sind: So, jetzt aber Zuzugsstopp! Also das kann's auch nicht sein.

Wo wir hier so schön bei einem Bierchen sitzen - mit wem würdest du gerne mal ein Bier trinken gehen?

Lemmi. Ein sehr kluger Mann, der sehr gute Interviews gibt. Ich glaube, mit dem könnte man sich gut unterhalten.

Ich habe gelesen, er trinkt keinen Whiskey mehr. 

Nee, aber Wodka trinkt er jetzt. Er ist umgestiegen, weil er Diabetiker ist. Whiskey Cola hat er ja immer getrunken, und das geht dann eben nicht mehr, wenn man Zucker hat.

Das ist sehr weise. 25 Jahre Molotow. Was passiert in den nächsten 25 Jahren?

Das weiß ich nicht. 25 Jahre ist eine lange Zeit, aber ich wünsche mir, dass es hier so weiter geht, dass die Leute weiterhin gerne hinkommen, dass die Leute weiterhin das Molotow ins Herz schließen und mehr kann man sich, glaube ich, gar nicht wünschen.


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Bilder: © Maria Kotylevskaja

 

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