Moin Ivy und Rosa – Wie sieht das grüne Hamburg der Zukunft aus?

Rosa (rechts im Bild) und Ivy (links im Bild) © Talika Öztürk

Was macht Hamburg eigentlich so besonders? Natürlich die Menschen, die hier leben. Genau die will ich näher kennenlernen. Deshalb spreche ich in dieser Reihe mit unterschiedlichen Hamburgern und Hamburgerinnen über alles, was sie bewegt. Vor der Bürgerschaftswahl am 23. Februar 2020 habe ich mich mit jungen Politiker*innen getroffen und gefragt, warum und wie sie Politik für Hamburg machen.

Ivy und Rosa von der Grünen Jugend haben große Ziele und Visionen für die Stadt. Wir haben die beiden Studentinnen in der Visionenwerkstatt getroffen. Wie ihr ideales, grünes Hamburger der Zukunft aussieht, und was ihre persönlichen Themen für die Wahl sind, haben sie uns im Gespräch verraten.

Was ist für dich das Besondere an Hamburg?

Ivy: Für mich ist Hamburg eine Stadt in der es eine flo­rie­rende Studierendenschaft und Kulturlandschaft gibt. Vor allem linke Szenen stehen hier sehr miteinander in einer Symbiose, die viel hervorbringt. Hier entstehen viele neue, progressive und visionäre Ideen. Meist gibt es direkt Projekte, die versuchen Ideen in die Tat umzusetzen. Das macht Hamburg zu einer lebendigen, sich ständig verändernden Stadt. Dieses Klima inspiriert mich regelmäßig. Auf einer persönlichen Ebene, in meinem Kunststudium. Aber natürlich auch auf politischer Ebene ganz enorm.

Rosa: Wenn man auf Hamburg eine Glocke machen würde, hätte man von allem ein bisschen. Dadurch, dass Hamburg ein Land und eine Stadt ist, hast du in Hamburg die Möglichkeit total viel zu gestalten. Weil du die Kompetenz hast, durch das Landesrecht, durch die Bezirke und so weiter. Dadurch hat man hier die Möglichkeit total viel auszuprobieren und zu schauen, was man vielleicht für größere Maßstäbe nutzen kann.

In welcher Ecke trifft man dich am häufigsten?

Beide: Aktuell hier in der Visionenwerkstatt!

Rosa: Ich bin vor ungefähr einem Jahr von Eimsbüttel nach Eilbek gezogen. Seitdem kundschafte ich auch dort die Gegend aus und merke, wie krass der Unterschied zwischen dem Westen und dem Osten der Alster ist. Ich bin aber echt ganz begeistert, was ich für Dinge mitbekomme, die man sonst vielleicht nicht so wahrnimmt, weil das nicht die „Highlight Orte“ von Hamburg sind. Auch dort gibt es ganz viel, was neu floriert oder auf den Weg gebracht wird. Da kommt auf jeden Fall Schwung rein.

Rosa (links im Bild) und Ivy (rechts im Bild) in der Visionenwerkstatt der Grünen Jugend. © Talika Öztürk

Hast du einen Lieblingsort in der Stadt?

Ivy: Jeder Ort, an dem man Konzerten lauschen, tanzen oder mitsingen kann. Ich könnte jeden Tag in dieser Stadt auf ein Konzert gehen, weil hier so viel nicer Shit abgeht, der gute Laune macht. Das ist für mich auch ein krasser Antrieb und lädt immer wieder meine Energie auf.

Rosa: Tatsächlich bin ich total die Kaffee- und Teilchen-Person. Am liebsten bin ich in der Schanze oder im portugiesischen Viertel an den Landungsbrücken unterwegs.

Wenn du eine Sache an Hamburg ändern könntest, welche wäre das?

Ivy: Ich würde mich freuen, wenn die Hamburger Gesamtgesellschaft wieder mehr Lust hat, darüber nachzudenken, wie wir unsere Gesellschaft zukunftsausgerichtet neu gestalten können. Insbesondere im Sinne der Bildungspolitik. Das sind große Fragen, die jeden von uns manchmal vor ein großes Dilemma stellen. Wenn man merkt, man muss über Fragen wie "Was bedeutet Arbeit noch für den Menschen" oder "Was ist der Menschen, wenn er nicht arbeitet" diskutieren muss. Bildung ist immer ein heikles Thema, weil jeder davon betroffen ist. Deswegen ist der Diskurs manchmal nicht so offen, wie er sein könnte. Ich würde es schön finden, wenn wir unabhängig von bestehenden Dingen in die Zukunft blicken könnten. 

Rosa (rechts im Bild) und Ivy (links im Bild)© Talika Öztürk

Seit wie vielen Jahren engagierst du dich in deiner Partei und wie ist es dazu gekommen?

Ivy: Seit dreieinhalb Jahren bin ich dabei. Das war der Moment nach meinem freiwilligen, kulturellen Jahr. Das habe ich in einem inklusiven Kulturverband in Bremen gemacht. Dort haben wir den ganzen Tag Kultur gemacht. Das hat mich so selbstverständlich Inklusion leben lassen, dass ich relativ häufig in einem Reaitätscheck nach draußen gemerkt habe: Unsere Gesellschaft setzt so krass auf Konkurrenz und Exklusivität statt Inklusion. Wie geht das klar? Menschen müssen darunter so doll leiden, weil sie so extrem als andersartig dargestellt werden. Das hat mir den letzten Kick gegeben und mich zu den Grünen gebracht.

Rosa: Bei mir war es direkt nach der Bundestagswahl, also vor zweieinhalb Jahren. Ich habe mich auch damals in der Schule in Bielefeld, wo ich herkomme, für Nahhaltigkeitsprojekte, wie die Klima-AG  interessiert. Als ich dann nach Hamburg gezogen bin, waren die Proteste im Zusammenhang mit der Klimakonferenz 2013 in Bonn sehr aktuell. Ich war damals auch in Bonn vor Ort auf einer Fahrrademo dabei. Als ich dann zurück gekommen bin von dieser Reise dachte ich mir: Das kann nicht sein. Du kannst nicht einmal zu einer Demo gehen und dann machst du wieder zwei Monate nichts. Aus dieser Menschenmasse, die dort mit dabei ware, haben ich dann den Schwung bekommen und wusste, ich will mich engagieren und mir verschiedene Organisationen angucken. Dann bin ich direkt bei der Grünen Jugend hängen geblieben.

Was ist deine Motivation, Politik zu machen und warum habt ihr euch für die Arbeit in einer Partei entschieden?

Ivy: Ich glaube an die pluralistische Demokratie in der wir leben. In der Form, dass ich ihre Grundsätze, wie den Versuch, die Menschenrechte zu erhalten, absolut richtig finde. In diesem System möchte ich etwas ändern – schon radikal an einigen Stellen aber in diesem System, weil viele dieser Grundsätze einfach so relevant sind. Und da sind Parteien einfach unerlässlich, um die pluralistische Demokratie zu erhalten. Selbst wenn man auch mal Probleme mit ihnen hat, was auch wir als Grüne Jugend gegenüber den Grünen kennen, ist es mein Anspruch im System, das System mit zu verändern.

Rosa: Wir als Grüne Jugend verstehen uns als „Mittelpunkt“ mit zwei Armen: Einmal haben wir den parlamentarischen Arm, der Richtung Partei und Parlament geht. Auf der anderen Seite haben wir den aktivistischen Arm. Der ist die Verbindung zur Bewegung und zu verschiedenen Initiativen und Bündnissen. Deswegen sehen wir uns auch als ggfs. Abgeordnete, in der Rolle, diese beiden Arme auszustrecken. Und gerade den aktivistischen Arm nicht zu verlieren und mit den Menschen im Dialog zu bleiben, mit denen wir jetzt auch schon zusammenarbeiten, ohne im Parlament zu sitzen. Wir glauben, dass zu einer Demokratie auch dieser Aktionismus dazugehört. Wenn es diesen zivilen Ungehorsam der Schülerinnen und Schüler von Fridays For Future nicht gebe, würden wir an dieser Stelle einfach nicht die parlamentarische Arbeit machen können.

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Welche Themen liegen dir politisch wie persönlich am Herzen?

Ivy: Ich mache Bildungspolitik im Schwerpunkt. Bildung ist so ein relevanter Teil der gesellschaftlichen Entwicklung. Dieser Bereich ist prägend für jeden von uns, weil es das Schulsystem gibt und jeder es durchlaufen muss. Ich glaube, da ist viel Potential, wenn man mit nachhaltigen Werten, aber vor allem auch mit einer inklusiven Perspektive an Bildung rangeht. Sei es die Demokratisierung und mehr Mitsprache Recht für Schüler*innen oder Bildung für nachhaltige Entwicklung und endlich das Wegkommen von klassischen Fächerstrukturen, hin zu einer Auseinandersetzung mit den wirklichen Problematiken dieser Welt.

Rosa: Mein Hauptpunkt ist die Mobilitätswende hier in Hamburg auf den Weg zu bringen. Es sind schon ein paar Dinge in den letzten Jahren passiert, aber wenn wir klimaneutral werden wollen bis 2035, dann müssen wir die Mobilitätswende mit rasanterem Tempo nach vorne bringen. Auf der einen Seite ist es der Stadtentwicklungsaspekt, auf der anderen Seite der Klimaaspekt, weshalb wir diese Klimawende brauchen. Wir müssen uns aufs Fahrrad fokussieren, wenn wir da weiterkommen wollen. Wenn wir in andere Städte gucken, dann sehen wir schon, dass es auf den Weg gebracht wurde: Amsterdam oder Kopenhagen sind von einer autogerechten zu einer menschengerechten Stadt gekommen. Das sind Städte, an denen du einfach, sicher und komfortabel mit deinem Fahrrad ans Ziel kommst. Die Menschen dort fahren nicht Fahrrad, weil sie denken, dass sie damit die Welt retten. Sie fahren Fahrrad, weil es entspannt ist und sie denken, dass sie so am schnellsten und komfortabelsten an ihr Ziel kommen. Das möchte ich auch für Hamburg: Breite Randwege, viel mehr Platz für Fahrräder, grüne Wellen und mehr Komfort! Das heißt dann zum Beispiel, Fahrräder stehen an einer Kreuzung immer ganz vorne oder es gibt Mülleimer, in die du während der Fahrt direkt reinwerfen kannst!

Die Menschen dort fahren nicht Fahrrad, weil sie denken, dass sie damit die Welt retten. Sie fahren Fahrrad, weil es entspannt ist und sie denken, dass sie so am schnellsten und komfortabelsten an ihr Ziel kommen.

Warum braucht es für den Klimaschutz in Hamburg die Grünen?

Ivy: Das lässt sich an der Bundespolitik am besten zeigen: Man hat gesehen, dass die Parteien ein formales Bekenntnis zum Klimaschutz zeigen. Das Pariser Klimabakommen wurde von Angela Merkel unterzeichnet etc.. Da könnte man ja annehmen, es sei relevant. Wenn man sich dann aber anschaut, was geschehen ist, und sieht, dass nichts geschehen ist. Und dieses Nichts ist so groß, dass es eine gesamte Bewegung hervorgebracht hat. Da gab es eine so große Handlungsdiskrepanz zwischen dem was man getan hat und dem was man behauptet wofür man stehe. Das zeigt doch schon, dass es keinen echten Willen dafür gibt, diesen Gedanken der Nachhaltigkeit konsequent politisch zu denken und umzusetzen. Und ihn als Prämisse über alles zu setzen. Da ist Nachhaltigkeit keine Frage von Ausspielen sozialer Gerechtigkeit gegenüber ökologischer Nachhaltigkeit. Sondern wenn man Nachhaltigkeit meint, dann ist es ein zusammengedachtes Prinzip. Ich glaube, dass man sehr gut erkennt, dass die Grünen, aufgrund ihrer Entwicklung das schon immer ernst gemeint haben.

Rosa (rechts im Bild) und Ivy (links im Bild) © Talika Öztürk

Wie setzt du persönlich die Werte deiner Partei im Alltag um?

Rosa: Wir sind nicht die Personen, die perfektionistisch sagen, dass wir das sein müssen, was unserer gesellschaftliches Ideal ist. Das wäre auch irgendwie eine Verkleinerung von Politik. Diese Vereinzelung, dass wir im Kleinen das schaffen müssen, was die Gesellschaft machen soll. Wir haben nicht so ein neo-liberales Verständnis, dass das die Einzelperson schaffen soll, sondern dass wir das als Kollektiv schaffen.

Nichtsdestotrotz sind wir schon Personen, die diesen Stil auch leben. Ob es jetzt in der Mobilität ist oder wie wir miteinander oder mit anderen Frauen in der Politik umgehen, egal ob aus unserer Partei oder aus anderen. Das ist glaube ich total wichtig. Sei es jetzt zum Beispiel Ria Schröder von der FDP, da sage ich: Cool, dass die das macht! Oder Julia Barth von der SPD. Ich glaube, dass wir da zusammen sehr viel reißen können. Und das ist das, wie wir auch darangehen und wir sagen: Diese Ziele die wir im Großen haben, die wollen wir auch im Kleinen leben.

Wie sieht dein ideales, grünes Hamburg in der Zukunft aus?

Ivy: Unsere Zukunft ist klimagerecht, feministisch, solidarisch und inklusiv. Und sie ist auch auf eine Art und Weise konkurrenzloser, was den Rest auch impliziert. Das sind immer so Wörter, die man oft hört, aber wenn man sich das mal vor Augen führt, was das das an gesellschaftlichen Strukturen mit sich bringen würde, wäre das doch schon sehr anders, als das was man so kennt. An den Verkehrsbeispielen kann man das gut darstellen: Genauso wie der Raum auf den Straßen anders aussehen kann, könnte es in unseren Köpfen anders aussehen, wie wir denken oder wie wir gemeinsam neue Ideen entwickeln, die unsere Gesellschaft voran bringen. Natürlich sind das Dinge, die mit noch größeren Fragen, als nur mit Hamburg zutun haben: Formen des Wirtschaftens, des Wohnens und des Miteinandersichbilden. Das wird natürlich zum Teil nicht nur auf Hamburg-Ebene  ausgetragen.

Rosa: Hamburg ist so viel mehr als von Reeperbahn bis Alster. Es ist von Harburg bis Langenhorm, Lurup bis Jenfeld: Da ist so viel Diversität drin. Da gibt es so viel Potential und so viele Ecken, die sich verändern können. Dort kann noch so viel mehr soziale Durchmischung stattfinden, man kann voneinander lernen und Kulturen miteinander verknüpfen. Dieses Hamburg ist also nicht in Stein gemeißelt. Wenn es um Integration geht, heißt das nicht, dass wir wollen, dass Leute die zu uns kommen sich in die Kultur von Hamburg integrieren müssen und ihre Sachen fallen lassen. Sondern es wird etwas mitgebracht und dann handeln wir zusammen aus, wie wir miteinander leben.

Unsere Zukunft ist klimagerecht, feministisch, solidarisch und inklusiv.

Wie schätzt du die politische Landschaft in Hamburg ein?

Rosa: Ich glaube, dass ein großer Veränderungswille in der Luft liegt. Man hat es ja gesehen, an den krassen Demonstrationen in diesem Jahr: Das geht ja vom Mietenmove über Anti-Rechts-Demonstrationen bis hin zu Fridays For Future oder anderen Anti-Kohle-Bewegungen. Da ist einfach so viel Lust auf Veränderung und so viel Abgenervtheit vom Status-Quo. Ich habe richtig das Gefühl, es gibt so viele Leute, die Lust haben zu gestalten. Das ist das, was wir Grüne und wir beide als Personen mitnehmen wollen: Diese Lust und diese Leidenschaft Dinge endlich mal anzupacken und nicht auszusitzen. Sie zu gestalten, statt sie zu verwalten. Ich habe das Gefühl, dass die Wahl wahnsinnig entscheidend wird. Ich bin total beflügelt, von dem was hier passiert und gehe mit einem enormen Rückenwind in die Wahl. Ich glaube, dass die Wahl uns viel geben wird und der Stadt viel Möglichkeit neue Dinge auszuprobieren.

Warum ist es wichtig, dass junge Menschen wie du, am 23.02.2019 in die Hamburger Bürgerschaft gewählt werden?

Ivy: Jungsein ist kein Selbstzweck. Jungsein bedeutet nicht automatisch, dass man für die Zukunft so kämpft, wie wir es tun. Das merken wir auch immer wieder, wenn wir mit jungen Verterter*innen anderer Parteien in Diskussionsrunden sitzen. Vor allem als junge Grüne ist es aber glaube ich eine wirklich wichtige Sache. Wir nehmen diese Zukunftsfragen als selbstbetroffene Generation sehr ernst.

Rosa: Das ist auch eine Frage von Repräsentanz und Anspruch: Wen können junge Menschen in dieser Stadt ansprechen, wenn es um ihre eigenen Belange geht? An wen wollen sie sich richten? Ich wäre damals nicht in ein Abgeordnetenbüro von einem alten weißen Mann gegangen und hätte gefragt, wie es jetzt gerade um die Mobilitätspolitik steht. Aber bei Instagram mal kurz nachzufragen, ist schon etwas anderes. Das ist schon etwas, was wir auch mitbringen. Und das Parlament ist auch ein Ort, wo Hamburg wiedergespielt werden soll. Das ist noch längst nicht fertig und auch wir müssen da kritisch an uns arbeiten, wie wir Grüne aufgestellt sind.

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