Vom Schilfpenis zum Satisfyer: L'apotheque ist Deutschlands erstes Museum für Sextoys

© Franzi Simon

Es gibt Momente, in denen wir immer wieder von Hamburg überrascht werden. Was es doch noch alles zu entdecken gibt in den Vierteln der Stadt. Einen dieser Momente haben wir, als wir die L'apotheke auf St. Pauli besuchten. Denn wer hätte gedacht, dass in dieser versteckten Apotheke aus dem 18. Jahrhundert Deutschlands einziges Museum über historisches Sexspielzeug zu finden ist? Eben!

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Ein Gebäude voller Geschichte

Hinter diesem Ort stecken Anna und Bianca, die L'apotheque 2019 gegründet haben. Der Ort ist nicht zufällig gewählt: Annas Mutter gehörte die Apotheke schon in den 80ern, da gingen hier ganz gewöhnliche Medikamente über die Theke. Anna wuchs zwischen den historischen Schränken auf – das Gebäude ist von 1799 und heute denkmalgeschützt. Die alten Apothekerschränke wurden aufwändig restauriert und beherbergen heute die Ausstellung.

Dass es dazu kam, war eigentlich Zufall. Denn Künstlerin Anna war weltweit unterwegs, bis ihre Mutter im hohen Alter Hilfe benötigte – und Anna eine neue Idee für die Räume brauchte. Da sie sich mit Sexualität auch in ihren Kunstwerken auseinandersetzt, war die Idee zur L'apotheque geboren. Ausgestellt wird die Sammlung von Nadine Beck, die als Kulturwissenschaftlerin an der Geschichte des Vibrators forschte.

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Von Prüderie über Selbstbestimmung bis zu höchster Technologie

Mehrere Führungen können die Woche durch das nur 35 Quadratmeter große Museum gebucht werden, die zumeist von Anna geleitet werden. Wichtig ist ihr dabei, dass es in dem Museum um die historische Entwicklung der Sextoys geht, um Selbstbestimmung und um sexuelle Freiheit. "Ich erkläre hier nicht, wie man einen besseren Orgasmus hat," sagt sie. Stattdessen zeigt die Ausstellung, wie schon im 19. Jahrhundert Massagegeräte für sexuelle Praktiken entdeckt wurden, viel früher schon Penisringe aus Schilf in Japan hergestellt wurden, bis weit in die 60er Jahre keine Werbung für Sexspielzeug geschaltet werden durfte, Beate Uhse ihre ersten Kataloge druckte und schließlich bunte Dildos in Delfinform auf dem Markt kamen – eine Entwicklung weg vom Phallus und hin zu heute modernen Vibratoren, die teilweise mit Apps verbunden werden und so das Verständnis vom eignen Orgasmus schärfen können.

Die Sextoys sind zudem in jüngster Zeit inklusiver geworden: "Lesbische Paare wollen z.B. nicht unbedingt Sex mit einem penisförmigen Dildo haben." Während der Führung erklärt Anna, wo es in der Aufklärung noch fehlt. Während viele Kinks und Liebesformen mittlerweile toleriert würden, werden Menschen mit Behinderungen und ältere Menschen oft vergessen, wenn es um Sex geht. Ein ihr wichtiges Anliegen und sie erzählt uns von den zahlreichen Kriegsverteranen in den USA und wie sie um ihre Sexualität gekämpft haben.

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Raum für Fantasie

Wir hatten einige erleuchtende Momente auf unser Tour und können allen nur ans Herz legen, die Geschichte der Sextoys, bei der es um so viel mehr geht, als das Sexspielzeug selbst, bei einer Tour durch L'apotheque zu entdecken. Anna und Bianca bieten übrigens auch eine Tour inklusive Gintasting an – und auch Junggesell*inen-Abschiede haben sie schon veranstaltet. Eine versteckte Perle auf St. Pauli hinter dessen Tür sich so viel Geschichte versteckt – dafür lieben wir Hamburg!

L'apotheque | Clemens-Schultz-Straße, 20359 Hamburg | Führungen nach Absprache | mehr Info

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