Harburgs Genossenschaftskneipe: Wie Gäste die Kult-Kneipe "Zur stumpfen Ecke" retteten

Abends gemütlich ein paar Bier trinken, mit neuen Leuten (nicht nur über) Hamburger Fußball ins Gespräch kommen und dabei vielleicht eine schmöken: Die ideale Adresse dafür ist die Kneipe Zur stumpfen Ecke, die seit 1913 besteht und damit zu den ältesten Gastwirtschaften Harburgs zählt. Das Lokal befindet sich versteckt an der Ecke von Ebeling- und Riekhoffstraße hinter dem EDEKA-Center im Quartier des Seeveviertels – und ist deswegen ein Geheimtipp und einzig Harburger Urgesteinen bekannt. Zu ihnen zählt etwa Andreas „Audi“ Krahe, der sich noch stolz daran erinnert, wie er hier zum Stammgast wurde: „Als ich 16 oder 17 Jahre alt war, ging ich mit meinen Kumpels häufig zum Kickern in die damalige Harburger Szenekneipe 'Antagon'. Wenn die Tische besetzt waren, zogen wir weiter hierher. Ich zähle also schon seit Mitte der 80er Jahre zu den Stammgästen.“ Einen Kicker gibt es in einem kleinen Hinterzimmer auch heute wieder.

Leute wie Andreas treffen wir hier reichlich: Etwa 90 Prozent des Publikums besteht aus Stammgästen, die immer wiederkommen, weil sie sich hier zu Hause fühlen. Dem pflichtet auch Jakob Linke, selbst langjährig treuer Besucher, bei: „Weil sich keine Partypeople zu uns verirren, welche eher die Lämmertwiete unsicher machen, gibt es bei uns auch keine Schlägereien. Und die Gespräche, die sich zwischen wildfremden Gästen entspinnen, sind alles andere als stumpf, sondern oft tiefgründig. Ich habe über hier geknüpfte Kontakte vier Mal eine neue Wohnung finden können.“ Auch wenn es um handwerkliche Expertise oder die Organisation von Fahrten zu Auswärtsspielen des FC St. Pauli geht, ist die Kneipe für Viele eine zentrale Anlaufstelle. Diese Form des Zusammenhalts überzeugte auch Leonie Reitberger, die 2010 zum ersten Mal hereintrat und seit 2016 in der „Stumpfen Ecke“ selbst Bier zapft und serviert – oder Andrea Petersen-Tschellnig, die nach einem Umzug aus Stuttgart hier Anschluss fand. 


Wie Stammgäste ihr „Wohnzimmer“ retteten

Eine Kneipe, die für viele zum Wohnzimmer geworden ist – das kurzfristig in Gefahr war. Viele der Stammgäste wussten davon, dass die damalige Pächterin den Ende 2021 auslaufenden Mietvertrag für das Lokal nicht noch einmal verlängern würde – das Ende der Traditionskneipe drohte. Eine Lösung musste für einen Erhalt des soziokulturellen Treffpunkts her, denn niemand wollte, „dass in den Räumlichkeiten Spielautomaten aufgestellt werden oder eine Shisha-Bar hineingebaut wird“, wie Andreas befürchtete. Zunächst fünf auch von der Altersstruktur (30 bis 70 Jahre) sehr verschiedene Stammgäste gründeten im Mai 2021 eine Genossenschaft und erwarben jeweils mindestens drei Anteile. Eine Satzung und ein Finanzierungsplan wurde von ihnen erarbeitet, sodass nach dem Erhalt der Konzession das Lokal am 22. Februar 2022 wieder öffnen konnte – mit Andrea, Andreas, Jakob und Leonie in tragenden Rollen, was Einkauf, Organisation oder Veranstaltungen angeht. Auch wenn die Zeiten von sagenumwobenen „Outdoor-Sport-Events“ wie dem Außenmühlen-Kastenlauf längst vorbei sind, so liegt auch der neuen Mannschaft der „Stumpfen Ecke eG“ die Fortführung des umfassenden Kulturprogramms am Herzen: Regelmäßige Live-Konzerte, Lesungen, Doppelkopf- und Skatrunden oder Kneipen-Quiz erfreuen sich großer Beliebtheit. Mitte Januar soll mit dem Streifen „Heikos Welt“ auch erstmals Kneipen-Kino erprobt werden auf einer Leinwand, die sonst nur bei frei empfänglichen Spielen des FC St. Pauli ausgerollt wird.   

Inzwischen zählt die Stumpfe Ecke eG 63 Genossenschaftsmitglieder – womit der Finanzplan deutlich übertroffen wurde. Weitere Anträge werden aber gern angenommen und geprüft – wobei Antidiskriminierung (insbesondere gegenüber Herkunft oder sexueller Orientierung) ein zentraler Wert ist, der von den Kandidat*innen eingefordert wird. Denn die „Stumpfe Ecke“ möchte weiterhin ein weltoffener, alternativer Treffpunkt mitten in Harburg sein, in dem sich möglichst viele Menschen auf den 75 Quadratmetern bei vergleichsweise preisgünstigem Getränkepreisen und kleinen Knabbereien wohlfühlen.

Die wichtigsten Facts

Unbedingt probieren: Ratsherrn-Zwickel – gibt’s gezapft nur selten in Hamburg!

Besonderheit des Ladens: Mit gemütlichen alten Holzmobiliar eingerichtete Raucherkneipe mit Kickertisch und Dartscheibe, als Genossenschaft geführt. 

Mit wem geht ihr hin: Zum Feierabend- oder Absacker-Bier mit Freund*innen oder allein, um Freundschaften zu schließen – an der Bar oder am Kickertisch.

Preise: Großes Ratsherrn-Pils vom Fass: 3,80 €, Gin-Tonic: 6,50 €, Chips oder Nüsse: 1,50 €

Zur Stumpfen Ecke eG | Rieckhoffstraße 14, 21073 Hamburg | Dienstag – Donnerstag 18–22 Uhr, Freitag und Samstag: 18–2 Uhr

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